Themenmix auf edit
Die Politik geht unter

30 Jan 2020
Eine 70 Jahre alte Prostituierte, zwei Wochen lang kalt duschen, eine Analyse über das Bienensterben. Ob Portraits, Selbstversuche oder Berichte, welche Darstellungsform und Themen dominieren unser edit-Magazin? Hat sich im Laufe der Jahre etwas geändert? Eine datenjournalistische Analyse.
Cordula Marleen Friz
Crossmedia-Redaktion / Public Relationsseit Sommersemester 2018
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„Fußballthemen dominieren edit“, warf ein Redakteur in die Runde. „Und Porträts!“, ergänzte ein anderer, „Gefühlt schreibt jeder nur noch Porträts.“ „Edit wird immer mehr wie Bento: Nur Lifestyle-Themen“, fügte eine CR-Studentin innerhalb der Themenkonferenz hinzu. Genau diese Gedanken ließen uns nicht mehr los: Wie sieht die Darstellungsvielfalt und Themenmischung innerhalb der edit-Specials aus? Um das herauszufinden, analysierten wir insgesamt 412 Artikel, welche innerhalb der fünf edit-Themenspecials produziert wurden. Dabei gingen wir vier Fragen nach.
1. Journalismus auf den Ohren?
Die erste Frage basierte auf der Aussage, es gäbe immer mehr Audioaufnahmen in den Beiträgen. In den letzten Jahren sind die Zuhörerzahlen von Podcasts ums Enorme gestiegen und immer mehr Deutsche hören laut einer Bitkom-Umfrage Podcasts. Jedoch sind Podcasts länger und tiefgehender, als unsere ein- bis zweiminütige Audioaufnahmen innerhalb der Beiträge, ein Beispiel für einen Beitrag mit mehreren Audioaufnahme ist "Modern und konservativ". Lässt sich der Trend auf die edit-Specials beziehen und produzieren unsere Redakteure in den aktuellen Artikel mehr Audios als früher?
Anhand der Daten kann man dies nicht bestätigen. Die am Häufigsten verwendeten crossmedialen Inhalte waren Bildergalerien und Zitate, wie zum Beispiel im Beitrag "Immer auf Achse", erst anschließend Audios und Infografiken. An letzter Stelle stehe Videos, diese wurden am Wenigsten produziert. Das erste Semesterspecial edit.Puls beinhaltete 93 Artikel, von denen 48 Tonspuren enthielten – also mehr als die Hälfte (51,61%). Ein halbes Jahr später verhielt es sich ähnlich: Die Studierenden produzierten unter dem Thema edit.Yourope. Von 69 Beiträgen enthielten 56,52% Audios. Ende 2018, im dritten Special edit.Edge, folgte jedoch der Widerspruch zum Trend: Tonspuren wurden bei insgesamt 91 Artikeln nur zu 39,56 % verwendet. Auch die darauffolgenden Specials edit.connect, und edit.Challenge zeigen keinen bemerkenswerten Anstieg von Audiospuren. Die meisten Redakteure scheinen in ihrer Crossmedialität lieber andere Mittel zur Untermauerung ihrer Argumente zu nutzen. Aber wer weiß, vielleicht steigt edit in den nächsten Semestern ja doch in das Podcast-Business ein.
2. Gesellschaft über Politik?
Wenn man durch edit surft, fällt einem auf, dass kaum politische, wissenschaftliche oder wirtschaftliche Themen zu finden sind. Ob es eine Veränderung bezüglich dessen im Laufe der edit-Semesterspecials gab oder diese Themen schon immer vernachlässigt wurden, wollten wir anhand unserer Datenerhebung mit der zweiten Frage überprüfen: Welches Themenressort dominiert?
