Alkoholkonsum 5 Minuten

Wenn Genuss zu Gefahr wird

Frau mit Weinglas und Pillen
Bereits geringer Alkoholkonsum kann Auswirkungen auf die Gesundheit haben | Quelle: Selina Esslinger
10. Dez. 2025

Früher galt ein Glas Rotwein am Tag als gesund. Heute warnt die Weltgesundheitsorganisation, dass bereits der erste Schluck Alkohol gesundheitsschädlich sei. Doch welche Folgen hat Alkohol tatsächlich für den Körper?

Beim Alkoholkonsum gibt es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge“. Das sind die neuen Richtlinien der WHO. Das Risiko für die Gesundheit beginnt schon beim ersten Tropfen jedes alkoholischen Getränks. Damit widerspricht die WHO jahrzehntelang verbreiteten Vorstellungen vom „gesunden Glas Wein am Abend“ und stellt Gesellschaft und Wissenschaft vor eine Herausforderung: Wie viel Genuss ist noch vertretbar?

Wie Alkohol den Körper angreift

Alkohol ist eine toxische, psychoaktive und süchtig machende Substanz. Im Mund gelangt Alkohol über die Schleimhäute in den Körper und wird im Großteil von der Magenschleimhaut aufgenommen. Daraufhin gelangt er in die Blutbahn und von dort weiter ins Gehirn, wo er die Weiterleitung von Reizen zwischen den Nervenzellen beeinträchtigt. Dadurch werden Reize langsamer verarbeitet und es kommt zu Koordinations-, Reaktions- und Aufmerksamkeitsproblemen.

Die Leber, das Entgiftungszentrum des Körpers, steht im Mittelpunkt dieser Belastung. Ethanol (Alkohol) ist ein Zellgift. In der Leber wird Ethanol in Acetaldehyd umgewandelt, ein hochgiftiges Zwischenprodukt, das Zellen schädigt und Entzündungen auslöst. Gleichzeitig steigt die Produktion von Fettsäuren, die sich in der Leber ablagern. Diese Fettablagerungen, können sich zurückbilden, wenn der Konsum endet. „Der Körper versucht das Problem zu lösen, aber irgendwann ist so viel kaputt, dass man den Schaden nicht mehr heilen kann“, erklärt Assistenzarzt Kevin Thome von der Uniklinik Tübingen. Er warnt davor, Alkoholkonsum zu verharmlosen: „Man spricht nicht mehr von unproblematischem Konsum, wenn potenzielle Schäden entstehen können“sagt Thome. Bleibt der Alkoholkonsum bestehen, entsteht schlussendlich eine Leberzirrhose, bei der Gewebe dauerhaft vernarbt.

Leberzirrhose ist eine fortschreitende Erkrankung der Leber, bei der gesundes Gewebe durch Narbengewebe ersetzt wird. Sie entsteht oft durch chronischen Alkoholmissbrauch, der die Leber dauerhaft schädigt. Dadurch kann die Leber ihre wichtigen Funktionen wie Entgiftung und Stoffwechsel nicht mehr richtig erfüllen.

Auch das Gehirn ist stark betroffen. Jeder Schluck beeinträchtigt die Kommunikation zwischen Gehirnzellen, wodurch Informationen schlechter im Kurzzeitgedächtnis abgespeichert werden können. Alkohol wird als psychoaktiv bezeichnet. Er verändert den Bewusstseinszustand und kann zu Gedächtnislücken, dem sogenannten „Filmriss“, führen. Langfristiger Konsum beeinträchtigt die kognitive Leistungsfähigkeit und das Urteilsvermögen, da die Gehirnstrukturen dauerhaft geschädigt werden. Schon eine Flasche Bier am Tag lässt das Gehirn schrumpfen, wenn sie über einen längeren Zeitraum regelmäßig konsumiert wird. Je mehr man trinkt, desto schneller schrumpft das Gehirn. „Besonders problematisch ist der Einfluss auf Jugendliche, deren Gehirn sich noch in der Entwicklung befindet“, erklärt Suchtberaterin Anja Flogaus.

Alkohol gilt außerdem als krebserregend. Er ist für mindestens sieben Krebsarten verantwortlich, darunter Darm- und Brustkrebs. Nach neuesten WHO-Daten gehen rund die Hälfte der alkoholbedingten Krebsfälle in der EU auf „leichten“ bis „moderaten“ Konsum zurück, also weniger als 1,5 Liter Wein, 3,5 Liter Bier oder 450 Milliliter Spirituosen pro Woche. Je höher der Konsum, desto größer das Risiko.

