Online-Dating

Wer sucht, der findet nicht

Schicksal vs. Selbstbestimmung – Führt die digitale Romantik zum ersehnten Liebesglück?
02. Juli 2019

Große blaue Augen, sportlich und charmant. Oder doch lieber gesellig und braunäugig? Online-Dating-Portale bieten uns die Möglichkeit, unseren Traumpartner anhand konkreter Eigenschaften im Netz zu finden. Sie versprechen viel, vergessen aber, dass die Liebe ihre eigenen Spielregeln hat. Moderne Technologie und Romantik sind nicht das perfekte Paar. Ein Kommentar.

„Alles, worauf die Liebe wartet, ist die Gelegenheit.“ Worte des spanischen Schriftstellers Miguel de Cervantes, die heutzutage in der weiten Welt des Internets verstummen. Wir konstruieren Gelegenheiten, indem wir die Liebe im Netz suchen. Rund neun Millionen Deutsche klicken, swipen und beurteilen im Sekundentakt. Immer auf der Suche nach Miss oder Mister Right, dem großen Match. Was unterstützend für die selbstbestimmte Liebessuche wirkt, schafft Enttäuschungen. Nicht zuletzt, da Mogeleien zur eigenen Person in Online-Dating-Portalen keine Randphänomene sind. Das erhoffte Liebesglück bleibt aus.

Das Streben nach Perfektion beginnt bei uns selbst: Eine These, die bereits der Soziologe Erving Goffman vor rund 60 Jahren definierte. Der Mensch neigt dazu, im Alltag verschiedene Rollen zugunsten der eigenen Selbstdarstellung einzunehmen. Im Zuge des Online-Datings erlangt diese Selbstvermarktung übertriebene Dimensionen. Laut einer Umfrage von Statista schummelt jeder Dritte in seinem Profil. Nutzer zeigen sich von ihrer Schokoladenseite und werten sich mit kleinen Lügen auf. Denn das gezeigte Profil entscheidet über Erfolg oder Misserfolg hinsichtlich der Eignung als potenzieller Partner.

Die Nase zu groß, die Körpergröße zu klein – zwei schnelle Änderungsklicks und das perfekte Selbst ist geschaffen. Ein Nutzerprofil, das den eigenen Ansprüchen entspricht, aber fernab der Realität liegt. Im geschützten Raum der Online-Portale schlummern diese Lügen sicher. Doch spätestens eine Begegnung in der analogen Welt bringt sie zu Fall. Der Sozialforscher Dr. Kai Dröge beschreibt dieses erste Treffen als kritischen Moment. Virtuell aufgebaute Nähe zerbreche schlagartig, das Gefühl geplatzter Illusionen verhindere Liebe außerhalb des Mediums. Eine Beziehung hat keine Chance mehr.

Liebe ist, wenn es passt?

Das Schicksal der Liebe kann unzuverlässig sein, also warum nicht mit modernen Technologien etwas nachhelfen? Das Internet bietet die Option, aus einer endlosen Auswahl mit einer optimierten Suchleistung das perfekte Pendant zu finden. Klingt verlockend, doch die Liebe spielt nicht mit. Auch wenn der Nutzer allen „No-Gos“ die Rote Karte zeigt und sonstige Angaben und Eigenschaften übereinstimmen, springt der Funke nicht über. Man harmoniert zwar und versteht sich gut, aber Liebe wird nicht daraus. Der Algorithmus führt nur passende Fakten zusammen. Doch Verliebtheit ist keine Wissenschaft, sondern ein Gefühl. Sie geschieht willkürlich, unerwartet und lebt von Gegensätzen, die sich anziehen.

Die Liebe ist kein Deal: Sie ist nicht planbar und nicht berechenbar. Daher sollten wir uns nicht hinter perfektionierten Profilbildern verstecken, sondern uns von dem Schicksal der Liebe im Alltag überraschen lassen. Denn Amors Pfeil kann einen überall treffen.