Gleiche Arbeit, weniger Lohn – Ein Leben voller Unterschiede

Annabelle Krause

Gleiche Arbeit, weniger Lohn – Ein Leben voller Unterschiede

Annabelle Krause

Die finanzielle Ungleichheit zwischen Männern und Frauen dehnt sich zum Lebensende hin immer mehr aus.

Annabelle Krause

Die finanzielle Ungleichheit zwischen Männern und Frauen dehnt sich zum Lebensende hin immer mehr aus.

Annabelle Krause

Wie äußert sich das in den verschiedenen Lebensabschnitten und gibt es Lösungsansätze?

Annabelle Krause

Wie äußert sich das in den verschiedenen Lebensabschnitten und gibt es Lösungsansätze?

Annabelle Krause

In der Gesellschaft herrscht ein finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Es baut sich über Jahrzehnte hinweg auf und wirkt sich besonders während der Elternschaft negativ auf die finanzielle Situation von Frauen aus. Daten aus verschiedenen Lebenssituationen zeigen, dass diese finanzielle Ungleichheit kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem ist. 

Die Daten im folgenden Beitrag sind statistische Durchschnittswerte. Die Protagonist*innen sind fiktiv und stehen stellvertretend für Frauen und Männer in Deutschland, die aufgrund geschlechtsspezifischer Berufswahlen und struktureller Unterschiede unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten haben.

Was genau ist der Gender Pay Gap?

Unter dem Gender Pay Gap versteht man den Verdienst­unterschied pro Stunde zwischen Frauen und Männern. Es wird zwischen dem unbereinigten und dem bereinigten Gender Pay Gap unterschieden. Erster beläuft sich im Jahr 2024 auf 18 Prozent und beinhaltet alle Berufe, unabhängig von einer unterschiedlich hohen Bezahlung oder dem Karrierelevel.

Der bereinigte Gender Pay Gap bezieht sich nur auf gleichwertige Tätigkeiten und Qualifikationen, deshalb fällt er geringer aus und beträgt 2023 sechs Prozent. Im Folgenden verwenden wir diesen bereinigten Gender Pay Gap um den Vergleich so genau wie möglich darzustellen. 

Finanziell gibt es in der Kindheit noch keine Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat herausgefunden, dass Jungen und Mädchen im Durchschnitt gleich viel Taschengeld erhalten. Lisa und Lukas sind Schulfreunde und beide zehn Jahre alt. In der Regel bekommen sie von ihren Eltern circa zwölf Euro Taschengeld im Monat und haben ähnliches Spielzeug, das preislich kaum einen Unterschied macht. 

Allerdings werden Lisa und Lukas, wie viele Kinder, schon früh durch das stereotypische Bild in der eigenen Familie und der Gesellschaft geprägt. Das kann Auswirkungen auf die spätere Berufswahl haben. Eine Befragung von Eltern in Kooperation mit der Wilhelms-Universität Münster hat ergeben, dass stereotypische Vorstellungen der Eltern insbesondere bei technischen und kreativen Berufen immer noch eine Rolle spielen. Bei gleichen oder sogar schlechteren schulischen Leistungen können sich Eltern technische Berufe, IT und Informatik für ihre Söhne trotzdem besser vorstellen als für ihre Töchter. Diese sehen Eltern eher in kreativen und künstlerischen Berufen. 

Obwohl es also keine ausgeprägten finanziellen Unterschiede in der Kindheit gibt, beeinflussen diese Erfahrungen die spätere Berufswahl und somit auch die Finanzen.

Lisa und Lukas haben je ein Spielzeugauto bekommen - er ein blaues und sie ein rotes. 

Annabelle Krause

Lisa und Lukas haben je ein Spielzeugauto bekommen - er ein blaues und sie ein rotes. 