Körper mit Regionen die von Alkoholkonsum betroffen sind
Was ein Glas zu viel in unserem Körper wirklich anrichtet und welche Organe besonders betroffen sind.
Quelle: https://www.who.int/europe/de/news/item/28-12-2022-no-level-of-alcohol-consumption-is-safe-for-our-health

Wenn Alkohol zur Sucht wird

Neben den organischen Schäden führt regelmäßiger Konsum häufig in eine Abhängigkeit. „Sobald Alkohol getrunken wird, um ein positives Gefühl hervorzurufen, das man anders nicht mehr bekommt, hat es nichts mehr mit Genuss zu tun“, erläutert Anja Flogaus. Das Gehirn verknüpft Alkohol mit Belohnung, wodurch Dopamin ausgeschüttet wird. Mit der Zeit benötigt der Körper immer größere Mengen Alkohol, um denselben Effekt zu erzielen. Rund 2,2 Millionen Menschen in Deutschland gelten als abhängig, 1,7 Millionen trinken riskant. Rund 47.500 Menschen starben 2021 in Deutschland aufgrund von Alkoholkonsum. Langfristiger Konsum kann zudem zu sozialem Rückzug und Depressionen führen. „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“ waren 2017 der zweithäufigste Behandlungsgrund in deutschen Krankenhäusern.

Warum aber wird Alkohol weiterhin verharmlost? „Es sind vor allem gesellschaftliche Hintergründe, es gehört einfach dazu. Außerdem bringt Alkohol viel Geld, weshalb auch auf politischer Ebene wenig Interesse besteht, etwas zu ändern“, erklärt Anja Flogaus. „Auch die persönliche Wahrnehmung spielt eine Rolle: Was ist normal für mich? Für manche sind fünf Bier am Abend selbstverständlich, weil es im Umfeld ähnlich gehandhabt wird. Wer nicht trinkt, gilt schnell als Außenseiter“, führt Anja Flogaus weiter aus.

Infografik mit gläsern und Zahlen zu Alkohol
So viel Alkohol sollten Männer und Frauen maximal pro Tag trinken
Quelle: Quelle:https://www.aktionswoche-alkohol.de/fileadmin/user_upload/factsheets/2016-12-14-Factsheet_Alkohol_gesundh-Risiken_2014.pdf

Wissenschaft trifft Genusskultur

Die WHO empfiehlt inzwischen, den Alkoholkonsum drastisch zu reduzieren. Doch diese Empfehlung stößt nicht überall auf Zustimmung. Joshua Klein von der Deutschen Weinakademie (DWA) kritisiert die Interpretation der Daten: „Viele Empfehlungen beruhen auf schwachen statistischen Analysen und überinterpretierten Ergebnissen.“

Die DWA verweist auf die GBD-Studie (Bericht zur GBD-Studie),die in zwei Auswertungen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kam: Im ersten Durchgang hieß es „no safe level“, vier Jahre später „nur zu viel ist gefährlich“. Klein betont, dass kulturelle Unterschiede, Trinkmuster und Getränketypen in diesen Analysen kaum berücksichtigt werden. Gleichzeitig räumt er ein, dass moderater Rotweinkonsum durch Polyphenole positive Effekte auf die Gefäßgesundheit haben kann, abhängig von Menge und Trinkmuster.

Polyphenole sind natürliche Pflanzenstoffe mit starker antioxidativer Wirkung, die Zellen vor Schäden schützen können. Sie kommen in vielen Lebensmitteln vor, zum Beispiel in Beeren, Trauben, Tee, Kakao und Olivenöl. Einige Polyphenole können die Gefäßgesundheit unterstützen.

Hier zeigt sich, dass wissenschaftliche Aussagen sorgfältig eingeordnet werden müssen. Zwar weist die DWA auf Unsicherheiten in Studien und mögliche Überinterpretationen hin, doch die WHO macht deutlich, dass die gesundheitlichen Risiken von Alkohol klar überwiegen. Empfehlungen hängen zwar von individuellen Faktoren ab, doch die Forschung zeigt übereinstimmend, dass schon geringe Mengen schaden können. Gleichzeitig bleibt Alkohol ein gesellschaftliches Symbol, das für Gemeinschaft, Geselligkeit und festliche Anlässe steht, wodurch die gesundheitlichen Gefahren oft verharmlost werden. Dies macht deutlich, wie schwer es ist, den Konsum realistisch einzuschätzen.

„Beim Alkoholkonsum gibt es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge“.

WHO

Doch was bedeutet das konkret für den eigenen Konsum? Wer ab und zu, zum Beispiel einmal pro Woche in eine Bar geht und dort einen Cocktail bestellt, trägt grundsätzlich ein geringeres Risiko als Menschen, die regelmäßig oder in größeren Mengen konsumieren. Auch bei seltenem Trinken bleibt ein gewisses Gesundheitsrisiko bestehen. Jeder Konsum löst im Körper dieselben biologischen Prozesse aus, etwa die Belastung der Leber, die Beeinträchtigung des Gehirns und ein erhöhtes Krebsrisiko. Der Körper verkraftet gelegentliche kleine Mengen meist gut, aber ein gesundheitlicher Vorteil entsteht dadurch nicht.

Am Ende zählt deshalb eine klare Erkenntnis. Je weniger Alkohol man trinkt, desto besser ist es für die Gesundheit. Entscheidend ist nicht die Art des Getränks, sondern wie oft und wie viel konsumiert wird. Wer bewusst trinkt, längere Pausen einlegt und Alkohol eher als Ausnahme betrachtet, senkt sein Risiko spürbar. Die Vorstellung, ein regelmäßiges Glas könne gesund sein, gehört dagegen der Vergangenheit an. Wer die Risiken ignoriert, läuft Gefahr, dass Genuss schnell zur gesundheitlichen Bedrohung wird.

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