Frauenrechte 6 Minuten

Zurück ins Patriarchat?

Verkörperung des traditionellen Frauenbilds: Frau mit Bügeleisen, am Wäsche machen
Ab in die (Wasch-)Küche! Sollte so unser Frauenbild der Zukunft aussehen? | Quelle: Privat
16. Mai 2024

Kochen, Kinder kriegen, konservativ leben: Nicht nur auf Social Media, auch in der Politik feiert die traditionelle Frau ein Comeback. Die AfD bringt die Frage, ob Frau sich vielleicht doch wieder auf das Kinderkriegen fokussieren sollte, zurück in den Bundestag. Ist das noch Tradition oder schon Misogynie? 

„Jede Frau kann machen, was sie will. Im Schnitt muss sie allerdings zwei Kinder bekommen. Das geht ohne Full-Time-Job leichter.“ Ein Statement, das den Mann in die Arbeitswelt und die Frau ins Kinderzimmer verfrachtet. Ein Statement, das nach der nächsten Bundestagswahl auch das deutsche Frauenbild der Zukunft prägen könnte. Das Zitat stammt von Andreas Wild, ehemaliger Abgeordneter der AfD. Und auch wenn Wild im Februar 2021 aus seiner Partei ausgeschlossen wurde: Die Idee von der Frau als Hausfrau und Mutter lebt fort. 

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Quelle: Andreas Wild, ehemaliger Abgeordneter der AfD

Auf Social Media bringen die Tradwifes jungen Menschen wieder alte Rollenbilder bei. Auf Instagram hat #tradwife über 75 Tausend Beiträge, auf TikTok noch mal 21 Tausend. Vor sanfter Musik reden die jungen Frauen darüber, wie erfüllend die Rolle als Hausfrau und Mutter sein kann. Ihre Kommentarspalten sind voller Kritik, aber auch viel Zuspruch von Frauen und Mädchen, die die Tradwifes als Vorbild sehen. Der Trend boomt aber nicht nur im Netz. Das Familienbild, das die Tradwifes auf Social Media zeigen, will die AfD auch wieder zu mehr Beliebtheit verhelfen. Aber war früher wirklich alles besser? Oder verbirgt sich hinter der Fassade des Traditionsbewusstseins doch nur ein nett verpackter Rückschritt für die jahrhundertelang hart erarbeitete Gleichstellung?

#tradwife


Der Begriff ist eine Abkürzung für „traditional wife“ (traditionelle Ehefrau). Durch ihn definieren sich Frauen, die sich für ein traditionelles Rollenmodell in der Ehe entscheiden. Das bedeutet, dass die Frau zuhause bleibt, um sich um Haushalt und Kinder zu kümmern, während der Mann das Geld verdient. Tradwifes sind oft politisch konservativ orientiert. Manche verstehen ihre Lebensweise auch als eine bewusste Abkehr von feministischen Idealen.

Wie geht eigentlich Tradition?

Die AfD macht es sich zur Aufgabe, die traditionelle Familie zu schützen. Die traditionelle Familie – das bedeutet für die AfD Mutter, Vater, Kinder. Laut Parteiprogramm verliert dieses Familienmodell immer mehr an Wertschätzung. In unserer heutigen Gesellschaft sei es einfach nicht mehr genug, „nur“ Hausfrau und Mutter zu sein. Auf eine Mutter, die nicht arbeiten geht, werde abschätzig herabgeblickt. Aus diesem Grund soll die klassische Rollenverteilung in der deutschen Vorzeigefamilie laut AfD „gegen die vom 'Gender-Mainstreaming' propagierte Stigmatisierung traditioneller Geschlechterrollen“ anhalten.

Gender-Mainstreaming 

Gender-Mainstreaming ist eine Strategie, welche die Gleichstellung der Geschlechter begünstigen soll. Die Idee: Bei allen Entscheidungen sollen die gesellschaftlichen Auswirkungen auf Männer und Frauen berücksichtigt werden. 

Auf eine Anfrage zur Stellungnahme bezüglich der Rollenverteilungen in einer traditionellen Ehe reagierte die Pressestelle der AfD Stuttgart bis Redaktionsschluss nicht. Dennoch ergeben die Informationen aus dem Parteiprogramm ein klares Bild: Die AfD setzt sich dafür ein, dass eine Frau auch wieder „nur“ Mutter und Hausfrau sein kann. Sie will die Stigmatisierung beenden, die für viele Frauen mit der Wahl einhergehe, sich nicht auf die Karriere zu fokussieren.

