Handwerk 2 Minuten

Fokus auf das Wesentliche – die Sauerteig-Bäckerei

Sophie und Julius Henne - Gründer der Bäckerei "Brotique"
Sophie und Julius Henne - Gründer der Sauerteig-Bäckerei "Brotique" | Quelle: Benedikt Mäckle
11. Dez. 2023

Sophie und Julius Henne gründeten während des Corona-Lockdowns 2021 die Bäckerei BROTIQUE im Stuttgarter SüdenSie wollen anders sein als die anderen Bäckereien. Denn was für sie zählt: Der Fokus auf das Wesentliche beim Backen - 100 % natürlich, nur das, was der Teig wirklich braucht.

Der Duft von frisch gebackenem Lebkuchen erfüllt die Brotique, obwohl heute Ruhetag ist. Ein Mitarbeiter setzt gerade den Lebkuchenteig auf eine Oblate und streicht ihn mit dem Messer glatt. Sophie kommt die Treppe aus der Backstube hoch. Sie trägt ein weißes, mehlbestäubtes T-Shirt. Überall stehen Behälter mit Teig, warmes Licht fällt von der Decke in die Backstube. „Einen Moment“, sagt sie und gibt ihren Mitarbeitern noch letzte Hilfestellungen beim Glattstreichen der Lebkuchen. 

 

ÜBER UMWEGE ZUR BACKKUNST

Die Hörsäle der Betriebswirtschaftslehre waren nicht so das Richtige für Sophie, deshalb führte der Weg sie zu einem Praktikum in eine kleine Holzofenbäckerei. Was als kurzer Ausflug gedacht war, erwies sich als der richtige Weg und statt dem Betriebswirtschaftsstudium, wagte sie den Sprung in die Bäckerlehre. Nach Jahren der beruflichen Erfahrungen und Einblicke in diverse Bäckereien kam der nächste Schritt. In Weinheim, einer Stadt bei Heidelberg, machte sie ihren Bäckermeister. 

Die Covid-19-Pandemie 2021 zwang die Welt in einen Lockdown. Statt in der gewohnten Umgebung zu arbeiten und sich in der Backstube auf ihre Meisterprüfung vorzubereiten, verbrachte sie die meiste Zeit nun zu Hause. Diese unerwartete Wendung entpuppte sich jedoch als kreativen Neuanfang. Gemeinsam mit ihrem Mann Julius wurde die heimische Küche zur Backstube umfunktioniert. Die beiden entdeckten nicht nur ihre gemeinsame Leidenschaft fürs Backen neu, sondern auch ihre Fähigkeiten als perfektes Team in der Backstube. Es entstand die Idee, den Traum einer eigenen Bäckerei zu verwirklichen – die Brotique wurde geboren. 

Gutes Brot braucht nicht viel - Mehl, Wasser, Salz und Ruhe. | Quelle: Benedikt Mäckle
Gutes Brot braucht nicht viel - Mehl, Wasser, Salz und Ruhe. | Quelle: Benedikt Mäckle
Gutes Brot braucht nicht viel - Mehl, Wasser, Salz und Ruhe. | Quelle: Benedikt Mäckle
Gutes Brot braucht nicht viel - Mehl, Wasser, Salz und Ruhe. | Quelle: Benedikt Mäckle
Gutes Brot braucht nicht viel - Mehl, Wasser, Salz und Ruhe. | Quelle: Benedikt Mäckle
Gutes Brot braucht nicht viel - Mehl, Wasser, Salz und Ruhe. | Quelle: Benedikt Mäckle

DIE LIEBE ZUM SAUERTEIG

Die Faszination liegt in der Reinheit des Prozesses – „100 % natürlich, nur das, was der Teig wirklich braucht“, so Sophie. Die Ausrichtung auf das Grundlegende spiegelt sich nicht nur in der Auswahl der Zutaten wider, sondern auch in der Philosophie, dass weniger oft mehr ist. Sophie verwendet für ihre Brote lediglich die drei Zutaten Getreide, Wasser und Salz. Das Besondere am Sauerteig liegt für sie in seiner Natürlichkeit und der Bekömmlichkeit durch ausschließlich natürliche und Bio-zertifizierte Zutaten. Was auch nicht fehlen darf, ist Zeit. Zeit zum Reifen, das bekommen die Brote in der Backstube der Brotique. 

 

Die Entscheidung für ein kleines Sortiment an Backwaren in der Brotique ist dabei kein Zufall. Es geht um eine bewusste kleine Auswahl, die nicht nur dem Prinzip der Nachhaltigkeit, Qualität und Frische entspricht, sondern auch darauf abzielt, das Wegwerfen von Produkten zu vermeiden.

 

Extrem wichtig ist für Sophie, weiterhin in der Backstube kreativ zu bleiben und sich weiterzuentwickeln. Das spiegelt sich in dem saisonal wechselnden Angebot der Backwaren wider. Gewisse Basic-Backwaren gibt es immer, jedoch bietet sie mit ihrer experimentierfreudigen Haltung immer wieder neue kreative Sauerteigvariationen an, von süßen Kardamomknoten über Brioche bis zu Focaccia. Testtage spielen für sie eine zentrale Rolle, um mit dem ganzen Team neue innovative Produkte zu erkunden und einfach mal auszuprobieren. Überzeugt der Geschmack, kommt es in die Theke. Mit der Kombination aus Liebe zum Handwerk, Fokus auf das Wesentliche und der Verwendung von Bio-Zutaten ist es Sophie gelungen, mit ihrer Sauerteig-Bäckerei einen Ort zu schaffen, bei dem ein Grundnahrungsmittel wieder die Hochachtung bekommt, die es verdient, so Sophie.

