Interview

„Das coolste Büro der Welt“

Mit jeder Flugstunde rückt David seinem Traum vom Beruf als Piloten ein Stück näher.
31. Mai 2023
David arbeitete fast zehn Jahre lang als Flugbegleiter und hat in dieser Zeit einiges im Flugzeug erlebt. Nun hat er sich dazu entschieden, seinen Pilotenschein zu machen. Ein Gespräch über den Arbeitsalltag im Flugzeug.

Pilot*in sein ist ein Kindheitstraum von vielen - war das bei dir auch so?

Ne, tatsächlich war es früher gar nicht mein Wunsch, Pilot zu werden. Das hat sich eher durch Zufall so entwickelt. Ich war zu dem Zeitpunkt schon fünf Jahre lang Flugbegleiter und war dann irgendwann nachts in Berlin im Hotel angekommen. Unsere Kolleginnen waren alle schon auf dem Zimmer, also bin ich mit den beiden Piloten an die Bar gegangen. Das waren zwei supercoole Jungs. Wir haben uns dann nachts um zwei noch einen hinter die Binde gekippt und dann hat der Kapitän so halb betrunken zu mir gemeint: „Mensch David, hast du noch nie darüber nachgedacht Pilot, zu werden?“ Danach habe ich darüber nachgedacht und mir gedacht: Warum eigentlich nicht?

Wie ging es dann weiter?

Am nächsten Tag, als ich wieder nüchtern war, habe ich angefangen zu recherchieren, was das alles so mit sich bringt und welche Möglichkeiten ich habe. Seit dem Abend wusste ich wirklich, was ich später mal machen möchte. Ich habe das Ziel auch verfolgt, mich bei einigen Fluggesellschaften für eine Pilotenausbildung beworben und hatte auch eine Zusage von SWISS. Dort wollte ich im Frühjahr 2020 mit der Ausbildung anfangen, aber dann kam Corona dazwischen und hat das halt verhindert. Deswegen hat sich das einige Jahre nach hinten verschoben. Im März 2022 habe ich letztendlich damit angefangen.

Gibt es Gemeinsamkeiten im Arbeitsalltag von dir als Flugbegleiter und den Pilot*innen?

Wir kommen immer genau zur gleichen Zeit an den Flughafen, das ist festgelegt vor dem Flug. Und alles was vor und nach dem Flug passiert, das machen wir auch gemeinsam. Allerdings unterscheiden sich die Aufgaben natürlich während des Flugs. Na klar, wir sind in der Kabine für die Passagiere zuständig, aber bei den Piloten im Cockpit geht es wesentlich entspannter zu als in der Kabine.

Wie meinst du das?

Die machen zwei Minuten nach dem Start den Autopiloten rein und zwei Minuten vor der Landung machen sie den Autopiloten raus. Das heißt, wenn du eineinhalb Stunden nach Mallorca fliegst, dann hat eine Stunde und 20 Minuten lang der Autopilot gearbeitet und vielleicht zehn Minuten die Piloten. Und ansonsten vespern die Piloten da vorne, lesen Zeitung oder lösen Kreuzworträtsel, gucken aus dem Fenster raus. Zwischendurch müssen sie natürlich ab und zu auch mal funken und sowas, aber ansonsten haben die da vorne ein recht entspanntes Leben. Und in der Kabine sorgst du halt dafür, dass die Passagiere versorgt sind.

Was musst du als Flugbegleiter alles leisten können?

Wir sind in Erster Hilfe überragend ausgebildet. So weit, dass wir Geburten an Board durchführen können. Und wir sind geschult darin, was wir bei Herzinfarkten und Schlaganfällen machen. Also der medizinische Hintergrund ist ganz schön groß, denn die ganzen Notfallverfahren sind natürlich von essenzieller Bedeutung. Wir müssen außerdem mit Feuer an Board umgehen können. Wenn Passagiere gewalttätig sind, kann man die nicht mal eben rausschmeißen und für solche Sachen sind Flugbegleiter auch da. Wir sind ein Stück weit Psychologen, Kindermädchen, Hausmeister, Feuerwehrleute und Geburtshelfer in einem Berufsbild.

Wir sind ein Stück weit Psychologen, Kindermädchen, Hausmeister, Feuerwehrleute und Geburtshelfer in einem Berufsbild.

David Dittrich

Was war das Schönste, was du bis jetzt als Flugbegleiter im Flugzeug erlebt hast?

Es gab mal einen Heiratsantrag. Das war während dem Flug nach Mallorca. Da kam ein junger Mann zu uns nach vorne und hat gefragt, ob er unser Board Mikrofon haben könne. Und dann haben wir erstmal gefragt: „Warum willst du unser Board Mikro haben?“ Dann hat er uns erzählt, dass er einen Heiratsantrag machen möchte und natürlich haben wir ihm dafür das Board Mikrofon zur Verfügung gestellt. Er hat den Heiratsantrag gemacht, seine Freundin hat ja gesagt, der ganze Flieger hat applaudiert. Das war superschön und hat Spaß gemacht!

