Future Skills 9 Minuten

KI in der Arbeitswelt – Wie werden wir zukunftsfähiger?

Eine junge Frau in Arbeitskleidung sitzt an einem Tisch. Auf dem Tisch liegen Arbeitsmaterialien wie Ordner und ein Block mit Stiften. Die Frau ist jedoch konzentriert auf ihren Laptop, der vor ihr steht, auf dem sie ChatGPT geöffnet hat.
Laut einem Bericht von Microsoft geben 49 Prozent der Menschen weltweit an, sich Sorgen zu machen, dass KI ihre Jobs ersetzen könnte, während 70 Prozent in KI eine Chance sehen ihre Arbeitsbelastung zu verringern. | Quelle: Mia Röhm / Nina Hafner
10. Dez. 2025

Seit dem Durchbruch von ChatGPT im Jahr 2022 ist das Thema Künstliche Intelligenz präsenter denn je. Auch im Arbeitsleben spielt sie eine immer größere Rolle. Doch was ist KI überhaupt? Und wie wirkt sie sich auf den Arbeitsmarkt aus?

Hinweis

Dieser Beitrag ist Teil eines Dossiers zum Thema „KI in der Arbeitswelt“. Dazu gehören auch:

Wenn heute das Wort Künstliche Intelligenz (KI) fällt, denken die meisten Menschen an ChatGPT. Dieser Chatbot ist bereits fest in unserem Alltag verankert. Wir nutzen ihn zur Recherche, zum Schreiben von Mails und sogar bei der Rezeptsuche für das Abendessen. Doch was ist Künstliche Intelligenz eigentlich? 

KI ist ein Teilbereich der Informatik, der sich mit der Entwicklung von Algorithmen beschäftigt. 

Algorithmus

Ein Kochrezept ist ein anschauliches Beispiel für einen Algorithmus aus dem Alltag: Man mischt Zutaten zusammen, verarbeitet sie und erhält ein Ergebnis – das fertige Gericht. In der Informatik erhalten Algorithmen Eingabedaten, verarbeiten diese nach einer bestimmten Vorschrift und geben Ausgabedaten zurück. Auf diese Weise sollen sie ein bestimmtes Problem lösen oder eine Aufgabe erfüllen.

Diese Algorithmen imitieren im Falle der KI menschliche, kognitive Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität. Die Besonderheit von KI ist, dass sie im Vergleich zu herkömmlichen Computerprogrammen selbst weitere Algorithmen erstellen kann. Sie lernt kontinuierlich aus Daten Ein- und Ausgaben und ist im Gegensatz zu normalen Computerprogrammen, die nur vordefinierte Befehle ausführen können, anpassungsfähig.

Die Geschichte der KI beginnt in den 1950er-Jahren. Schon damals stellten sich Forschende die Frage, wie sich Algorithmen entwickeln lassen, die selbstständig Problemlösungen erlernen. 1966 wurde dann der erste Chatbot namens Eliza entwickelt, der allerdings keine echte KI besaß. Die größte Bekanntheit erlangte die Variante von Eliza, bei der sie sich wie eine Psychotherapeutin verhält und Therapiegespräche führt. Heute gibt es KI Modelle, wie ChatGPT oder Gemini.

Einige von vielen Technologien der KI sind:

Maschinelles Lernen oder Machine Learning bedeutet, dass Systeme aus Daten lernen und sich verbessern können, ohne dass sie explizit dafür programmiert wurden. Algorithmen für maschinelles Lernen analysieren Daten, erkennen Muster und treffen darauf basierend Vorhersagen.

Deep Learning ist eine spezialisierte Form des maschinellen Lernens und kann besonders große Mengen unstrukturierter Daten wie Bilder oder E-Mails ohne klare Struktur verarbeiten.

Natürliche Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, kurz NLP) ermöglicht es Maschinen, die menschliche Sprache zu verstehen, zu interpretieren und zu erzeugen. NLP wird unter anderem in Chatbots, Übersetzungssystemen und Sprachassistenten eingesetzt.