Annabelle Krause

Die Ungerechtigkeit beginnt im Arbeitsleben

Annabelle Krause

Die Ungerechtigkeit beginnt im Arbeitsleben

Annabelle Krause

15 Jahre später stehen Lisa und Lukas fest im Berufsleben. Lisa hat nach ihrem Realschulabschluss eine Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen abgeschlossen und arbeitet seit über fünf Jahren in Vollzeit. Laut der Agentur für Arbeit sind knapp 80 Prozent der Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen von Frauen besetzt. Mit 43 Prozent sind das Teilzeitberufe. Lisa verdient mit ihrer Berufserfahrung circa 3.160 Euro Brutto im Monat und kann davon gut leben, allerdings zeigt sich hier zum ersten Mal der Gender Pay Gap. Ein Kaufmann mit derselben Berufserfahrung wie Lisa verdient im gleichen Job 3.570 Euro Brutto. Es ergibt sich eine Lohnlücke von 12,97 Prozent. Diese liegt sogar deutlich über dem prozentualen Wert des Gender Pay Gaps. Dieser beläuft sich in Deutschland im Jahr 2023 auf 6 Prozent.

Auch Lukas hat nach seinem Realschulabschluss eine Ausbildung gemacht, aber zum Industriemechaniker. Nach fünf Jahren, also mit derselben Berufserfahrung wie Lisa, verdient er rund 700 Euro mehr (3.830 Euro). Schon bei der Berufswahl zeigen sich also grundlegend unterschiedlich hohe Einstiegsgehälter.  Doch auch bei Berufen mit einem höheren Einstiegsgehalt zeigt sich der Gender Pay Gap: Als Industriemechaniker bekommt ein Mann 9,43 Prozent mehr Gehalt – eine Frau verdient lediglich 3.500 Euro Brutto. 

Lukas verdient trotz gleicher Umstände mehr Geld als Lisa.

Annabelle Krause

Lukas verdient trotz gleicher Umstände mehr Geld als Lisa.

Annabelle Krause

Noch arbeiten Lisa und Lukas in Vollzeit und haben keine Kinder. Doch die Gehaltsunterschiede machen sich bereits bemerkbar und in den nächsten Jahren nimmt die finanzielle Lücke immer mehr zu. Das zeigt sich besonders dann, wenn die Familienplanung eine Rolle spielt. In Deutschland kriegen Frauen im Durchschnitt mit 30 Jahren ihr erstes Kind und mit der Familiengründung beginnt der ausschlaggebende Grund für eine finanzielle Ungleichheit zwischen Frau und Mann. Laut einer Studie der Internationalen Hochschule gibt jede fünfte Frau (19,4 Prozent) an, aufgrund einer Geburt einen Wendepunkt in ihrer Karriere erlebt zu haben. Bei Männern tritt dieser Wendepunkt deutlich seltener auf – 11,3 Prozent der männlichen Befragten gingen durch eine Geburt neue berufliche Wege.

Chiara Küpper, Geschäftsführerin und Finanzberaterin bei  „DI Frau“ hat täglich mit der finanziellen Situation von Frauen zu tun. Sie weiß, wie oft die Familiengründung der Startpunkt einer finanziellen Ungleichheit ist: „Bei einem Mann ändert sich eigentlich nichts, doch bei der Frau ist ein Kind dann halt der Einbruch, weil sie meistens zu Hause bleibt. Und selbst wenn sie schnell wieder anfängt zu arbeiten, meistens nicht in Vollzeit, sondern in Teilzeit.“

| Quelle: Destatis, 2024

Lisa und Lukas sind mittlerweile mehr als Schulfreunde: Sie haben sich ineinander verliebt und erwarten ihr gemeinsames Kind. Dadurch entstehen für beide aber auch neue Verpflichtungen, wobei Lisa mehr unbezahlte Sorgearbeit leistet als Lukas. Jede Woche verwendet Lisa 30 Stunden, um sich um Haus und Kind zu kümmern, Lukas dagegen 21 Stunden. Das Bundesfamilienministerium kam zu dem Ergebnis, dass Frauen im Durchschnitt 43,4 Prozent mehr Sorgearbeit leisten als Männer. Das sind umgerechnet 79 Minuten pro Tag.