Kommen wir zu deinem Pilotenschein. Wie läuft die Ausbildung genau ab und wie lange dauert das?

Das läuft so ab, dass man sich von Flugzeug zu Flugzeug hocharbeitet. Der erste Schein nennt sich Privatpilotenlizenz (PPL), da darf man dann Flugzeuge bis zwei Tonnen fliegen, die einen Propeller haben. Das nächste ist das sogenannte IFR Rating, damit darf man nach Instrumenten fliegen. Dann wird man später darauf geschult, Flugzeuge mit zwei Motoren zu fliegen. So entwickelt sich das immer weiter. Wenn man später dann die Verkehrsflugzeugführerlizenz hat, beinhaltet das insgesamt 600 Stunden Theorie und 250 Stunden Flugausbildung und dann muss man danach nochmal eine zweimonatige Spezialausbildung machen auf das spezielle Flugzeugmuster, das man fliegt.

Ist die Ausbildung zum Piloten teuer?

Man kann nach wie vor die Pilotenausbildung bei Fluggesellschaften machen, allerdings kostet das dann eine Menge Geld. Den Weg wollte ich nicht gehen, deswegen mache ich die Pilotenausbildung privat und stückele sie mir so ein bisschen zusammen. Ich bin jetzt im Odenwald, dort zahle ich für diesen ersten Schein, den PPL, ungefähr 7000 Euro. Ich gehe davon aus, dass ich insgesamt mit 40 bis 50 Tausend Euro hinkommen werde.

Wie hast du dich bei deiner ersten Flugstunde gefühlt?

Die erste Flugstunde war ein Overload an Informationen. Klar, ich habe mich ins Flugzeug gesetzt, der Fluglehrer nebendran und wir sind losgeflogen. Aber es ist so viel gleichzeitig passiert. Man muss so viele Aufgaben gleichzeitig erfüllen, wenn man ein Flugzeug selbst fliegt, dass man nach einer gewissen Zeit merkt, man stößt geistig an eine Kapazitätsgrenze. Das habe ich noch nie so intensiv wahrgenommen, wie bei meiner ersten Flugstunde, wo ich wirklich gemerkt habe: Ok, es gibt jetzt einen Punkt in meinem Kopf, da komme ich einfach nicht weiter. Und auch wenn die erste Flugstunde super viel Spaß gemacht hat, war mir danach schlecht und ich war so müde. Einfach, weil mein Kopf so viele Informationen auf einmal verarbeiten musste, dass ich damit erstmal nicht klargekommen bin.

Was würdest du Menschen raten, die auch Pilot*in werden möchten?

Uff, schwierig. Also es ist in der Luftfahrtbranche so, dass alle, die dort arbeiten, grundsätzlich sagen, das darfst du niemandem empfehlen. Auch wenn du Piloten fragst, die würden sagen: „Nein, auf gar keinen Fall“, weil die Branche einfach unfassbar volatil geworden ist.

Es gibt bestimmt auch schöne Aspekte, oder?

Klar, man muss es auch von der Seite sehen: man hat eigentlich das coolste Büro der Welt. Du sitzt da oben zwölf Kilometer über der Erdoberfläche. Du siehst jeden Morgen einen herrlichen Sonnenaufgang und auch wenn du die Alpen schon 150 Mal früh morgens beim Sonnenaufgang gesehen hast, sieht es jedes Mal so schön aus. Du kannst dich daran einfach nicht satt sehen und deswegen, von dem Gesichtspunkt her würde ich sagen „Ja, auf jeden Fall, mach das.“ Aber man muss sich bewusst sein, dass sich das Berufsumfeld in den letzten zehn Jahren massiv verändert hat und dass es definitiv kein Zuckerschlecken ist, da oben. Jeder muss es für sich selber wissen, es gibt Punkte, die dafür sprechen und Punkte, die dagegen sprechen.

„Man hat eigentlich das coolste Büro der Welt.“

David Dittrich

Wo siehst du dich beruflich in 10 Jahren?

Als Pilot im Cockpit definitiv (schmunzelt). Meine Mathelehrerin hat damals zu mir gesagt: „David, wenn du immer nur aus dem Fenster schaust, wird nie was aus dir werden." Und ich hab mir fest vorgenommen, beim nächsten Abiturtreffen möchte ich ihr sagen „Mein Job ist es heute, aus dem Fenster zu gucken.“

Die Redakteurin steht in freundschaftlicher Beziehung zum Protagonisten.