Um Inhalte zu generieren, bedienen sich ChatGPT und Gemini verschiedener Technologien, darunter Machine Learning, Deep Learning und NLP. 

KI auf dem Weg in die Arbeitswelt

Seit 2021 erhebt das Statistische Bundesamt jährlich, wie viele Unternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitenden KI nutzen. Zum Zeitpunkt der ersten Erhebung gab jedes neunte Unternehmen an, KI einzusetzen – im November 2024 bereits jedes fünfte. Stefan Waitzinger, Professor für digitale Unternehmensprozesse an der Hochschule Konstanz, beobachtet eine rasante Entwicklung. „Künstliche Intelligenz entwickelt sich mit exponentieller Geschwindigkeit. Sie treibt ihre eigene Weiterentwicklung zum Teil selbst voran, da sie in der Lage ist, Lösungen und Technologien eigenständig zu verbessern. Ein Beispiel dafür sind KI-Codes, die von einer KI optimiert werden“, so Waitzinger. 

Ist mein Beruf zukunftssicher?

Vor allem Tätigkeiten, bei denen Menschen miteinander interagieren, können kaum durch künstliche Intelligenz ersetzt werden. Aber „besonders reine Verwaltungssachbearbeitungstätigkeiten, bei denen nur Daten von A nach B übertragen werden, sind schnell automatisierbar und können von KI übernommen werden“, sagt Stefan Waitzinger.

In Branchen wie Bau, Reparatur oder Reinigung wird momentan (noch) kaum KI eingesetzt. | Quelle: Goldman Sachs 2023

Sozialarbeit und handwerkliche Tätigkeiten sind im Moment noch schwer durch künstliche Intelligenz zu ersetzen. „Handwerk und der soziale Bereich, glaube ich persönlich, werden aufgewertet. Zum Beispiel steigen dann Gehälter für die Kinderbetreuung, Lehrkräfte und so weiter“, vermutet Stefan Waitzinger. Es sei am wahrscheinlichsten, dass wir im Berufsleben in Zukunft zusammen mit KI arbeiten werden und nicht vollständig durch sie ersetzt werden. „Ich sehe in absehbarer Zeit keinen flächendeckenden Abbau von Stellenprofilen. Durch eine Effizienzsteigerung der Aufgaben dank KI werden die Menschen in der gleichen Zeit mehr Aufgaben erledigen können. Und das kann auch positiv sein. Stichwort Bevölkerungspyramide und Babyboomer.“

Eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt, dass bis 2036 16,5 Millionen Babyboomer in Rente gehen werden. Im gleichen Zeitraum kommen nur etwa 12,5 Millionen erwerbsfähige Personen auf dem Arbeitsmarkt nach. „Das will kompensiert werden“, sagt Waitzinger und sieht in KI eine Chance, dieses Problem zu lösen.

Berührungsangst mit KI durch mangelndes Wissen

Laut dem Statistischen Bundesamt gibt es einige Gründe für den Nichteinsatz von KI in Unternehmen.

KI ist für Unternehmen sowohl eine Kostenfrage, als auch eine Frage der Ethik. | Quelle: Statistisches Bundesamt

Besonders fehlendes Wissen hindert Unternehmen aktuell daran, KI in ihre Prozesse zu integrieren. Eine Studie des Stifterverbandes zeigt zudem, dass 79 Prozent der Führungskräfte überzeugt sind, dass ihre Mitarbeitenden nicht die notwendigen Kompetenzen haben, um mit KI zurechtzukommen.

Das Land Baden-Württemberg hat sich für dieses Problem einige Lösungsansätze überlegt. Einer davon ist ein AI Experience Room in Reutlingen, in dem sich Unternehmen, Schüler*innen und interessierte Privatpersonen ausprobieren und spielerisch den Umgang mit KI lernen können.

