Rollendiversität

(In)Toleranz unter Frauen

Der stetige Konkurrenzkampf unter Frauen
04. Mai 2022
Rollendiversität? Von wegen! Wir reden immer von Toleranz gegenüber diversen Geschlechterrollen und deren Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft – dabei akzeptieren wir Frauen uns nicht einmal gegenseitig.

Egal für welchen Weg frau sich entscheidet – Karriere, Kinder, beides – sie muss sich immer rechtfertigen: Vor allem gegenüber anderen Frauen.

Neid – der Ursprung allen Übels

Es liegt in unserer Natur, uns immer mit anderen zu vergleichen. Auf Basis von oberflächlichen Informationen und (Fehl-)Interpretationen fühlen wir uns anderen Frauen unterlegen. Anstelle von Wertschätzung und Bewunderung begegnen wir uns lieber mit Missgunst und Abwertung. Die Psychologin Felicitas Heyne erklärt, dass die sogenannte Stutenbissigkeit ihren Ursprung oft in der Kindheit hat. Im Vergleich zu Jungen seien Mädchen sinnloserweise dazu erzogen worden, keine Rivalitäten und Konkurrenzkämpfe auszutragen. Durch diese Unterdrückung sei Frauen ein subtilerer Umgang mit Kämpfen gelehrt worden. „Subtil“ – also tratschen, lästern und mobben.

Wir klagen darüber, dass wir von Männern nur als Objekt wahrgenommen werden. Dennoch reduzieren wir andere Frauen in gleicher Manier auf ihre gesellschaftliche Rolle, ohne mit der Wimper zu zucken. Beneiden wir unser Gegenüber, suchen wir zwanghaft nach Fehlern und Unvollkommenheiten, um unsere eigene Position zu stärken und unsere Abneigung zu rechtfertigen. So vergessen wir oft die einzelnen Beweggründe und äußeren Umstände, die jede einzelne von uns zu ihren Entscheidungen für beziehungsweise gegen Kinder oder Karriere motiviert. Stefanie Mallow, Doktorandin in Kultur- und Gesellschaftswissenschaften, bringt diesen Widerspruch treffend auf den Punkt:

Die Frau als eierlegende Wollmilchsau

Doch nicht nur unsere Erziehung, sondern auch die aktuellen gesellschaftlichen und kulturellen Umstände haben Einfluss auf die Konkurrenzkämpfe unter Frauen. Laut Stefanie Mallow werde von einer Frau heutzutage erwartet, alles zu können. Sie solle zwei Kinder gebären, Karriere machen und zugleich den Haushalt schmeißen. Eine eierlegende Wollmilchsau eben: Als wäre es nicht schon genug, entweder einen ökonomischen oder einen sozialen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten.

Das Finanzmagazin Insider Inc. ist selbstverständlich der Auffassung, dass sich die berufliche Zufriedenheit von Frauen positiv auf die Erziehung auswirkt. Sind also die Frauen am glücklichsten, denen der perfekte Spagat zwischen Kind und Karriere gelingt? Nein! Wir knüpfen dieses neoliberal-geprägte Glücklichsein daran, alle an uns gerichteten Erwartungen zu erfüllen – sowohl finanziell als auch sozial. In unseren wohlhabenden, westlichen Gesellschaften sind viele der grundlegenden Bedürfnisse abgedeckt und werden als selbstverständlich wahrgenommen. Der Fokus auf die sogenannten Wachstumsbedürfnisse lässt sich an der Maslowschen Bedürfnispyramide ablesen. Die Selbstverwirklichung, als Spitze der Pyramide, sei in unserem wachstumsorientierten Wirtschaftssystem nur durch das Streben nach den männlich-geprägten Attributen „Karriere“ und „finanzielle Unabhängigkeit“ zu erlangen.

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Maslowsche Bedürfnispyramide (Quelle: Landeszentrale für politische Bildung) | Quelle: Mirjam Ruckh

„Die Gesellschaft soll nicht weiblicher werden, sondern die Frauen sollen männlicher werden.“

Stefanie Mallow, Doktorandin in Kultur- und Gesellschaftswissenschaften

Stefanie Mallow schlussfolgert daraus: „Die Gesellschaft soll nicht weiblicher werden, sondern die Frauen sollen männlicher werden“. So wurde es uns im kapitalistischen Wirtschaftssystem eingetrichtert. Sozialen Tätigkeiten wie Haushalt, Kindererziehung und Pflege, die früher überwiegend Frauen-Sache waren, fehlt es hingegen gänzlich an gesellschaftlicher Wertschätzung.

Nicht nur Karriere- und Hausfrau – jede Rolle hat ihre Berechtigung und ihren Platz in unserer Gesellschaft, deswegen sollte keine Person sich für ihren Lebensweg rechtfertigen müssen. Wir Frauen müssen uns gegenseitig ermutigen, unterstützen und bewundern, um unabhängig von gesellschaftlichen Normen und Ideologien freie Lebensentscheidungen treffen zu können.