Filmbranche 5 Minuten

Behind the Scenes: Netflix-Eigenproduktionen

Netflix gehört zum Abendprogramm vieler Leute.
Netflix gehört für viele junge Menschen zum täglichen Abendprogramm. Doch was geschieht hinter den Kulissen des Streamingdienstes? | Quelle: Juliane Kegreiss
19. Febr. 2024

Deutsche Netflix-Eigenproduktionen sind auf der Überholspur. Hinter dem Erfolg stecken oft Alumni der Filmhochschule Baden-Württemberg. Absolventin und Drehbuchautorin Johanna Stuttmann plaudert aus dem Nähkästchen der Filmbranche.

Deutsche Filmemacher aus Ludwigsburg gewinnen einen Emmy für ihre Netflix-Eigenproduktion? Hinter der Erfolgsserie „Die Kaiserin“ stecken zwei Alumni der Filmakademie Baden-Württemberg. Der Ruf der Hochschule wächst stetig weiter und macht aus den Absolvent*innen bekannte Namen in der Filmbranche. Einige von ihnen arbeiten später für den Streamingdienst Netflix.

Laut eigenen Angaben ist das US-amerikanische Unternehmen seit Mitte der 90er Jahre in der Medienbranche unterwegs. Anfangs verlieh Netflix lediglich DVDs per Post. Mittlerweile hat sich der Streaming-Dienst mit ca. 247 Millionen Abos zu einem echten Streaming-Riesen entwickelt. Besonders interessant ist die steile Erfolgskurve der deutschen Netflix-Eigenproduktionen. Laut der Filmdatenbank IMDb hat die Thriller-Serie Dark eine Bewertung von 8,7 und ist damit auf Platz 1 der erfolgreichsten deutschen Netflix-Serien der letzten zehn Jahre. Zum Vergleich: Die preisgekrönte Serie Squid Game hat eine Bewertung von 8,0.

Die elf erfolgreichsten deutschen Netflix-Eigenproduktionen. | Quelle: https://www.imdb.com/?ref_=nv_home

Drehbuchautorin Johanna Stuttmann hat folgende Vermutung zum Erfolg von Netflix-Eigenproduktionen: „Netflix wagt inhaltlich sehr viel mehr, als das öffentlich-rechtliche Fernsehen.“ Streaming-Anbieter hätten dem Erzählen von Geschichten gutgetan, neue Räume erschlossen und Tabus gebrochen, so Stuttmann. 

Der Erfolg des Endprodukts steht und fällt aber mit den Leuten hinter der Kamera. Behind the Scenes sind Regisseur*innen, Drehbuchautor*innen und Produzent*innen gut vernetzt. Grundsätzlich arbeitet Netflix gern mit bereits erfolgreichen Größen aus der Filmbranche zusammen: Ein Drittel der Netflix-Filmmachenden hat schon mindestens vier Filmpreise gewonnen. 

Unser Netflix-Netzwerk

Wir haben das Netzwerk deutscher Eigenproduktionen auf Netflix analysiert. 

Unsere Forschung befasst sich mit den laut IMDb elf erfolgreichsten Netflix-Serien in Deutschland und untersucht die Beziehungen zwischen den einzelnen Regisseur*innen, Produzent*innen und Drehbuchautor*innen.

Talentgrube Ludwigsburg

Wo holt sich Netflix seinen Nachwuchs her? Die Filmakademie Baden-Württemberg (FABW) spielt eine zentrale Rolle, denn jeder Fünfte der Netflix-Filmschaffende hat dort studiert. Das Besondere an der Ludwigsburger Hochschule ist die Praxisnähe: Die meisten Dozent*innen sind selbst in der Filmbranche tätig. So auch Stuttmann selbst, die nach einem Studium als Dozentin an die Akademie zurückkehrte und schon bei einigen Fernsehfilmen mitwirkte.

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Absolvent*innen der Filmakademie Baden-Württemberg, der HFF München und der Kunsthochschule für Medien Köln unseres Netflix-Netzwerkes im Vergleich. Obwohl München und Köln einer der Top-Medienstädte in Deutschland sind, studierten mehr der Filmemachenden in Ludwigsburg. | Quelle: IMDb

Einige der in der Studienzeit geknüpften Beziehungen, führen zu einer langjährigen Zusammenarbeit. „Wer einmal zusammengearbeitet hat, tut es in der Regel auch wieder – oder gerade dann nicht“, erzählt Stuttmann, die selbst schon oft mit ehemaligen Kommiliton*innen produziert hat. „Das Netzwerk, was man sich während des Studiums aufbaut, ist gerade in der Filmbranche ein sehr wichtiges, auf das man in seiner Karriere häufig zurückgreifen wird.“ 

