Bauernhof

Alpakazucht statt klassischer Landwirtschaft

02. Febr. 2022
Nachdem Silke Baur den Bauernhof ihres Vaters übernahm, entschied sie sich gegen die gewöhnliche Hofarbeit. Nun züchtet sie Alpakas und bietet Alpakawanderungen an. Ein Interview.

Warum sind Alpakas so beliebt? Das Tier scheint ein ziemlicher „Trend“ zu sein.

Das Alpaka war 2018 „Tier des Jahres“. Es ist allgemein so, wenn ein Tier diesen Titel bekommt, dass es etwa zwei Jahre dauert, bis es beim Verbraucher ankommt. Alpakas haben dieses Kindchen-Schema, diese großen Kulleraugen und dieses Süße, Goldige, Knuffige. Sie sehen halt einfach süß aus. Und das kommt an.

Wie kamen Sie dazu, Alpakas zu züchten?

Bei uns war das eher Zufall, dass wir auf diese Tiere gekommen sind. Auf der Suche nach biologischen Rasenmähern für unsere kleine Weihnachtsbaumplantage haben wir sie entdeckt. Wir waren dann total fasziniert und haben uns verliebt. Ein, zwei Jahre später haben wir beschlossen, dass es die geeigneten Tiere für uns wären. Bis jetzt haben wir es noch nicht bereut.

Ist die Alpakazucht erfolgreich und rentabel?

Die Zucht ist noch im Aufbau. Die Nachzucht behalten wir noch, um eine größere Herde zu bekommen. Wenn es gut läuft, können wir im nächsten oder übernächsten Jahr die erste Nachzucht weiterverkaufen. Da kann man momentan nicht sagen, dass es rentabel wäre. Man hat am Anfang hohe Investitionskosten, bis alles steht: Der Stall, die Weide und so weiter. Durch die Alpaka-Spaziergänge verdienen die Tiere ihren Unterhalt selbst. Dadurch sind die Futterkosten und teilweise der Tierarztbesuch gedeckt. Das kommt allerdings immer darauf an, was man machen lassen muss. Man hat natürlich immer wieder ein Tier, wo man größere Probleme hat. Dann muss man definitiv drauflegen.

Macht es den Tieren nichts aus, von fremden Menschen an der Leine geführt zu werden?

Nein. Ich werde immer wieder gefragt „Macht es den Tieren Spaß?“ Ich bin der Überzeugung, dass es ihnen Spaß macht. Wenn ich mit fremden Leuten auf die Weide gehe, habe ich die Halfter und Leinen dabei und sammle die Tiere ganz entspannt ein. Ich muss sie nicht eintreiben oder jagen. Sie kommen mir entgegen und ich kann sie gemütlich halftern. Wenn ich allerdings mit meinem Mann, meiner Helferin und meinem Tierarzt auf die Weide gehe, sind die Tiere in der anderen Ecke der Weide. Sie wissen ganz genau, wenn fremde Menschen kommen, gehen wir Gassi. Ist der Tierarzt dabei, funktioniert das nur mit Futter oder Vorbereitung. Sonst kann ich mit ihnen nicht arbeiten.

Gibt es viele emotionale Momente bei den Alpaka-Spaziergängen?

Ja, sehr viele. Man bemerkt beim Spazierengehen, dass die Menschen ins Erzählen kommen. Man bekommt ganz viel von den Menschen mit, auch von den Kindern. Bei den Kindergeburtstagen ist das auch immer nett, was sie erzählen. Ich könnte jetzt gar keinen speziellen, schönen Moment herauspicken. Es gibt immer wieder ganz, ganz tolle Momente. Die zeigen einem, warum man das Ganze macht.

Gibt es auch weniger schöne Momente?

Manche Menschen können sich gar nicht auf die Alpakas einlassen. Es gibt beispielsweise Mütter, die die Tiere nur als Foto-Hintergrund für ihre dreijährige, rosa gekleidete Tochter missbrauchen. Dann rennen sie permanent mit dem Handy um das Tier und ums Kind. So etwas ist für den Rest der Gruppe sehr unentspannt.