Gefährliche Antiquität

Aber nicht alle sehen die Verbundenheit mit traditionellen Geschlechterbildern als etwas positives. Ute Gerhard, Soziologin, Juristin und Inhaberin des ersten Lehrstuhls für Frauen- und Geschlechterforschung in der Bundesrepublik, warnt vor einer Romantisierung des Frauenbilds. 

„Diese Abhängigkeit und die Unterordnung unter den Mann, das ist eigentlich das traditionelle Frauenbild. Und wenn man die Demokratie einigermaßen verstanden hat, kann man dafür eigentlich nicht sein.“ 

Ute Gerhard, Juristin, Soziologin, emeritierte Professorin der Frauen- und Geschlechterforschung

Dieser Gedanke ist auch keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Ehe bedeutete früher Patriarchat, der Mann war das Oberhaupt der Familie. „Also diese Abhängigkeit vom Mann und die Unterordnung unter den Mann, das ist eigentlich das traditionelle Frauenbild“, erklärt Ute Gerhard. „Und wenn man die Demokratie einigermaßen verstanden hat, kann man dafür eigentlich nicht sein.“  

Zwar hatte die Frauenbewegung in den 1920er-Jahren bis 1933 schon einiges erreicht, doch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrten die alten Rollenbilder wieder zurück. Und das, obwohl sowohl in der BRD als auch der DDR die Gleichberechtigung der Frau in Artikel 3 des Grundgesetzes festgehalten wurde. Doch als die Männer aus Krieg und Gefangenschaft zurück nach Deutschland kamen, sollte durch das Wiederherstellen der traditionellen Geschlechterrollen in der Familie den Bürgerinnen und Bürgern wieder ein Gefühl der Normalität vermittelt werden. Ein Hintergrund, vor dem man sich schwertat, gerade im Familienrecht die Vorrechte des Ehemanns und Vaters abzuschaffen. Bis zur ersten Reform des Ehe- und Familienrechts von 1976 galt die sogenannte Hausfrauenehe. Durch sie war die Ehefrau nach wie vor vorrangig zur Hausarbeit und Kindererziehung verpflichtet. Wurde sie vernachlässigt, etwa wegen ihrer Erwerbstätigkeit, konnte das ein Scheidungsgrund sein. Der Mann brachte das Geld und die Frau kümmerte sich um Haushalt und Kinder. „Das haben wir ja auch mit Mühe und Not abgeschafft“, reflektiert Ute Gerhard. „Und es ist den Familien gut bekommen.“

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Kann Feminismus zu weit gehen?

In rechtskonservativen Kreisen ist oft der „moderne“ Feminismus der Übeltäter. Ein falsch verstandener Feminismus, der nur die Karrierefrau in der freien Wirtschaft schätzt und abwertend über diejenigen hinwegblickt, die sich mit der Mutterrolle zufriedengeben. Eine fast schon kapitalismuskritische Ansicht. Der neoliberalen Markt, der die Frau in die Erwerbstätigkeit und alternative Lebensentwürfe in die Knie zwingt, sei nicht das Feindbild, nicht der Grundgedanke des Feminismus. Allerdings wurde der Partei in der Vergangenheit auch schon ein ähnlich einseitiges Frauenbild vorgeworfen.

Erst 2022 sorgte der Landesverband Sachsen der Alternative für Deutschland für Furore. Bei der bildhaften Gegenüberstellung einer „modernen 'befreiten' Feministin“ und der „traditionellen Frau“ kam die Feministin nicht besonders gut weg. Während die traditionelle Frau zum Beispiel ihre Heimat und Familie liebt, trägt die Feministin „Tonnen von Make-up wegen ihres geringen Selbstbewusstseins“. Zwar wurde der Beitrag von der Seite des Landesverbandes einige Tage später wieder gelöscht, auf der Instagramseite des Kreisvorsitzenden der AfD Zwickau lebt das Bild aber weiter fort. 

