Tierversuche 3 Minuten

Tierversuche in der Kosmetik: Die Realität hinter 'Cruelty-Free'

An den Regalen im Drogeriemarkt finden sich oft Schilder mit der Aufschrift „cruelty-free“, „vegan“ oder „frei von Tierversuchen". Was steckt dahinter? | Quelle: Greta Seeburger
04. März 2024

Beim Kauf von Kosmetik wird die Suche nach echter Tierversuchsfreiheit zur Odyssee. Hinter vermeintlich klaren Labels verstecken sich Grauzonen und Ausnahmen. Welche Möglichkeiten haben wir als Verbraucher*innen wirklich, Tierleid zu vermeiden? Ein Kommentar.

Wer gerne durch den Drogeriemarkt schlendert und nach neuen Kosmetikprodukten Ausschau hält, der kennt die Problematik vielleicht: Es ist nicht einfach, sich beim Kauf von Make-Up und Ähnlichem sicher zu sein, dass unter der Herstellung und Testung des Produktes keine Tiere leiden mussten. Die meisten Kosmetikmarken haben an ihren Regalen zwar Schilder mit der Aufschrift „cruelty-free“, „vegan“ oder „frei von Tierversuchen“, und generell sind Tierversuche für Kosmetikprodukte in der Europäischen Union seit dem Jahr 2013 verboten. Doch ganz so einfach ist es leider nicht.

Die Gesetzgebung hat Lücken

Dieses umfassende Tierversuchsverbot wird in Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über kosmetische Mittel nämlich durch Ausnahmeregelungen untergraben. Zwar dürfen Unternehmen keine Tierversuche für kosmetische Produkte oder Inhaltsstoffe durchführen und selbst Kosmetika, die in Ländern außerhalb der EU im Tierversuch getestet wurden, dürfen nicht verkauft werden. Diese Verbote gelten jedoch nur für neue Produkte und Inhaltsstoffe, die nach der Einführung dieses Gesetzes auf den Markt gekommen sind. Alle anderen können weiterhin uneingeschränkt verkauft werden.

Zusätzlich unterliegt der Großteil der Kosmetiksubstanzen der EU-Chemikalienrichtlinie. Das bedeutet, sie werden auch in anderen Produkten wie Reinigungsmitteln, Wandfarben oder Medikamenten eingesetzt und daher nach wie vor gesetzlich verpflichtend an Tieren getestet. Zusätzlich dazu sind seit dem Jahr 2020 selbst für rein kosmetische Inhaltsstoffe Tierversuche erlaubt, wenn Labore deren Unbedenklichkeit für Arbeitssicherheit und Umweltschutz prüfen müssen. Das Verbot von Tierversuchen wird durch eine unklare Auslegung des Gesetzes also oft umgangen. Die Folge ist, dass in Deutschland nach wie vor Kosmetik verkauft wird, die an Tieren getestet wurde. Daran muss sich dringend etwas ändern.

Die Alternative: Moderne tierversuchsfreie Methoden

Inzwischen stehen nämlich zahlreiche moderne tierversuchsfreie Methoden zur Verfügung. Forscher*innen entwickeln beispielsweise Modelle der menschlichen Hornhaut und Haut, die aus menschlichen Zellen hergestellt werden. Wenn sie diese Modelle für die Prüfung von Chemikalien verwenden, können sie auf schmerzhafte Tierversuche verzichten und gleichzeitig zuverlässigere Ergebnisse erzielen. Die Verwendung menschlicher Zellen anstelle von tierischen Zellen macht die Ergebnisse besser übertragbar. Dies ermöglicht den Laborteams eine genauere Bewertung der Sicherheit von Kosmetikprodukten für die menschliche Gesundheit.

Macht und Verantwortung der Verbraucher*innen

Die aktuellen Entwicklungen zeigen also deutlich: Wir sollten die Macht, die wir als Verbraucher*innen haben, nicht unterschätzen. Daher ist es wichtig, auf tierversuchsfreie Kosmetik zu achten und den Herstellern damit zu zeigen, dass Tierversuche für Kosmetik nicht akzeptabel sind.

Dazu gehört auch der Boykott von global agierenden Unternehmen, die ihre Produkte in Länder außerhalb der EU, in denen Tierversuche für neue Kosmetikprodukte gesetzlich vorgeschrieben sind, verkaufen. Darunter fällt laut der Tierschutzorganisation Peta beispielsweise China, wo in Versuchslaboren Tiere wie Mäuse, Ratten und Kaninchen für Testzwecke misshandelt werden, indem beispielsweise Cremes auf ihr Fell aufgetragen oder Shampoos in ihre Augen geträufelt werden. Trotz dieser gesetzlichen Verpflichtung zieht der chinesische Markt viele Unternehmen an, da er großes Umsatzpotenzial bietet. Viele große Kosmetikunternehmen, die ihre Marken in China verkaufen, akzeptieren daher bewusst Tierversuche, können ihre Produkte jedoch weiterhin in Europa verkaufen.

Es ist also zwingend notwendig, bis die Regulierungen und Gesetze der EU weiter eingegrenzt werden, sich als Konsument*in seiner Verantwortung bewusst zu sein, sich über tierversuchsfreie Marken zu informieren und auch die Angaben der Marken zu ihren Produkten zu hinterfragen. Ein „vegan“-Siegel schließt beispielsweise nicht zwangsläufig Tierversuche aus. Auch bei „tierversuchsfrei“-Siegeln ist es wichtig zu prüfen, ob es ausreicht, wenn nur ein bestimmter Anteil der Produkte einer Marke die Kriterien des Siegels erfüllt, oder ob tatsächlich das gesamte Sortiment des Unternehmens tierversuchsfrei ist.