Welche Regeln gibt es im Umgang mit den Tieren?

Eine Regel ist, dass sie unterwegs nicht fressen sollen. Ich gehe mit den Tieren über Feldwege. Es wird bei uns alles konventionell bewirtschaftet und daher gespritzt und gedüngt. Zudem sind viele Hunde und Hundehalter unterwegs, leider gibt es keine Mülleimer für die Hinterlassenschaften. Daher bleiben die ganzen Haufen liegen, was parasitentechnisch ein Problem ist. Deswegen sollen sie unterwegs nicht fressen. Eine weitere Regel ist, dass meine Tiere immer rechts laufen sollen. Aber das ist eher eine Gewohnheitssache. Manche Tiere laufen auch mit etwas mehr Abstand, andere etwas dichter an den Leuten. Das ist von Tier zu Tier unterschiedlich. Streicheln ist auch etwas, was sie nicht von Anfang an mögen. Da muss man sich erstmal ein bisschen kennenlernen, damit das geduldet wird.

Wie funktioniert die Zucht?

Dafür nutzen wir den „Callboy-Service“. Wir dürfen auf den Gen- und Hengstpool von einem Züchter zugreifen, der zwischen zehn und zwanzig gute Zuchthengste zur Verfügung hat. Dem sage ich, was ich gerne als Ergebnis hätte. Er empfiehlt mir dementsprechend die Hengste und kommt mit ihnen vorbei. Die Jungs machen ihren Job und gehen wieder. Bei Alpakas ist es so, dass die Stuten nicht wie etwa beim Hund läufig sind, sondern dass der Eisprung durch das Decken innerhalb von 48 Stunden nach dem Deckakt ausgelöst wird. Ganz praktisch. So kann man zeitlich abwägen, wann die Fohlen ungefähr geboren werden.

Die Geburten sind mit viel Stress verbunden.
Man hofft jeden Tag, dass alles gut geht.

Silke Baur

Welche Herausforderungen gibt es bei der Alpakazucht?

Die Zeiten, wann die Geburten anstehen. Das ist wirklich mit viel Stress verbunden. Man hofft jeden Tag, dass alles gut geht. Denn es geht leider nicht immer alles gut. Ich hatte auch schon ein Flaschenkind, bei dem ich dann im Takt von drei bis vier Stunden Tag und Nacht die Flasche geben musste. Es kann manchmal länger dauern, bis die Fohlen bei der Mutter trinken.

Was ist das Schönste an Ihrer Arbeit?

Auch die Geburten (lacht). Generell der Kontakt mit den Tieren. Das erdet einen einfach unheimlich, sie geben einem sehr viel zurück. Einfach durch ihre Art. Sie sind so unaufdringlich und bringen mich immer wieder runter, das ist wirklich schön. Auch das Produkt Wolle zu verarbeiten macht viel Spaß. Ich habe in der Zwischenzeit selbst angefangen zu spinnen. Das ist auch entspannend, so wie Yoga. Spinnen ist mein Yoga. Mein Sohn sagt dann immer: „Mei‘ Mama spinnt und manchmal ist sie auch produktiv dabei“. Das ist sein Lieblingsspruch.

Wie funktioniert das Scheren eines Alpakas?

Dazu braucht es viele Helfer. Man hat einen Scherer, einer ist vorne am Tier, einer hinten. Wenn‘s gut läuft ist einer noch am Kopf, der mit dem Tier redet. Ich habe immer den Job, nebenbei noch die Klauen zu schneiden und die Wolle zu sortieren. Somit wären wir bei fünf Personen. Meistens sind wir noch zwei bis drei Leute mehr. Einer, der die Tiere wechselt und einer, der noch andere kleine Dienste macht. Zwei Leute pusten die Tiere vorab mit dem Kompressor sauber. Sieben bis acht Personen sind also die Idealbesetzung. Die hat man leider nicht immer. Aber da die Schur nur einmal im Jahr ist, kann man das ganz gut planen.

