Kolumne

Deine billigen Ausreden, um Alkohol zu trinken

Hände die Gläser mit Weißwein halten und anstoßen.
Ob Geburtstagsparty, Schulabschlussfeier oder der Abend auf der Couch – Alkohol gehört für viele einfach immer mit dazu. | Quelle: Clara Warkentin
12. Febr. 2024

Wie sich die meisten Menschen in meinem Umfeld selbst belügen. Weil Alkoholkonsum eben doch so schlimm ist. Der erste Teil einer Kolumne mit Gedanken, die niemand hören will.

Ich habe noch nie Alkohol getrunken. In den ganzen 22 Jahren meines Lebens noch nicht mal einen einzigen Schluck. Zumindest wenn man den Schluck Wein aus einem winzigem Plastikbecher auf einem Silbertablett beim Abendmahl in einer kleinen spanischen Kirche nicht gelten lässt - was ich persönlich nicht tue. 

Du fragst dich jetzt wahrscheinlich: Kann ich mein Studentenleben dann überhaupt richtig auskosten? Braucht nicht jede*r einmal eine alkoholbegründete Party-Absturz-Erfahrung, an die man noch drei Jahre später mit Scham zurückdenkt und die man trotzdem bei jeder Gelegenheit herausposaunt? Muss nicht jede*r einmal dieses Gefühl erleben, wie es ist, total benebelt in einer viel zu engen Clubtoilette über der Schüssel zu hängen? Ist ein Leben ohne Alkohol nicht einfach total lame? 

Die Wahrheit ist: Ich verabscheue alles an Alkohol. Das gebe ich nicht immer so offen zu. Aber ich habe guten Grund dazu. Für mich hat weder der Sekt auf einer Hochzeit, die Mische im Club oder das Bier auf dem Oktoberfest seine Daseinsberechtigung. Noch nie hat mir jemand einen Grund genannt, der Alkoholkonsum auch nur in irgendeiner Weise rechtfertigen könnte. 

Ich höre es schon in meinem Kopf von weitem rufen: „Das ist ein Genussmittel.“ Na klar, der Weinbauer, der sich abends nach einem langen Arbeitstag in den Reben ein Gläschen Wein aus seinen handerlesenen Trauben gönnt, dürfte dieses Argument tatsächlich anbringen. Die meisten Menschen, die Alkohol konsumieren, sind jedoch keine Weinbauern - sondern Normalos. Und die meisten Menschen in meinem Alter erfreuen sich nicht an dem Genuss eines einzigartigen Weines, sondern holen sich vor dem Feiern die Flasche mit dem hochprozentigsten und billigsten Wodka, den sie finden können. 

Meine Oma ist in den Anfängen ihrer alkoholbedingten Demenz immer zur 4,5 Kilometer weit entfernten Tanke zu Fuß gelaufen. Dass mein Vater ihr den Autoschlüssel abgenommen hatte, konnte sie nicht daran hindern, an ihr liebstes Genussmittel zu kommen. Wie schon gesagt: Ich habe meine Gründe.

Wenn wir mal ehrlich zu uns wären

Es gibt natürlich noch die Menschen, die Alkohol trinken, weil es „einfach so gut schmeckt“. Das kann ich schlecht beurteilen – aber könnte man nicht anstelle von Nervengift einfach Orangensaft trinken?

Wenn wir aber einmal ehrlich zu uns wären, dann würden wir erkennen, dass die meisten trinken, um die Wirkung des Alkohols zu spüren. Sie trinken, um einfach ein bisschen besser drauf zu sein, um beim Flirten einfach ein bisschen mutiger zu sein und um einfach ein bisschen die kleinen und großen Probleme des Alltags zu verdrängen. Es fängt an mit den Sätzen: „Nach der Prüfung brauche ich definitiv einen Aperol“ oder „Heute Abend gönnen wir uns was.“ Ich kann es durchaus nachvollziehen, den Wunsch zu haben, für einen Abend in der Woche mal den Unistress oder die Beziehungsprobleme ganz zu vergessen – aber wenns blöd läuft, dann greifst du auch in zehn Jahren noch in den schwierigen Situationen des Lebens zur Flasche.

Wahrscheinlich denkst du jetzt: „Das kannst du alles nicht beurteilen, du hast ja (außer in der spanischen Kirche von einem silbernen Tablett) noch nie Alkohol getrunken.“ Wahrscheinlich sagst du das zu Recht. Vielleicht verpasse ich den wahren Genuss von Alkohol oder eine einzigartige Erfahrung. Ich persönlich nehme jedoch das Risiko, etwas zu verpassen, gerne in Kauf, um das Risiko, zu den 1,77 Millionen Alkoholabhängigen dazu zu gehören, auszuschließen. 

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