 

Quelle: Instagram: Jonas Dünzel, Kreisvorsitzender AfD Zwickau

Diese Darstellung der Feministinnen als „Hyänen“ sei allerdings typisch, erklärt Gerhard. Das habe es schon seit der Französischen Revolution gegeben, die Feministin als Emanze, als Monster. „Man hat es dann am Äußeren festgemacht, weil man keine anderen Argumente hatte.“ Natürlich hat sich die Frauenbewegung über die Jahre verändert und entsprechend den gesellschaftlichen Umständen und neuen Unrechtserfahrungen ihre Zielsetzung erweitert. Damit haben sich vielfältige Interessensgruppen gebildet. Die Abkehr vom „White Feminism“ und das Eintreten für eine gendergerechte Sprache sind beispielsweise solche berechtigten Anliegen. Für Ute Gerhard ist das aber noch lange kein Grund den Feminismus abzuschreiben: „Allerdings ist es ja auch nicht angemessen, ja, ein bisschen gefährlich, den Feminismus als Minderheitenproblem zu definieren. Dabei ist es wichtig, dass die Menschen wegen ihrer unterschiedlichen Lebensart oder auch sexueller Orientierung nicht diskriminiert werden dürfen.“

Der Kummer ums Kümmern

Wer an dem traditionellen Bild der Frau als Mutter festhält, der argumentiert oft mit einer biologischen Prädestination. Das zarte Gemüt der Frau eigne sich besser für die Kindererziehung sie sei liebevoller und einfach insgesamt wie für den Job geschaffen. Auch wenn man Studien, die eine solche Prädestination ausschließen, keinen Glauben schenken will, ist auch für die AfD klar: Die Mutterarbeit erfüllt. Warum sollte Frau also etwas dagegen haben, ihre Zeit mit dem Nachwuchs zu verbringen?

Der Gender Care Gap spricht dagegen. Eine der wichtigsten Kennziffern zur Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland. In ihm wird der Unterschied in der Zeit festgehalten, die Männer und Frauen mit unbezahlter Sorgearbeit verbringen. Momentan steht der bei rund 44 Prozent. Genauer gesagt: Jeden Tag verbringen Frauen 79 Minuten mehr mit Kinderziehung, Pflege und Hausarbeit als die Herren der Schöpfung. Und das hat Folgen auf berufliche Chancen, Gehalt, finanzielle Unabhängigkeit und die eigene Altersvorsorge. Würden sich beide Geschlechter die Care-Arbeit teilen, stünde die Frau demnach also wahrscheinlich finanziell besser da. Finanziell besser – und auch unabhängiger von ihrem Ehemann. So ist Frau zum Beispiel nicht auf die Ehe angewiesen, um im Fall einer Scheidung nicht an der Armutsgrenze zu kratzen. 

Politik für Frauen?

Frauen wie Alice Weidel wirken wie ein Vorbild dafür, dass auch Karrierefrauen traditionelle Rollenverteilungen befürworten können. Dennoch ist das immer noch mehr die Ausnahme als die Regel. Denn die Familienpolitik der AfD scheint bei vielen Frauen nicht allzu gut anzukommen. Die Alternative für Deutschland hat aktuell noch immer den geringsten Frauenanteil unter den Mitgliedern.

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Politik ohne Frauen: Die AfD hat die wenigsten weibliche Mitglieder aller Parteien im Bundestag | Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, Annina Klingebiel

Dass Tradition für viele auch noch in der heutigen Zeit eine große Rolle spielt, ist unstrittig und bringt oft Stabilität und ein Gefühl von Sicherheit. Doch ist Traditionsbewusstsein der AfD noch vertretbar? Eine traditionelle Aufgabenverteilung kann für einige Ehen der Schlüssel für ein gutes Zusammenleben sein. Doch diese traditionellen Geschlechterrollen politisch zu fordern und zu fördern, sollte kritisch gesehen werden. Die Werte, die die AfD mit einer traditionellen Ehe vertritt, sieht die Frau dem Mann untergeordnet. Auch wenn die Motivation, eine traditionelle Ehe einzugehen, nicht zwingend die Unterdrückung der Frau sein muss, wird es über kurz oder lang dennoch zu diesem Ergebnis kommen. Bleibt die Frau zuhause, resultiert das in finanzieller Ungleichheit zwischen den Partnern und einem Mangel von Frauen in Macht- und Führungspositionen. Auf lange Sicht könnte die Familienpolitik der AfD schwerwiegende Folgen für die Hälfte der Bevölkerung haben. Deshalb sollte man sich vom Schein der Tradition nicht in eine misogyne neue Welt blenden lassen.