Filmindustrie 7 Minuten

Directed by ChatGPT

Ein leerer Regiestuhl der an einem Filmset steht. Neben diesem steht eine Kamera.
Bleibt der Regiestuhl in Zukunft leer, wenn KI die Filme macht? | Quelle: Midjourney
13. Dez. 2023

Spätestens seit „Terminator“ und „Matrix“ ist das Thema künstliche Intelligenz aus Filmen nicht mehr wegzudenken. In den letzten Jahren hat sich diese in der echten Welt rasant entwickelt. Aufgrund der neuen Möglichkeiten, die KI bietet, wird diese nun auch hinter den Kulissen zum großen Thema.

Monatelang stand Hollywood still. Von Anfang Mai bis Ende November dieses Jahres streikten Amerikas Autor*innen. Mitte Juli legten dann die Schauspieler*innen ebenfalls ihre Arbeit nieder. Eine der großen Forderungen der Gewerkschaften, Drehbuchschreiber*innen und Schauspieler*innen an die Filmstudios war die klare Regulierung des Umgangs mit künstlicher Intelligenz (KI). Die Autor*innen befürchten, dass textbasierte KI-Programme wie ChatGPT an ihrer Stelle in Zukunft Drehbücher schreiben werden. Darsteller*innen haben Angst davor, dass KI-Systeme digitale Kopien von ihnen erstellen und sie ersetzen werden.

Als künstliche Intelligenz bezeichnet man die Fähigkeit einer Maschine, menschliches Verhalten wie logisches Denken, Lernen oder Entscheidungsfähigkeiten zu imitieren. Sie sind in der Lage, Informationen aufzunehmen, diese zu verarbeiten und darauf zu reagieren. Möglich ist das durch künstliche neuronale Netze. Das sind Systeme, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden sind. So ein neuronales Netz kann verschiedene Daten analysieren und interpretieren. Bei großen Netzstrukturen spricht man dann von „Deep Learning“ und maschinellem Lernen. Durch diese Arten des „Lernens“ kann die KI mit Datensätzen auf bestimmte Funktionen trainiert werden.

Quelle: SAP Deutschland, Europäisches Parlament

Immer häufiger werden KI-Programme für die Produktion von Filmen und Serien genutzt. Im neuesten Teil der „Indiana Jones“-Reihe wurde der 80-jährige Harrison Ford mithilfe von KI für einen Teil des Filmes um rund 40 Jahre verjüngt. Pumuckl kann dank moderner Technik in der Neuauflage die Stimme seines bereits verstorbenen Sprechers verliehen werden. Bei der neuen Marvel-Serie „Secret Invasion“ wurde sogar ein ganzes Intro mit einer generativen KI erstellt. Doch da hört es noch nicht auf. Das Unternehmen „Cynelitic“ arbeitet bereits an einem KI-Programm, welches Filmskripte analysieren und den potenziellen Erfolg von Filmen voraussagen soll. Effektfirmen wie „Monsters Aliens Robots Zombies“ und „Flawless“ nutzen bereits KI-Technologien, um die Mundbewegungen von Schauspieler*innen digital an Synchronisationen anzupassen. Im Thriller „Fall“ kam die Technologie von „Flawless“ bereits zum Einsatz, um Kraftausdrücke nachträglich durch harmlosere Worte auszutauschen.