Um in der intensiven Zeit nach der Geburt mehr Zeit für ihr Kind zu haben, beschließen Lisa und Lukas in Elternzeit zu gehen. Lisa pausiert ihren Beruf für 14,5 Monate und Lukas für 3,5 Monate.  Aufgrund ihrer neuen Rolle als Mutter beschließt Lisa, künftig nur noch in Teilzeit zu arbeiten, um mehr Zeit für ihr Kind zu haben. Lukas möchte sich derweil weiterhin auf seine Karriere als Industriemechaniker konzentrieren.

Zeitsprung: Lisa und Lukas zogen ihr Kind gemeinsam groß. Ihr gemeinsames Leben funktioniert gut und beide überwältigen Höhen und Tiefen. Sie sind nun im Rentenalter angekommen und das bring eine nächste finanzielle Hürde mit sich.

Zeitsprung: Lisa und Lukas zogen ihr Kind gemeinsam groß. Ihr gemeinsames Leben funktioniert gut und beide überwältigen Höhen und Tiefen. Sie sind nun im Rentenalter angekommen und das bring eine nächste finanzielle Hürde mit sich.

Als Lisa und Lukas mit 65 Jahren in die Rente gehen, bekommen sie unterschiedlich hohe Renten. Lisa hat ihre restlichen Berufsjahre weiterhin in Teilzeit gearbeitet, während Lukas sich noch zum Abteilungsleiter hocharbeiten konnte. Lisa erhält monatlich 1.274,25 Euro Brutto, während Lukas monatlich 2.104 Euro überwiesen bekommt. Damit liegen beide im durchschnittlichen Rentenniveau, was einer Differenz von 39,4 Prozent zwischen den Geschlechtern entspricht, dem sogenannten „Gender Pension Gap”.

Diese bedenklich große Lücke zieht sich durch das ganze Leben. Damit sich das aber nicht erst am Ende bei der Rente zeigt, ist es wichtig, schon früh etwas dagegen zu unternehmen. Chiara Küpper versucht Frauen auf dem Weg in finanzielle Unabhängigkeit zu unterstützen. Deshalb hat sie folgenden Rat: 

Hat mit einer Freundin eine Firma für Finanzcoachings für Frauen gegründet.

Lukas bekommt rund 10 Tausend Euro mehr Rente im Jahr als Lisa.

Lukas bekommt rund 10 Tausend Euro mehr Rente im Jahr als Lisa.

Wenn Mädchen in Deutschland geboren werden, verfügen sie zunächst über die gleichen finanziellen Mittel wie Jungen. Doch im Laufe ihres Lebens werden die finanziellen Unterschiede immer größer. Das liegt unter anderem an der Berufswahl: Frauen arbeiten im Durchschnitt in weniger gut bezahlten Branchen, zum Beispiel im Gesundheitswesen, und das oft in Teilzeit. Da Frauen im Schnitt ihr Leben lang weniger Geld als Männer verdienen, erhalten sie am Ende ihres Berufslebens eine geringere Rente. Der Gender Pay Gap zieht sich also durch das gesamte Berufsleben und manifestiert sich im Alter als Gender Pension Gap. 

Deshalb ist es umso wichtiger, sich frühzeitig zu informieren und eventuell Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen, um den Gender Pay Gap gar nicht erst so groß werden zu lassen. 

Der Datenzugang erfolgte über die Gleichstellungsindikatoren die durch das Statistische Bundesamt veröffentlicht werden. Die Daten Stammen aus dem Mikrozensus 2023, der Verdiensterhebung und der Zeitverwendungserhebung. 

Ein Rechercheprotokoll und genauere Quellen zur Datenerhebung können bei Interesse bei den Autor*innen dieses Beitrags angefragt werden.