Qual der Wahl

Die Kanzler*in-Frage: Perfekte Politiker*innen gibt es nicht

Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz wollen es im September wissen.
21. Mai 2021
Alle vier Jahre wählen die Deutschen den neuen Bundestag, der dann den*die Bundeskanzler*in wählt. Nach einer halben Ewigkeit steigt Angela Merkel als Kanzlerin aus. An den potenziellen Nachfolger*innen gibt es von vielen Seiten immer wieder etwas auszusetzen. Ein Kommentar.

Angela Merkels Regierungszeit neigt sich dem Ende zu und Deutschland diskutiert hitzig über die Nachfolge. Welche*r der drei Kandidat*innen ist geeignet, Deutschland nach der Corona-Pandemie wieder zu neuer Hochform zu verhelfen? In der öffentlichen Debatte geht es dabei jedoch oft um die Person an sich, nicht aber um die politischen Ziele und Errungenschaften. Heiß debattiert wird Baerbocks Buch, in dem Textstellen aus anderen Veröffentlichungen ohne Quellenangabe übernommen wurden. Oder die Geschäfte von Laschets Sohn, der dem Land Nordrhein-Westfalen unbrauchbare Schutzausrüstung vermittelt hat. Auch Olaf Scholz kommt durch den Wirecard-Skandal und der mangelnden Aufklärung des CumEx-Skandals als verantwortlicher Minister nicht gut weg. Bei der Wahlentscheidung sollte aber viel mehr Wert darauf gelegt werden, welche politischen Werte und Ziele die Parteien und ihre Kanditat*innen mit sich bringen. Denn eines lässt sich klar sagen: jede*r Anwärter*in hat ein Spezialgebiet.

Gerade als Regierungschef*in ist es wichtig, sich umfassend mit allen wichtigen Themen auseinanderzusetzen. Jede*r Kandidat*in hat dabei eigene Vor- und Nachteile. Als Ministerpräsidenten eines Bundeslandes, der Tätigkeiten als Vizekanzler oder Bundesvorsitzende der eigenen Partei können alle drei mit Führungsqualitäten punkten. Regierungschef*innen bilden ein Kabinett mit ausgewählten Politiker*innen, die in ihrem Bereich Expert*innen sein sollten. Wichtig ist daher die Auswahl der Minister*innen, die miteinander arbeiten und die Themenschwerpunkte der Regierung setzen und dem Willen, Expert*innen zuzuhören und auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen. Deshalb sollten die individuellen Positionen der Kandidat*innen näher beleuchtet werden.

Die Kandidat*innen im Überblick

Annalena Baerbock hat ein ganz klares Steckenpferd: das Klima. Offensichtlich für eine Grüne. Ihre Arbeit in Ausschüssen und Sondierungsgruppen belegen ihre klimapolitische Kompetenz. Wer von den Grünen in diese Ausschüsse geschickt wird, muss sich wohl sehr gut mit dem Thema auskennen. Durch ihr Studium des Völkerrechts ist sie gut mit den Themen internationales Recht und Menschenrecht vertraut, was gerade außenpolitisch sehr wertvoll sein kann. Für Baerbock dürfe nach dem Wort Klima kein "aber" stehen. Ob sich diese Einstellung mit der wirtschaftlichen Ausrichtung Deutschlands vereinbaren lässt, muss die Zukunft zeigen.

Im Spiegel wird er als „Unionspolitiker auf Abwegen“ beschrieben, Kritiker nannten ihn sogar „Türken-Armin“. Auch wenn Armin Laschet einer eher konservativen Partei angehört, hat er in Sachen Integration eine sehr liberale Perspektive. Bestes Beispiel: Nordrhein-Westfalens Integrationspolitik. Das Bundesland ist nicht nur Heimat vieler Geflüchteter, sondern auch Spitzenreiter in puncto Integrationskurse. Damit zeigt Armin Laschet, dass er erkannt hat, wie wichtig die Einbindung dieser Menschen und ihrer Kulturen ist. Fragwürdig bleibt bei Laschet, ob er genug Politiker*innen in seiner eigenen Fraktion finden kann, die annähernd so liberal sind wie er. Schließlich sind auch Minister*innen für viele wichtige Projekte zuständig. Wie liberale Integrationspolitik funktionieren soll, wenn auch Friedrich Merz in Laschets Kabinett untergebracht werden muss, bleibt ein großes Fragezeichen.

Als der Regierungserfahrene des Trios scheint der aktuelle Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz prädestiniert für den Job. In finanzieller Hinsicht zeigt er definitv schwäbische Züge. So hat er in den wirtschaftlich guten Jahren die schwarze Null verteidigt, die der Regierung zu einem finanziellen Polster verhalf. In Zeiten der Not, die mit der Corona Pandemie eingebrochen sind, schmerzen die neuen Staatsschulden nicht ganz so sehr. Auch wenn der SPD-Parteitag seine Kandidatur kürzlich bestätigte, hat seine Auswahl nach wie vor ein Geschmäckle. Schließlich konnte er die Wahl zum Parteivorsitz im letzten Jahr nicht für sich entscheiden. Scheinbar ist nicht jedes Mitglied mit seinen Entscheidungen zufrieden gewesen.

Wisse, was du willst

Vor der Wahl sollte sich deshalb jede*r mit diesen Positionen und den dazugehörigen Parteien genau auseinandersetzen. Welche der aktuellen Herausforderungen sieht man als dringendste an und welche*r Kandidat*in hat die beste Antwort darauf? Wähler*innen müssen sich deshalb sehr bewusst sein, was sie sich für die Zukunft wünschen und wer ihnen diesen Wunsch auch nur ansatzweise erfüllen kann. Damit der vorherrschende Status Quo aber aufgebrochen werden kann, müssen die bisher oft trägen Nichtwähler ihr Kreuz setzen. Leider ist kein*e Kandidat*in perfekt. Wenn sich auch nur ein paar Positionen mit den eigenen Vorstellungen decken, ist die Wahl doch recht einfach.