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen

Doch völlig neu seien solche Techniken nicht in der Filmbranche. „Das, was oft als künstliche Intelligenz, oder bei uns eher als maschinelles Lernen, bezeichnet wird, wird schon länger in Filmproduktionen eingesetzt“, sagt Volker Helzle, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Animationsinstituts der Filmakademie Baden-Württemberg. Dies wurde bisher aber eher in der Auswertung von sehr großen Datensätzen genutzt. Mittlerweile gebe es aber „Machine Learning Tools“ mit denen Aufgaben wie das Ausschneiden von Darsteller*innen vor einem Hintergrund und das Erstellen von „Deepfakes“ in Teilen automatisiert werden können, so Helzle. Bei einem „Deepfake“ wird das Gesicht einer Person auf das einer anderen projiziert. So eine Technik wurde beispielsweise bereits 2019 bei der „Star-Wars“-Serie „The Mandalorian“ verwendet. Hier verliehan einem Double das Gesicht des jungen Luke Skywalker aus den „Star-Wars“-Filmen der 80er Jahre. Dafür nutzte das Effekt-Team während der Produktion unter anderem maschinelle Lernen. Das heißt große Mengen an alten Bildern und Aufnahmen der Figur werden in ein Programm eingespeist. Dann erstellt dieses ein digitales Modell daraus. Anschließend wird das Modell auf das Gesicht des Doubles gelegt, um dieses wie die Person aus den analysierten Daten aussehen zu lassen.

Es seien keine aufwendigen 3D-Scans der Darsteller*innen mehr nötig, so Helzle. KI-Systeme können anhand von Bildern und Videos einer Person deren Gesicht lernen und daraus ein komplexes 2D-Modell erstellen. Die Technik habe aber auch Grenzen. „Diese Technologie braucht Orientierungspunkte im Gesicht, also Augen, Nase, Mund“, erklärt Jonas Trottnow, Forschungsingenieur für KI am Animationsinstitut. Wendet man das Gesicht von der Kamera ab, kann die KI diese Orientierungspunkte nicht mehr genau erkennen. Dann funktioniert sie meist nicht mehr. Bei „The Mandalorian“ sei die Qualität des „Deepfakes“ auch noch nicht gut genug gewesen, um diesen in der Serie zu verwenden, so VFX-Supervisor Richard Bluff. Der „Deepfake“ sei hauptsächlich als Vorlage für altbewährte Effekte genutzt worden. Nicht nur Bild-, auch Tonaufnahmen lassen sich per KI analysieren und imitieren. Dies wird beispielsweise genutzt, um die Stimmen bereits verstorbener Persönlichkeiten nachzustellen. So kann in der Netflix-Dokuserie „The Andy Warhol Diaries“ der Künstler seine Geschichte selbst erzählen, obwohl er bereits seit 1987 tot ist.

Welche Möglichkeiten bietet generative KI?

Völlig neu sind hingegen generative KI-Programme. Diese können auf Befehl Inhalte wie Bilder, Videos oder Text erstellen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist „ChatGPT“, ein Chatbot, der Texte schreiben kann. Mit „Midjourney“ und „Runway“ lassen sich mittlerweile sogar beliebige Bilder und Videos per Texteingabe generieren. Das Titelbild dieses Artikels wurde beispielsweise mit „Midjourney“ erstellt. Solche Programme fänden momentan aber eher bei der Vorproduktion Verwendung. Man könne sie als Inspirationsquelle oder zur Visualisierung von Ideen einsetzen, erzählt Trottnow. Beispielsweise indem man sich ein Skript schreiben lässt oder erste Bilder für ein Storyboard generieren lässt. „In der finalen Produktion sind es dann aber eher kleine oder langwierige Aufgaben, für die eine KI genutzt werden kann“, sagt Trottnow.

Screenshot aus dem Programm "Midjourney" in welchem die KI gerade mögliche Titelbilder für diesen Artikel generiert hat.
Pro Befehl generiert "Midjourney" vier Bildvorschläge. Hier sollte die KI ein Titelbild für diesen Artikel erstellen. | Quelle: Midjourney/Tom Geyer
Screenshot aus dem KI-Programm "Midjourney". Es zeigt ein Bild welches zuvor durch einen Prompt erstellt wurde in Großaufnahme mit den weiteren Einstellungsmöglichkeiten des Programmes.
Die entstandenen Bilder kann man anschließend vergrößern und weiter von der KI bearbeiten lassen. | Quelle: Midjourney/Tom Geyer
Screenshot aus dem KI-Programm "Midjourney". Es zeigt vier neu generierte Bilder die eine Abwandlung eines zuvor erstellten Bildes sind.
Auf Knopfdruck kann "Midjourney" auch weitere Abwandlungen zuvor erstellter Bilder generieren. | Quelle: Midjourney/Tom Geyer
Screenshot aus dem KI-Programm "Midjourney". Es wurde ein Filmposter für einen möglichen Disney Pixar Film erstellt.
Häufig kann man aber fehlerhafte Darstellungen entdecken. Korrekte Wörter zu bilden fällt der KI ebenfalls schwer. | Quelle: Midjourney/Tom Geyer
Screenshot aus dem KI-Programm "Midjourney". Es wurden durch die KI Bilder von verschiedenen Vögeln generiert.
Zur Erstellung benötigt es keine detaillierten Beschreibungen. Auch mit wenigen Begriffen lassen sich realistische Bilder generieren. | Quelle: Midjourney/Tom Geyer

