Kirche & Queerness

Zwischen Segen und Sünde

Sexualitäten über die Hetero-Norm hinaus werden in der evangelischen Kirche unterschiedlich behandelt.
01. Juli 2021
Queer und christlich – Für einige evangelische Kirchengemeinden passt das noch immer nicht zusammen. In vereinzelten evangelikalen Gemeinden wird noch immer versucht, Sexualitäten umzupolen. Wie tolerant ist die evangelische Kirche gegenüber queeren Menschen?

„Würde es nicht reichen, wenn du ganz normal schwul wärst?“ – Maike Pfuderer outete sich vor 18 Jahren als transsexuell, später als lesbisch. In ihrer Kirchengemeinde auf dem Land nahe Nürtingen stieß sie vor allem mit dem Coming-out als transsexuelle Frau auf Ablehnung. Daher wandte sie sich zunächst von der Kirche ab.

Erst mit ihrem Umzug nach Stuttgart fand sie wieder zur Kirche zurück. In der Stuttgarter Leonhardskirche, die sich tolerant gegenüber queeren Menschen zeigt, wurde Maike Pfuderer offen aufgenommen. Um noch mehr LGBTQIA+-Mitglieder willkommen zu heißen, setzte sie sich für den Beitritt ihrer Gemeinde zur Initiative Regenbogen der Württembergischen Landeskirche ein.

„Glaube ist keine Sache, die man im stillen Kämmerlein lebt. Dazu braucht es eine Gemeinde.“

Maike Pfuderer

Die Gemeinden der Initiative Regenbogen unterstützen die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Zudem ermöglichen sie es homosexuellen Pfarrer*innen mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner im Pfarrhaus zusammenzuleben. Allerdings sind bislang nur 104 von insgesamt 1.210 Gemeinden der Landeskirche Württemberg der Initiative beigetreten.


Für Maike Pfuderer gehören Glaube und Gemeinschaft zusammen. Sie ist überzeugt: „Glaube ist keine Sache, die man im stillen Kämmerlein lebt. Dazu braucht es eine Gemeinde.“

Um das Video anzuzeigen müssen Sie zuvor der Nutzung von Marketing Cookies zustimmen.

Homosexualität „heilen“?

Doch nicht alle Gemeinden sind so offen und tolerant wie die Mitglieder der Regenbogeninitiative. Homosexualität wird in der evangelischen Kirche stellenweise noch nicht akzeptiert und im evangelikalen Christentum teils sogar als psychische Krankheit angesehen. Um queere Menschen von ihrer Sexualität zu „heilen“, praktizieren vereinzelte evangelikale Gemeinden Konversionstherapien.

Im Podcast sprechen unsere Redakteurinnen Lavinia und Julia mit Kirchenhistoriker Klaus Fitschen über die historischen Hintergründe. Außerdem ist Ex-NDR-Redakteur Christian Deker zu Gast, der undercover eine solche Therapie durchlaufen hat.

Gleichberechtigung in der Kirche

Prinzipiell können bisher nur ein Viertel aller Kirchengemeinden der Württembergischen Landeskirche Segnungsgottesdienste gleichgeschlechtlicher Paare durchführen. Und selbst dann haben Pfarrer*innen die Möglichkeit, die Segnung abzulehnen. Auch Konversionstherapien, die für Volljährige theoretisch noch immer staatlich erlaubt sind, werden von evangelikalen Gemeinden hin und wieder durchgeführt. Eine offene Kirche sollte die sexuelle Freiheit aber respektieren und sich für die Gleichberechtigung aller Gemeindemitglieder einsetzen. Für Maike Pfuderer steht fest: „Man sollte es nicht mehr betonen müssen, dass es queere Christ*innen gibt, sondern dass wir, so wie ich, ganz normal zur Gemeinde gehören.“