Im AI Experience Room treffen moderne Technologien auf praxisnahe Anwendungen. | Quelle: Rebecca Kunz, Silke Schneider, Paula Mader, Nina Hafner

Neue Arbeitsbedingungen erfordern neue Fähigkeiten

Um auch in Zukunft gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben, müssen Ausbildungen an die sich wandelnden Anforderungen angepasst werden. Dabei gewinnen sogenannte „Future Skills“ zunehmend an Bedeutung. Sie werden als Fähigkeiten, Fertigkeiten und Eigenschaften definiert, die es Menschen erlauben, auch in neuartigen Handlungskontexten selbstorganisiert komplexe Probleme zu lösen. Sie gelten über alle Branchen und Industriezweige hinweg als zukunftsweisend.

Future Skills werden in drei Kategorien unterteilt: Die erste Kategorie sind „Technologische Fähigkeiten“, also Fähigkeiten, die für die Gestaltung von sich verändernden Technologien notwendig sind. Ein Beispiel ist die Komplexe Datenanalyse, also die Fähigkeit große Datenmengen effizient zu analysieren, um daraus relevante Informationen abzuleiten.

Die zweite Kategorie sind „Digitale Grundfähigkeiten“, durch die Menschen in der Lage sind, sich in einer digitalisierten Umwelt zurechtzufinden und aktiv an ihr teilzunehmen. Ein Beispiel hierfür ist Digital Literacy, das Beherrschen grundlegender digitaler Skills wie dem sorgsamen Umgang mit persönlichen Daten und das Agieren mit KI. 

„Klassische Fähigkeiten“ bilden die dritte Kategorie, also Fähigkeiten und Kompetenzen, die aus Sicht der Unternehmen immer wichtiger werden. Darunter zählen zum Beispiel Kreativität oder Durchhaltevermögen.

Nadine Lahn, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart, betont, dass besonders das kritische Hinterfragen von Informationen in Zukunft relevant sein wird. „Als zum Beispiel der Taschenrechner eingeführt wurde, hat die Kompetenz des Kopfrechnens an Bedeutung verloren. So werden, denke ich, auch durch KI, Kompetenzen verloren gehen, aber auch viele neue geschaffen. Man muss zum Beispiel in der Lage sein, kritisch zu hinterfragen und kritisch zu reflektieren, was man vorher vielleicht nicht so stark gemacht hat. Dinge in den Kontext setzen, das kann einem die KI nicht abnehmen.“

„Dinge in den Kontext setzen, das kann einem die KI nicht abnehmen.“ 

Nadine Lahn, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IAT der Universität Stuttgart

Sie sieht auch das Potenzial, in KI neue Arbeitsplätze zu schaffen. „Es muss auch immer Menschen geben, die das prüfen, was die KI macht und die die KI auch wieder trainieren und Tests machen. Dadurch können neue Tätigkeiten und Kompetenzen für Beschäftigte entstehen“, so Nadine Lahn.

Ein Blick in die Zukunft

Was genau in den nächsten 20 Jahren in Bezug auf KI passieren wird, könne man nicht zuverlässig voraussagen, sagt Stefan Waitzinger. Vor fünf Jahren habe auch niemand voraussagen können, wie KI heute ist. Außer vielleicht jemand, der sich hinter den Türen von OpenAI oder Google lange damit beschäftigt hat, vermutet Stefan Waitzinger.

„Man kann sich ein utopisches Bild ausmalen, in dem KI uns in Zukunft Arbeit abnimmt und gleichzeitig den Wohlstand steigert. Man kann sich aber auch ein dystopisches Bild ausmalen, in dem Arbeitslosigkeit steigt und es generell weniger Arbeitsplätze gibt. Das ist aber pure Fantasie. Und wie viel uns KI abnehmen wird, hängt auch von uns als Gesellschaft ab: Was tolerieren wir?“, stellt Waitzinger fest.