Welche Produkte können aus Alpakawolle entstehen?

Aus Alpakawolle kann man ziemlich viel machen. Man kann zum Beispiel filzen. Da haben wir in der Zwischenzeit Schuheinlagen und Sitzkissen angefertigt. Die Wolle hat tolle Eigenschaften, was die Thermik anbelangt. Sie ist bis zu sieben Mal wärmer als Schafwolle und kann auch temperaturausgleichend sein. Die Wolle kann unheimlich viel Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben. Sie ist auch gut zum Bettdeckenfüllen geeignet. Natürlich kann man damit auch stricken. Alpaka-Bekleidung ist ganz toll, die Feinheit und Weichheit kommt in etwa an Kaschmir heran. Man kann aus Alpakawolle auch Seife herstellen. Dabei wird die Wolle im Verseifungsprozess in der Seifenlauge aufgelöst. Dann hat man den reinen Wirkstoff Keratin in der Seife, der sehr hautpflegend ist.

Teilweise werden Alpakas auch als Therapietiere eingesetzt. Warum haben sie eine therapierende Wirkung?

Es liegt daran, dass Alpakas sehr neugierig sind. Sie kriegen alles mit, sind allerdings erstmal sehr distanziert. Man muss sich auf das Tempo und auf den Willen der Tiere einlassen, ansonsten hat man kein Erfolg. Wenn man beim Spaziergang mit vollem Karacho losläuft, dann zeigt das Tier erstmal eine Abwehrhaltung: „Hey, mit mir nicht! Wir machen das in meinem Tempo!“ Die meisten Leute können sich allerdings nach einer gewissen Zeit gut auf das Tier einlassen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Leute automatisch durch den Kontakt mit den Tieren herunterfahren. Man wird entschleunigt.

War es schon immer Ihr Plan, den Bauernhof als Nebenerwerb zu betreiben? Das klingt nach sehr viel Arbeit.

Ich habe den Bauernhof von meinem Papa übernommen, der inzwischen 80 Jahre alt ist. Für mich war klar: Klassische Landwirtschaft kommt für mich nicht infrage. Ich bin damit groß geworden und kenne die ganzen Nachteile. Anfangs war es so, dass ich hier nur gewohnt habe. Als ich später meinen Mann kennengelernt habe, haben wir beschlossen, dass wir die Arbeit auf dem Hof gemeinsam wuppen, um ihn zu erhalten. Durch die Alpakas ist das jetzt in eine schöne Richtung gegangen.

Silke's Sohn Ben war mit Alpaka Giacomo sehr vertraut, heute sind sie keine so guten Freunde mehr.

Auf Ihrer Website ist ein Bild mit einem Alpaka und ihrem Sohn zu sehen, bei dem sie sehr vertraut wirken. Haben Sie zu manchen Alpakas eine engere Beziehung als zu anderen?

Zu dem Bild gibt es eine ganz witzige Geschichte: Das ist unser Alpaka Giacomo. Ich hatte mal angefangen, für den Alpakaführerschein zu üben. Das sollte eine Aktion für Kinder sein, ein kleiner Parcours. Und ich habe dafür mit meinem Sohn geübt. Giacomo hatte irgendwann keine Lust mehr und hat dann angefangen zu pusten. Er hat dann sehr schnell festgestellt, dass er damit Erfolg hat, weil die Kinder dann keine Lust mehr hatten. Mein Sohn fand das damals total ätzend und wollte dann nicht mehr mitmachen. Auch heute ist es noch so, wenn die beiden sich sehen, spürt man, dass sie keine so guten Freunde mehr sind wie auf dem Bild. Aber klar, man hat natürlich immer seine Lieblingstiere. Tiere, mit denen man mehr Kontakt hat oder bei denen die Chemie mehr stimmt wie mit anderen.