Die Kanzlerfrage

Die Karten werden neu gemischt

25. Juni 2020

Die Corona-Krise hat gezeigt: Nicht jeder der Kanzlerkandidaten in der CDU kann auch Kanzler. Für dieses Amt braucht es mehr als nur schöne Worte. Nun trennt sich die Spreu vom Weizen und zum Vorschein kommt, wer auch mal anpacken und die richtigen Entscheidungen treffen kann. Ein Kommentar.

Merkel hat in der Krise einmal mehr bewiesen, weshalb sie so hohe Beliebtheit bei der Bevölkerung genießt. Wie sie bereits angekündigt hat, steht sie für eine erneute Kandidatur nicht zur Verfügung. Dass sie jetzt keinen Rückzieher macht und trotz hoher Beliebtheitswerte abtritt, zeugt nicht nur von Stärke, sondern auch von Intelligenz. Und was machen die Kandidaten, die „Hier!“ geschrien haben? Zwar haben nicht alle von ihnen ein Amt inne, um sich gegebenenfalls zu profilieren, aber spätestens jetzt kommt zum Vorschein, wer geeignet ist und wer nicht. Was eignet sich da besser, als ein Zitat aus der Bibel: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“.  

Friedrich Merz hat sich nach Ausbruch der Pandemie gemütlich in sein Schneckenhaus zurückgezogen und meldet sich erst nach getroffenen Entscheidungen der Regierung wieder. Allerdings sind seine Wortmeldungen nicht gerade positiver Art. Sichtlich überrascht darüber, dass ausgerechnet ihn, den großen Finanzexperten, keiner um Rat gefragt hat, verhält er sich wie ein beleidigtes Kind, das von Mutti nicht beachtet wurde. Was aufhorchen lässt ist, dass er nur Firmen finanziell unterstützen möchte, die bereits vor der Krise gut aufgestellt waren. Frei nach dem Motto „Nur die Stärksten werden überleben“. Ein guter Kanzler ist eben genau wie eine gute Mutter auch – für alle da!  

Norbert Röttgen, der sich ebenfalls seit Ausbruch der Krise rar gemacht hat, meldet sich erst jetzt wieder zu Wort. Dabei geht er weniger auf die Probleme im eigenen Land ein, sondern kümmert sich lieber um Europa. Grundsätzlich ist der Zusammenhalt Europas von großer Wichtigkeit, aber erst einmal sind die hungrigen Mäuler im eigenen Land zu stopfen und dann wird außerhalb des Nests geschaut.

Armin Laschet tanzt sich als Ministerpräsident von NRW „dank“ der Corona-Krise zwar die Füße wund, macht dabei jedoch keine gute Figur. Er ist ein schlechter Tänzer, der vorschnell den nächsten Schritt ansetzt und dabei des Öfteren auf die Füße der Partei tritt. Die Tatsache, dass er beim Konjunkturpaket übergangen wird, zeugt nicht gerade von Durchsetzungskraft und Taktgefühl. 

Überraschend stark hingegen gibt sich Jens Spahn in seiner Rolle als Gesundheitsminister. So trifft er in der Krise nicht nur wichtige und mutige Entscheidungen, wie zum Beispiel die Corona-App, sondern beweist auch persönliche Stärke. Meinte er noch zu Anfang der Pandemie: die Gefahr einer Pandemie sei „eine zurzeit irreale Vorstellung“, revidierte er seinen Kurs, indem er die Gesundheitsminister der Länder anwies, die Pandemiepläne für einen möglichen Einsatz zu aktivieren. Dass er nur den Vizekanzler für Laschet mimt, war mit Sicherheit ein Fehler.

Und was macht der Straußbewunderer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder? Zwar ziert er sich derweilen und hat seine Kandidatur noch nicht in den Ring geworfen, aber seine Beliebtheitswerte lassen Stimmen um eine Kanzlerkandidatur lauter werden. Erstaunlich schnell hat er sein Machogehabe seit Amtseinführung beiseitegelegt, was anfangs nicht gerade überzeugend rüberkam. Auch sein plötzlicher Schwenk in Richtung Umwelt und Bienensterben schien eine zeitlich begrenzte Sache zu sein. Es ist ihm aber wohl ernst und mit Blick in die Zukunft ist diese Wandlungsfähigkeit wichtig, damit die ökologische Zukunft bewusst gestaltet werden kann. Was die Corona-Krise betrifft, führt er Bayern nicht nur unaufgeregt und mit mutigen Entscheidungen durch die Krise, sondern pflegt auch gute Kontakte nach Berlin, was für eine mögliche Kanzlerschaft nicht unbedeutend ist. Könnte er die Union einen und mit einem klaren Kurs führen oder hat die CDU noch mehr zu bieten und es wagen sich weitere Kandidaten aufs Parkett?