Lifestyle- und gesellschaftliche Themen dominieren. Ein Beispiel hierfür ist der Beitrag "Generation Einsam", also Menschen, die ihre Geschichten erzählen oder Themen, die die Gesellschaft betreffen. Woran das liegt? Vermutlich daran, dass edit keine Tageszeitung ist, sondern ein Magazin mit Special-Themen, die einen gewissermaßen in eine Themenrichtung lenken. Wenn man an das Special “yourope” denkt, wird einem vermutlich eher ein politisches Thema einfallen, als wenn es um Themen am Rande der Gesellschaft (“edit.Edge”) geht. Genau das zeigt sich auch in den Zahlen, denn der höchste Politik-Anteil lässt sich im yourope-Special auffinden. Um den edit-Lesern einen vielfältigeren Themenmix zu bieten, sollten künftige edit-Beiträgen auch politische, wissenschafltiche und wirtschaftliche Themen beleuchten. Ein bisschen mehr Tageszeitungsthemen werden uns sicher nicht schaden.
3. Texte formen
Ein Journalist weiß über die vielen verschiedenen Darstellungsformen Bescheid: Ob Bericht, Glosse, Listicle, Portrait, oder Reportage - nichts ist ihm unbekannt. Doch welche Form wählten die Redakteure im Laufe des Specials am Meisten aus? Unsere Einschätzung: Das Portrait, wie der Beitrag "Juse Ju - Ein Rapper zwischen Tokio und Kirchheim".
Unsere Analyse zeigt, dass alle Darstellungsformen mal mehr und mal weniger ausgewählt wurden. Dabei gelingt es dem Portrait nicht auf Platz eins. Vor allem das neuste Semesterspecial edit.Challenge zeigt auf, dass Bericht, Reportage und Portrait am Häufigsten geschrieben werden.
4. “Only bad news are good news!”..
.. ist kein unbekanntes Sprichtwort in der Nachrichtenwelt. Wir analysierten anhand unserer vierten Hypothese, ob die Special-Artikel eher traurige Ereignisse und Thematiken, wie etwa Schicksalsschläge oder Krankheiten als Aufhänger beinhalten.
Das Schaubild zeigt uns, dass edit viel eher auf positive Ereignisse und Geschichten zurückgreift, wie der Beitrag "Der Migrant ihres Vertrauens". Auch das liegt vermutlich daran, dass edit ein Studentenmagazin und keine Tageszeitung ist. Wir berichten nicht über die aktuellsten Schlagzeilen oder katastrophale Ereignisse, sondern vorwiegend über Personen und Gesellschaftsthemen. Dabei fiel uns auf, dass wir Redakteure unsere Artikel sehr gerne mit Expertenmeinungen untermauern.
Experten sind Menschen, die im entsprechenden Themenbereich eine Ausbildung genossen haben. Er verfügt über Fachwissen oder Erfahrungen innerhalb eines bestimmten Gebietes. Im Durchschnitt enthalten die Hälfte der Specialartikel Expertenmeinungen. Uns schien es, als würden Berichte eher auf einen Experten zurückgreifen, da diese häufig viele Zitate beinhalten. Unserer Analyse zufolge finden sich jedoch genauso in anderen Darstellungsformen häufig Expertenmeinungen wider. Am Meisten wurden im ersten Special, nämlich edit.Puls, Experten zugezogen. Ein Beispiel für Beiträge mit Expertenmeinungen ist der Beitrag "Zwischen Stethoskop und Salatbesteck". Es ist also nicht abhängig von der Darstellungsform, sondern viel eher vom Thema.
Last but not least
Der Themenfokus hat sich in den letzten Jahren nicht verändert: Politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche oder auch sportliche Themen wurden schon von Beginn, seit dem ersten Themenspecial 2017, eher selten beleuchet. Lifestyle- und Gesellschaftsthemen dominieren tatsächlich. Für uns steht fest: Mehr “ernstere” Themen wie Politik oder Wirtschaft müssen her. Auch die crossmedialen Inhalte wie Videos sollten öfter produziert und eingepflegt werden. So können wir unseren Lesern eine Vielfalt in Themen und Darstellungen bieten. Wir sind gespannt auf die nächsten Semester und werden die Themenmischung hier auf edit im Auge behalten.