Es gibt aber auch schon ganze Kurzfilme, die nahezu vollständig mit KI produziert wurden. Visual Effects Artist Mick Mahler zeigt auf seinem YouTube-Kanal, wie man solche Kurzfilme erstellen kann. Aktuell versucht er, für ein Video einen 3D-Animationsfilm im Stile der Pixar-Filme zu drehen. KIs sollen ihm dabei so viel von der Arbeit abnehmen wie möglich. Um eine hohe Qualität erreichen zu können, sei immer noch viel manuelle Arbeit und Wissen nötig, erklärt Mahler. „Man kann nicht einfach auf einen Knopf drücken und es kommt sofort etwas Tolles dabei raus“. Mit einer KI könne man zwar ziemlich gute Ergebnisse in sehr kurzer Zeit erzielen, stößt damit aber sehr schnell an die Grenze der Möglichkeiten. KI generierte 3D Modelle beispielsweise würden nur aus einer bestimmten Kameraperspektive funktionieren, so Mahler. Sobald man die Perspektive etwas verändert, könne man Verzerrungen erkennen. Bei selbst erstellten 3D Modellen sei man mit der Kameraführung flexibler. „Die Frage ist, wie weit sich diese Grenze in Zukunft verschieben wird“, sagt Mahler. „Die große Gefahr ist natürlich, dass KI alles ersetzt. Aber ich glaube nicht, dass es so passieren wird. Ich hoffe, dass KI zur Möglichkeit wird, tolle Geschichten zu erzählen.“

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Diesen Kurzfilm hat Mick Mahler mithilfe von KI Programmen wie ChatGPT, Midjourney und Play.ht produziert.

Umgang mit KI

Filmwissenschaftler Andreas Rauscher sieht ebenfalls Chancen und Gefahren in der Nutzung von KI. „Von der Handarbeit können diese Programme viel übernehmen, nicht aber die künstlerische Vision“, sagt er. Auch dass Schauspieler*innen vollständig durch digitale Klone ersetzt werden, hält er für unwahrscheinlich. Viele Schauspieler*innen zeichnen sich durch ihren eigenen Stil aus, meint Rauscher. Diesen könne KI noch nicht nachstellen. Dennoch sei es wichtig, Wege zu finden, wie man KI am besten in die Arbeit am Film integriert. Neben dem praktischen Nutzen sei die Automatisierung von Arbeitsabläufen durchaus eine Bedrohung für Arbeitsplätze - speziell in der Effektindustrie. „Ich glaube, es ist wichtig, dass man einen souveränen und reflektierten Umgang damit findet. Man sollte lernen, wie man KI als Werkzeug einsetzen kann“, meint Rauscher. 

In Hollywood wurde sich mittlerweile geeinigt. Die Filmstudios sollen ohne das ausdrückliche Einverständnis der Darsteller*innen keine digitalen Kopien von diesen erstellen und verwenden dürfen. Bei TV- und Filmprojekten müssen Autor*innen engagiert werden. Das Drehbuch darf nicht alleine von KI generiert werden. „Es sind sehr spannende Zeiten, keiner weiß so genau, wo die Reise hingeht“, sagt Volker Helzle. „Man kann sich sehr blumige Szenarien vorstellen, es gibt aber auch dystopische Aussichten, die zum Nachdenken anregen“.