WAS IST EIGENTLICH EIN SAUERTEIG ?

Ein Sauerteig besteht aus drei Zutaten: Mehl, Wasser, Salz. Die Hefe lässt man beim Sauerteig weg, dafür muss man geduldig sein, denn die Sauerteigbakterien sind viel langsamer, als die Hefe aus dem Päckchen. Eine lange Teigreifezeit führt zur Fermentation des Teiges und es entstehen dadurch unheimlich vielseitige Aromen.

HINDERNISSE UND ERFOLGSGESCHICHTEN

Für Sophie und Julius war klar: Eine Bäckerei mit eigener Backstube im urbanen Raum zu etablieren, wird eine Herausforderung. Ein Gleichgewicht zwischen einem produktiven Gewerbe und den Bedürfnissen der Stadtbewohner nach Ruhe und Gelassenheit zu finden, war und ist nicht immer einfach. Bürokratische Hürden, wie die Einhaltung von Auflagen und Genehmigungen, erwiesen sich in Zeiten der Corona-Pandemie als zunehmend belastend und langwierig. Zudem kamen die hohen finanziellen Investitionen in Sanierung und Anschaffung erforderlicher Anlagen und Maschinen für die Backstube. Doch sie hatten einen Plan. Und es funktionierte. 

 

Am ersten Eröffnungstag waren alle Backwaren ausverkauft. Am zweiten, dritten und vierten Tag auch. „Der Start hätte nicht besser laufen können. Wir wurden regelrecht überrannt und sind mit dem Backen kaum hinterhergekommen. Mittlerweile sind wir ein zehnköpfiges Team in der Backstube. Die richtige Organisation und Struktur zu finden hat etwas Zeit gebraucht, aber inzwischen sind wir als Team mit den Backprozessen und Abläufen super eingespielt“, so Sophie.

Humorvoll, detailverliebt & fair - die BROTIQUE | Quelle: Benedikt Mäckle
Humorvoll, detailverliebt & fair - die BROTIQUE | Quelle: Benedikt Mäckle
Humorvoll, detailverliebt & fair - die BROTIQUE | Quelle: Benedikt Mäckle
Humorvoll, detailverliebt & fair - die BROTIQUE | Quelle: Benedikt Mäckle
Humorvoll, detailverliebt & fair - die BROTIQUE | Quelle: Benedikt Mäckle
Humorvoll, detailverliebt & fair - die BROTIQUE | Quelle: Benedikt Mäckle
Humorvoll, detailverliebt & fair - die BROTIQUE | Quelle: Benedikt Mäckle

DIE ETWAS ANDERE BÄCKEREI

Mit einem Blick hinter die Kulissen wird schnell klar, warum die Brotique anders als die anderen Bäckereien ist. Der Name „BROTIQUE“ spiegelt die Philosophie wider – die Ausrichtung auf das Grundlegende, klein aber fein, und eine moderne Neuinterpretation des Bäckerhandwerks. Denn ein markanter Unterschied zu herkömmlichen Bäckereien ist die Entscheidung, nicht nachts zu arbeiten“ so Sophie. „Wir produzieren die Teige immer ein Tag im Voraus, so haben sie genug Ruhezeit, und die Brote und Backwaren können morgens frisch rausgebacken werden.“ Dies ermöglicht nicht nur eine bessere Work-Life-Balance für das gesamte Team, sondern trägt auch zu einer entspannten Atmosphäre in der Backstube bei. 

 

Qualitativ hochwertige Produkte haben freilich auch ihren Preis. Um zu gewährleisten, dass hochwertiges handwerklich hergestelltes Brot und Backwaren für jeden erschwinglich bleiben, haben sie sich was Besonderes einfallen lassen. Mit der Aktion „Brot ist für alle da“ bieten sie Kunden mit begrenztem Budget die Möglichkeit, von Rabatten zu profitieren. Zudem nehmen sie an der Aktion "Hey-Spendierbretter" teil. Hierbei besteht die Möglichkeit Brot umsonst zu bekommen, da jemand anderes das Brot bereits bezahlt und den Beleg an das Spendierbrettchen im Laden gehängt hat. Ein Beispiel dafür, wie sie nicht nur leckeres Brot, sondern auch ein Gefühl der Gemeinschaft in die Brotique bringt.

 

Sophie hüllt das gerade aus dem Ofen genommene Sauerteigbrot in Papier und versiegelt es mit einem Aufkleber der Brotique. Gleichzeitig schiebt Julius neue Teiglinge in den Ofen, um stets für frischen Brotnachschub zu sorgen. Mit Liebe verpackt und immer frisch gebacken. Das ist, was die beiden verbindet, die Leidenschaft zum Sauerteig.