So haben beispielsweise die Filmemacher Fabian Maubach und Jochen Laube zusammen an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert und die bekannte Serie „Die Kaiserin“ gemeinsam produziert. Im November räumte „Die Kaiserin“ sogar den International Emmy als beste Dramaserie ab. Darüber hinaus gründeten Maubach und Laube auch die Berliner Produktionsfirma „Sommerhaus Filmproduktion“. Bei einigen Sommerhaus-Produktionen fanden auch Absolvent*innen aus Ludwigsburg einen Arbeitsplatz. Stuttmann sagt: „Wenn ich sehe, wer an bestimmten Filmen mitgearbeitet hat, dann sind das ganz oft Verbindungen aus Ludwigsburg.“ 

Maubach und Laube sind nicht das einzige Film-Paar, dass sich in der Uni kennenlernte und Geschäftsbeziehungen fürs Leben schloss: Das Produzentenduo Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann fuhr nach einem Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln mit dem Netflix-Hit „How to sell Drugs online fast“ einen Erfolg ein. Die gemeinsam gegründete Produktionsfirma „Bildundtonfabrik“ steht ganz oben auf dem Siegertreppchen, wenn es um die meisten Produktionen im Netflix-Netzwerk geht.

Den Platz für das absolute Powercouple haben sich Jantje Friese und Baran bo Odar verdient. Sie sind Schöpfer*innen des Serien-Erfolgsschlagers „Dark“.  Die Film-Koryphäen haben nicht nur gemeinsam studiert, gearbeitet und gegründet, sondern sind auch verheiratet. Vorzugsweise bedient das gut vernetzte Paar die Genres Drama und Horror.

„Für Netflix produziert zu haben, muss nicht in meiner Vita stehen.“

Johanna Stuttmann

Klischees in der Filmbranche

Auffallend bis jetzt: Die Filmbranche ist männerdominiert, nur ein Drittel der Filmmachenden im Netflix-Netzwerk sind weiblich. Dieses Klischee der Filmbranche kann Stuttmann sowohl bestätigen, als auch widerlegen: Im Drehbuch-Department an der FABW sei die Geschlechterverteilung zwar sehr ausgeglichen, es gäbe aber auch Departments, in denen schon immer mehr Männer vertreten seien. Alte Muster scheint die FABW allerdings aufzubrechen. „Die Branche befindet sich gerade in einem Wandel“, so Stuttmann. Mittlerweile gäbe es mehr Regie-Studentinnen, dafür sei das Kamera-Department männlich geprägt.

Auch bei der Genreauswahl lassen sich geschlechtsspezifische Stereotype entdecken: Im Netflix-Netzwerk arbeiten Männer hauptsächlich an Crime-Serien, während ein Großteil der Frauen für das Genre Drama produziert.

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Das Netflix-Netzwerk nach Geschlecht sortiert. Männer sind hier blau, Frauen gelb dargestellt. Man kann sehen, dass mehr Männer als deutsche Filmemachende tätig sind. | Quelle: IMDb

Netflix ist kein Muss

Anders als gedacht, ist eine Zusammenarbeit mit Netflix nicht der größte Traum jeder und jedes Filmachenden. Johanna Stuttmann ist der Meinung: „Für Netflix produziert zu haben, muss nicht in meiner Vita stehen.“ Das könnten jüngere Autor*innen aber anders sehen, vermutet sie. Stuttmann weiß mittlerweile: „Qualität ist wichtiger als die Plattform und diese Qualität kann auf ganz unterschiedlichen Plattformen stattfinden.“ Wirft man einen Blick auf international ausgezeichnete Produktionen, variieren die Plattformen von Netflix über Amazon bis zu Öffentlich-Rechtlichen-Anbietern und darüber hinaus. „Es gibt nicht nur eine Champions League, sondern überall ploppen kleine Wunder auf“, ergänzt Stuttmann.  

Wer in der Branche Karriere machen will, muss drei Dinge mitbringen, so Stuttmann: Fantasie, Ausdauer und Kooperationsvermögen. Jungen Nachwuchstalenten rät Profi Stuttmann: „Ausdauer und den Glauben daran nicht verlieren. Und dieses Netzwerk aus Ludwigsburg zu nutzen.“

Ob aus Ludwigsburg oder nicht, wer einmal einen Fuß in der Netflix-Tür hat, bleibt in der Regel auch in der Filmbranche erfolgreich. Um im Abspann über die Bildschirme zu flimmern, ist eine gute Vernetzung nötig. Und wie „Erfolg“ definiert wird, das entscheidet am Ende jede und jeder Filmschaffende für sich selbst.