China 5 Minuten

Das Ende von "Null Covid" und seine Folgen

Ein Einwohner Pekings mit Mund-Nasen-Schutz, bei ihm zwei Angestellte einer Teststelle in Corona Schutzkleidung, die auf Fahrrädern unterwegs sind.
Bilder, die der Vergangenheit angehören. | Quelle: Milana Horvat
19. Febr. 2024
Chinas Zentralregierung lässt von einem auf den anderen Tag, nach zwei Jahren „Null-Covid-Politik“ und Bürgerprotesten im ganzen Land, alle Covid-Maßnahmen fallen. Die Folgen dieser 180 Grad Wende wurden sofort spürbar und dauern an.

Am 7. Dezember 2022 hat die chinesische Zentralregierung das Leben von 1,4 Milliarden Menschen völlig unvorbereitet und über Nacht auf den Kopf gestellt; alle Corona Maßnahmen wurden fallen gelassen. Zuvor hatte die Regierung die sogenannte „Null-Covid-Politik“ verfolgt. Dabei wurde die Infektionslage durch strikte Kontrollen und Einschränkungen, wie zum Beispiel Abriegelungen von Städten oder Einschränkungen der Reisemöglichkeiten, stark eingedämmt.

Milana Horvat*, die im Juni 2017 mit ihrem Mann von Stuttgart nach Peking zog, erinnert sich zurück: „Wenn es einen Coronafall im Gebäude gab, wurde der ganze Stadtteil abgeriegelt. Es waren überall Kameras, die Wohnungstür wurde überwacht und draußen stand jemand vom Staat, der kontrolliert hat, dass niemand rausgeht.“ Lebensmittel und Mahlzeiten habe man direkt vor das Appartement geliefert bekommen. Wenn man gerade nicht in Quarantäne gewesen sei, habe man einen maximal 72 Stunden alten Test gebraucht, um sich draußen bewegen zu können. Dafür habe Peking tausende Testcontainer und Teststellen aufgebaut, erzählt Milana weiter.

Mitarbeiter einer Teststelle in Peking in Schutzkleidung.
Mitarbeiter in Corona Schutzkleidung vor einer der zahlreichen Teststellen der chinesischen Hauptstadt.
Quelle: Milana Horvat

Ende November 2022 durchlief eine Demonstrationswelle das ganze Land. Die Menschen gingen zum ersten Mal seit dem Tian’anmen-Massaker 1989 wieder für die gleiche Sache in verschiedenen Städten auf die Straßen. Thema der Proteste war die „Null-Covid-Politik“. Der konkrete Auslöser, war ein Hochhausbrand in der Stadt Ürümqi, im Nordwesten Chinas. Dabei kamen mehrere Personen ums Leben, weil die Feuerwehr den Brand durch lockdownbedingte Absperrungen nicht schnell genug löschen konnte. „Hier in Peking haben sie auf einer großen Brücke im Zentrum demonstriert. Das waren viele junge Menschen, die studieren wollen, die leben wollen, die aus der Stadt wollen“, erzählt Milana. Es könne aber nicht die Rede von einem Massenprotest nach europäischem Maßstab sein, so Milana weiter. Sie schätzt, es seien 100 bis 200 Demonstrierende gewesen.

Warum die Maßnahmen so plötzlich von der Regierung gekippt wurden, ist offiziell nicht bekannt. Ein Grund könnte die Anfang November 2022 außer Kontrolle geratene Infektionslage sein. Die Zahlen stiegen wegen der Virusvariante Omikron rasant an. Auch die „Null-Covid-Politik“, die das Virus bislang weitestgehend eindämmen konnte, hat nicht mehr alle Infektionen vermeiden können. 

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Eine Übersicht der bestätigten, neuen Infektionszahlen in China pro Tag zeigt, wie schwer das Land ab November 2022 von der Omikron Welle getroffen wurde. | Quelle: Celine Urban

Als dann am siebten Dezember die meisten Maßnahmen aufgehoben wurden, durften Geschäfte, Restaurants und Malls wieder öffnen und man brauchte keinen negativen Testnachweis mehr. Trotzdem habe man anfangs wenige Menschen angetroffen, sagt Milana. Die Lockerungen kamen für die meisten unerwartet. „Die Apotheken hatten keine Vorräte, die Krankenhäuser waren nicht vorbereitet und schon am nächsten Tag war alles ausverkauft“, schildert Milana die Situation kurz nach Aufhebung der Maßnahmen.

Die Apotheken hatten keine Vorräte, die Krankenhäuser waren nicht vorbereitet und schon am nächsten Tag war alles ausverkauft.

Milana Horvat

Anja Senz, Professorin für Sinologie an der Universität Heidelberg schätzt die Situation so ein: „Deutlich ist, dass es keine konkreten Vorbereitungsmaßnahmen gegen die vorherzusehende Infektionswelle gab. Daher fehlen nun überall Medikamente wie Ibuprofen und Paracetamol. Die Krankenhäuser sind überfüllt.“

„Null-Covid“; eine folgenschwere Politik

Insgesamt seien die Konsequenzen der bisherigen Abschottungspolitik allgegenwärtig zu spüren: „Die Folgen dieser Politik sind erhebliche sozioökonomische Probleme, sowie Probleme in den Lieferketten und damit dem für China wichtigen Außenhandel“, erklärt Senz. Insgesamt schrumpfe der chinesische Verbrauchermarkt, der Dienstleistungssektor sei hart getroffen und die Arbeitslosigkeit sei stark gestiegen, erklärt Senz die aktuelle Lage in China weiter. Insgesamt sei die Wirtschaftslage sehr schlecht.

Bislang hatte das Land noch keine Zeit sich von den Auswirkungen der „Null-Covid-Politik“ zu erholen. Aktuell kommen die Krematorien mit den Einäscherungen nicht mehr hinterher, die Krankenhäuser beschäftigen sich fast ausschließlich mit Corona. Arzneimittel sind knapp und es gibt so viele Infizierte wie nie zuvor, sodass viel fachkundiges Personal fehlt. „So stellen die Veränderungen der Pandemiebekämpfung keine Erleichterung dar, sondern es sind vielmehr viele Menschen in Panik“, fasst Senz das Ende von „Null-Covid“ zusammen. Was die Folgen langfristig für Land, Leute und Wirtschaft bedeuten, bleibt abzuwarten.

Highway in Peking der kaum befahren ist.
Wo sich ansonsten ein Stau an den anderen reiht, sah man während der Null-Covid Politik Chinas kaum ein Auto auf den Autobahnen in Peking. | Quelle: Milana Horvat
leere Straßen in Peking bei Nacht.
Geschlossene Restaurants und keine Menschenseele unterwegs in den nächtlichen Gassen der Hauptstadt. | Quelle: Milana Horvat
shoppingmall in peking
Auch die Shoppingmalls waren menschenleer. | Quelle: Milana Horvat
ubahn in peking
Die U-Bahn in Peking, normalerweise drängen sich die Menschen hier dicht an dicht, während „Null-Covid“ stattdessen freie Platzwahl. | Quelle: Milana Horvat

*Name wurde auf Wunsch der Protagonistin geändert, die Identität ist der Redaktion bekannt.