Faktencheck

"Uns droht eine noch sehr viel größere Massenmigration als die seit 2015."

21. Mai 2019

Beatrix von Storch äußerte sich auf Facebook kritisch zu einer Umfrage, die belegen soll, dass Deutschland eine noch größere „Massenmigration“ aus Afrika bevorstehe, als 2015. Bezieht sie sich hierbei auf wahrheitsgetreue Fakten oder folgt sie mit diesem Post der Schlagrichtung ihrer Partei? 

Am 2. April schrieb Beatrix von Storch, Mitglied des deutschen Bundestages der AfD, in einem Statement auf ihrer Facebookseite: „Uns droht eine noch sehr viel größere Massenmigration als die seit 2015, was katastrophal wäre für Deutschland.“ Sie stützt ihre Aussage auf einen Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, welcher sich wiederrum auf eine Umfrage von „Afrobarometer“ beruft.

Die von ihr in dem Post verwendeten Zahlen und Umfrageergebnisse entsprechen, bis auf einen Rechenfehler, der Wahrheit. Allerdings wird durch Fehlinterpretation der Daten und Zurückhaltung weiterer Informationen ein missverständliches Bild der Ergebnisse gezeichnet.

Beispielsweise schrieb von Storch: „Eine Umfrage von Afrobarometer zeigt: 37 Prozent der Afrikaner erwägen die Migration nach Europa.“ Die von Afrobarometer gestellte Frage, auf die sich Frau von Storch hier bezieht, lautete „How much, if at all, have you considered moving to another country to live?“. Als Antwortmöglichkeiten waren „A lot“, „Somewhat/A little bit“ und „Not at all“ gegeben. Von den erwähnten 37 Prozent gaben nur 18 Prozent an viel über eine Auswanderung nachzudenken.

Weiter schrieb Frau von Storch: „Zwar haben nur drei Prozent der Bevölkerung schon konkrete Pläne und Vorbereitungen getroffen, […] 3,9 Millionen Menschen, die auf gepackten Koffern sitzen.“ Die Gesamtbevölkerung Afrikas beträgt momentan rund 1,4 Mrd. Menschen. Drei Prozent hiervon wären dementsprechend 39 Millionen Menschen, die konkrete Pläne einer Emigration verfolgen. Aus den Umfragedaten lässt sich jedoch nicht herauslesen, wohin die geplante Auswanderung stattfinden soll. Lediglich über die bereits erwähnten 37 Prozent, die mindestens „a little bit“ über Auswanderung nachdenken, gibt es konkrete Angaben. Die meistgenannte Antwort auf die Frage, wohin die Befragten am ehesten gehen würde, war „within region“, also in der Region zu bleiben. 27 Prozent gaben Europa als Zielgebiet an. Über bestimmte Länder gibt es in der Umfrage keine Angaben; ob und wie viele Afrikaner nach Deutschland kommen wollen, lässt sich faktenbasiert nicht beurteilen. Diese Angaben wären notwendig, um die Situation vollständig einschätzen zu können, finden jedoch in Frau von Storchs Posting keine Erwähnung.

Mit der Aussage: „Uns droht eine noch sehr viel größere Massenmigration als die seit 2015 […]“ vergleicht Frau von Storch die Umfrageergebnisse mit der Flüchtlingskrise 2015. Dieser Vergleich ist irreführend, da laut dem Migrationsbericht 2015 der Großteil der Migranten Schutzsuchende waren. Das Hauptherkunftsland war Syrien. Auf die von Afrobarometer gestellte Frage „What is the most important reason why you would consider moving from [your country]?“ gaben nur 2 Prozent Frieden oder Schutz an. Der mit 44 Prozent meistgenannte Grund war Arbeit zu finden. Das deutsche Einwanderungsgesetz sieht vor, dass lediglich qualifizierte Fachkräfte das Recht haben, auch ohne konkretes Arbeitsangebot, zur Arbeitssuche 6 Monate in Deutschland zu bleiben. Allerdings dürfen sie in dieser Zeit keine Sozialhilfe beziehen und müssen vor der Einreise einen gesicherten Lebensunterhalt nachweisen. Diese Form der Migration stellt, im Gegenteil zur Aussage Frau von Storchs („[…] was katastrophal wäre für Deutschland“), weniger für Deutschland und mehr für Afrika selbst ein Problem dar, da der Verlust von Fachkräften die aufstrebende Wirtschaft in einigen afrikanischen Ländern negativ beeinflussen könnte.

Zusammenfassung: Auch wenn Beatrix von Storch einerseits einen bestimmten Teil der Umfrageergebnisse korrekt wiedergibt, so lässt sie andererseits wichtige Daten zur Einschätzung vermutlich gezielt unerwähnt, um die Agenda ihrer Partei weiter zu verfolgen. Aufgrund der missverständlichen Auslegung einiger Aspekte kommen wir zum Entschluss, dass ihre Aussagen größtenteils als falsch („mostly false“) zu bezeichnen sind.