Gonna love myself

Gonna love myself, no, I don’t need anybody else! Hailee Steinfeld sang es schon 2015, halb Pop-Hymne, halb verstecktes Masturbations-Manifest – und ich stand mit 17 im Wohnzimmer, tanzend, befreit und latent rot im Gesicht. Fast zehn Jahre später hat sich einiges verändert – aber nicht alles. Frauen dürfen heute CEO sein, Sexspielzeuge besitzen und „Wau, Wau!“ rufen, wenn sie gecatcallt werden. Aber über Masturbation sprechen? Nur wenn’s wirklich sein muss. Willkommen in der paradoxen Parallelwelt weiblicher Lust.
Selbstbefriedigung, wie war das noch mal?
Während sich Jungs in der Umkleide für ihre "3x-heute-schon"-Leistung ein High-Five geben, huscht bei Frauen immer noch der Scham-Filter über alles, was mit Selbstbefriedigung zu tun hat. Hand anlegen? Unsexy. Lust auf sich selbst? Unanständig. Sich dabei auch noch gut fühlen? Jetzt reicht’s aber! Und weil man sich fragt, wo das eigentlich herkommt, ein kurzer Exkurs in die Geschichte: Im 18. Jahrhundert war Masturbation ungefähr so beliebt wie die Pest. Wer’s tat, galt als seelisch verwahrlost, körperlich geschwächt und potenziell dem Untergang geweiht. Selbstliebe wurde zur Sünde erklärt – und das, obwohl kein anderer Mensch dabei gestört wurde.
Selbst ist die Lust – und das ist auch gut so
Heute wissen wir: Kopfschmerzen, Menstruationsbeschwerden, Einschlafprobleme – Masturbation hilft. Und zwar ganz ohne Nebenwirkungen (außer einem zufriedenen Grinsen). Beim Orgasmus werden Dopamin und Oxytocin ausgeschüttet, unsere körpereigenen Glücklichmacher. Gleichzeitig sinkt der Cortisolspiegel, also das Stresshormon-Level. Kurz gesagt: Masturbation ist wie ein Spa-Besuch – nur günstiger, leiser und mit Orgasmusgarantie. Ein Allrounder in Vibrator- oder Handformat. Aber: Wer soll das wissen, wenn nie darüber geredet wird?
Scharf auf Aufklärung
Die Statistik spricht Bände (und die sind nicht mal besonders sexy): Mehr Männer als Frauen masturbieren. Warum? Weil Frauen von klein auf lernen, dass Selbstliebe zwar als Affirmation auf T-Shirts okay ist – aber nicht unter der Bettdecke. Weil das, was bei Jungs als normale Entwicklung gilt, bei Mädchen als “ungehörig” abgestempelt wird. Weil Sprache Macht hat – und wir immer noch Schamlippen sagen, als hätten unsere Vulven was verbrochen. Deshalb mein Vorschlag: Lasst uns die Scham aus dem Genitalbereich verbannen. Vulvalippen für alle! (Also... zumindest sprachlich.)
Fazit? Greif ruhig zu – an die eigenen Bedürfnisse.
Masturbation ist kein Ersatz für zwischenmenschliche Nähe – aber manchmal die beste Art, sich selbst wirklich zu begegnen. Um herauszufinden, was man mag und was nicht. Zudem bringt Masturbation auch etwas für das Zweierspiel. Lieber etwas höher, nein leicht nach links, genau da! Und ganz ehrlich: Es ist 2025. Wenn wir schon Dating-Apps für Hunde haben und Milch aus Erbsen trinken, können wir doch wenigstens mal offen zugeben, dass wir’s uns manchmal selbst besorgen – und das ziemlich gut. Also: Mehr Solo-Sex. Weniger Solo-Scham. Handarbeit ist kein Rückschritt – sie ist Selbstermächtigung. Und vielleicht die ehrlichste On-Off-Beziehung überhaupt.
Hinweis:
Dieser Beitrag ist Teil des Kolumnenformats „Sex-Kolumne“. Weitere Folgen der Kolumne sind:
- Pille, Penis, Pearl-Index – Wer verhütet hier eigentlich wen?
- Ein Drama, vier Akte – und kein Applaus