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Gen Z und Oper – passt das zusammen?

Opernsängerin auf der Bühne im Hintergrund der Chor.
Die Oper „Carmen“ wird dieses Jahr in der Staatsoper Stuttgart gespielt. Kann sie auch junge Menschen anlocken?
16. Mai 2023
Oper nur für Opas? Gen Z kann mit Oper eher weniger anfangen. Wie kann man dieses klassische Kulturprogramm entstauben? Ein Blick hinter die Kulissen verrät: Der Vorhang ist noch nicht gefallen.
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In der Staatsoper Stuttgart treffen wir Simone Theilacker-Wolter, Direktorin der künstlerischen Produktion und stellvertretende Intendantin auf ein Interview, das sich viel mehr zum Gruppengespräch entwickelt. Mit dabei sind Johannes Lachermeier, Direktor der Kommunikation und zwei BoGY-Praktikanten, Otto Siegel und Matthias Kunz. Sie diskutieren über die Haltbarkeit der Oper, erklären, weshalb sie so dafür brennen und warum Oper auch für junge Menschen bereichernd sein kann.  

Simone, was fasziniert dich an der Oper?

Simone Theilacker-Wolter: Also das Erste, was mich angefixt hat, war die Unmittelbarkeit der Musik. Für mich spielt die Musik in dieser Form von Theater, wie wir sie machen, eine große Rolle. Musik kann einen emotional berühren, wo das das gesprochene Wort nicht schafft. Zumindest bei mir persönlich.

Johannes Lachermeier: Ich finde, ein anderer wesentlicher Aspekt ist die Mehrdimensionalität. Es gibt keine Kunstform auf der Welt, die wiederum so viele Kunstformen in sich vereint, wie die Oper. Ich glaube, das kann überfordernd sein – aber eben auch auf eine positive Art sehr überwältigend.

„Ich denke, wer sich davon – also von so einem Live-Event mit Orchester und Chor – nicht begeistern lassen kann, der muss schon eiskalt sein.“

Simone Theilacker-Wolter

Simone Theilacker-Wolter: Auch diese riesige Gemeinschaft, diesen Apparat, der aus so vielen Teilen besteht und dann eins wird und diesen Abend überhaupt erst möglich macht, finde ich faszinierend.

Johannes Lachermeier: Besonders an der Oper ist auch das Live-Erlebnis – zum Beispiel im Gegensatz zu einem Streamingdienstleister, wo man dann zu Hause sitzt und nebenher Twitter checkt. Ich finde das geht nochmal ganz anders unter die Haut. Man sitzt mit 1.400 Menschen im Zuschauerraum und erlebt etwas gemeinsam. Und das mit einer ganz anderen Fokussierung.

Simone Theilacker-Wolter: Genau, so ein Live-Erlebnis ist ja auch körperlich. Also ich spüre unter meinen Füßen auf dem Holzboden, wie das Orchester live spielt.

Welche Angebote habt ihr denn aktuell speziell für junge Menschen?

Simone Theilacker-Wolter: Das ist natürlich eine Zielgruppe, bei der wir uns große Gedanken machen. Wir machen mehrfach in der Saison Crossover-Projekte, bei denen wir uns auch für andere Musikformen und -genres öffnen. Der Rapper Maeckes hat zum Beispiel mehrere Konzerte bei uns gespielt. Wir verlassen das Opernhaus aber auch gern. Beispielsweise haben wir im Wizemann eine komplette Produktion gemacht.

Johannes Lachermeier: Wir machen auch viele Community-Projekte; vom gemeinsamen Stricken an Teilen eines Bühnenbilds, über Skateboard-Contests vor dem Opernhaus bis hin zu Drag-Partys mit Kostümwettbewerb. Auf der anderen Seite brauchen wir aber natürlich auch ein „klassisches“ Opernrepertoire – hier sind wir unserem Publikum und den fast 20.000 Abonnenten verpflichtet.

Zwei Opernsänger die miteinander im Konflikt sind auf der Bühne, im Hintergrund der Chor.
Die Oper „Carmen“ erzählt ein Eifersuchtsdrama, das die schockierend besitzergreifende Seite der Liebe zeigt.
Quelle: Martin Sigmund

Otto Siegel und Matthias Kunz sind 15 und 17 Jahre alt und in der zehnten Klasse. Sie sind Teil des Musikzugs an ihrem Gymnasium und machen ihr Berufsorientierungs-Praktikum an der Oper.

Warum habt ihr euch denn für ein Praktikum in der Oper entschieden?

Otto: Also ich interessiere mich insgesamt für klassische Musik und möchte selbst Klarinette studieren. Meine Eltern sind auch Musiklehrer. Ich wollte mir mal den Arbeitsablauf der Musiker anschauen.

Matthias: Bei mir ist das ein bisschen anders, ich bin mir noch nicht sicher, was ich studieren will. Mich hat interessiert, was hinter den Kulissen der Oper passiert und welche Menschen an so einem Stück beteiligt sind.

Wie ist euer Bezug zur Oper?

Otto: Also ich gehe regelmäßig in die Oper, vor allem mit der Schule. Jetzt bald gehen wir auch in „Carmen“. Ich finde es jedes Mal auch einfach ein besonderes Erlebnis, das Orchester, den Chor und wie das alles zusammen funktioniert, zu erleben.

Matthias: Die Oper hat mich interessiert, weil ich mit meiner Oma und meinem Vater schon einige Male dort war und generell sehr begeistert von Musik bin.

Würdet ihr sagen, ihr beiden seid eine Ausnahme, weil ihr euch für Oper begeistert?

Matthias: Also ich würde jetzt nicht sagen, dass es eine totale Ausnahme ist. Aber man sieht schon tendenziell, dass sich Jugendliche eher weniger für die Oper interessieren. Ich glaube daran, dass es da nicht nur eine Ablehnungshaltung gibt, sondern, dass bei Jugendlichen das Interesse an diesen konventionellen Vorstellungen vielleicht noch nicht so groß ist.

Otto: Ich stimme Matthias zu. Wir sind Teil des Musikzugs, da ist glaube ich schon ein Großteil interessiert an der Oper. Aber beim Großteil der Jugendlichen insgesamt hat man das Gefühl, dass da kein großes Interesse besteht.

Wie könnte man die junge Generation denn gerade für diese klassischen Vorstellungen begeistern?

Simone Theilacker-Wolter:​ Ich glaube, wir müssen es schaffen, die Leute erst mal hierher zu bringen. Und ich stehe so hinter dem, was wir hier tun, dass ich denke; wer sich davon – also von so einem Live-Event mit Orchester und Chor – nicht begeistern lassen kann, der muss schon eiskalt sein. Ich glaube schon, dass der Funke ziemlich schnell überspringt. Wenn zehn junge Menschen drinsitzen, hätte ich schon die Hoffnung, dass die Hälfte davon freiwillig mal wiederkommt.

Johannes Lachermeier: Ich teile deine Meinung und denke, dass wir trotzdem noch stark gegen Vorurteile, wie abgehoben oder elitär zu sein, ankämpfen müssen. Wir müssen, glaube ich, prägnanter in unserer Kommunikation sein. Unsere Aufgabe ist es, in der gebotenen Kürze zu vermitteln, was das Publikum erwartet. Damit meine ich beispielsweise, dass wir ergänzend zum Spielplan in Form eines Videotrailers plastisch und kurz erfassbar machen, was hinter dem Titel und dem Komponistennamen steckt. Sodass auch all jene ohne Vorkenntnisse wissen, was sie an diesem Abend erwartet.