Fahrtauglichkeit 4 Minuten

Fahren ab 70 – Muss Opa bald zur Prüfung?

Eine Illustration von einem Senior, der hinter dem Steuer sitzt und an einem "70" Schild vorbeifährt
Laut dem jüngsten Gesetzesvorschlag der EU-Kommission müssten Menschen ab 70 alle fünf Jahre ihren Führerschein neu beantragen. | Quelle: Anni Gebhard/ProCreate
07. Dez. 2023
Spanien, Italien, die Schweiz: In jedem dieser Länder gelten unterschiedliche Regeln, was das Autofahren ab 70 betrifft. Die EU-Kommission schlägt ein einheitliches Gesetz vor. Doch spielt Deutschland da mit? Und was sagen die Landtagsfraktionen und Expert*innen dazu?

Alle fünf Jahre müssen 70-Jährige mit Führerscheinklasse B ihre Fahrerlaubnis verlängern - nach diesem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission im Frühjahr wird viel über die Debatte rund um Fahrprüfungen im Alter berichtet. Laut Gesetzesentwurf wäre es damit nämlich möglich, die Fahrtauglichkeit regelmäßig zu prüfen. Doch wie realistisch ist es, dass Menschen ab 70 bald zur Prüfung müssen?

Viele kennen es vielleicht aus ihrem eigenen Umfeld: Die Diskussion mit Opa, ob er den Führerschein abgibt oder nicht. „Oftmals sind die Fahrerlaubnisinhaber ‚beratungsresistent‘ und weigern sich beharrlich, auf die Fahrerlaubnis zu verzichten“, sagt Dr. Matthias Köck, Fachanwalt für Verkehrsrecht. Geben Senior*innen den Führerschein nicht ab, können Angehörige ein Gespräch mit dem Hausarzt oder der Hausärztin der Betroffenen suchen. Zum tatsächlichen Führerscheinentzug käme es dann erst nach sämtlichen Untersuchungen, einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) und einem Gutachten.

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Daten und Fakten zum Autofahren über 65 Jahren. | Quelle: Anni Gebhard

Alle Landtagsfraktionen lehnen die EU-Idee ab

Fragt man die Fraktionen des Landtags von Baden-Württemberg, findet die Idee der EU wenig Begeisterung. Die Fraktionen der Grünen, CDU, FDP, SPD und AfD lehnen den Gesetzesentwurf ab. Vielen Fraktionen sei eine solche Regelung zu „pauschal“. Stattdessen verweisen sie auf die freiwilligen Verkehrstests und die Eigenverantwortung. Die FDP vermutet hinter einer solchen Regelung sogar ein neues Geschäftsmodell. Obwohl sich die Grünen gegen die altersbedingten Fahrprüfungen aussprechen, sieht die AfD das Prüfen ab 70 unter anderem als "einen weiteren Versuch des Verkehrsministers (Winfried Hermann, Grüne), in Baden-Württemberg das Auto zurückzudrängen“.

Andere Länder, andere Gesetze

Einige europäische Staaten geben bereits klare Regeln vor. In der Schweiz müssen beispielsweise alle Autofahrenden ab 75 Jahren jedes zweite Jahr zu einer medizinischen Untersuchung. Spanische Senior*innen müssen sogar schon ab einem Alter von 65 den Führerschein alle fünf Jahre neu beantragen. Zu der Neubeantragung gehören dann auch verschiedene ärztliche Untersuchungen, die die Fahrtüchtigkeit anhand von Seh-, Hör- und Reaktionstests prüfen.

Hier die Auflagen einiger europäischer Staaten im Überblick:  

Die Flagge Spaniens mit einer Aufschrift
In Spanien ist bei jeder Führerscheinverlängerung ab 65 auch ein Medizin-Check fällig. | Quelle: Anni Gebhard/Procreate
Die Flagge Italiens mit Aufschrift
In Italien müssen schon Autofahrer*innen ab 50 gewisse Regeln befolgen. | Quelle: Anni Gebhard/Procreate
Die Flagge des Vereinten Königreichs mit Aufschrift
Krankheiten, die sich negativ auf das Fahren auswirken, müssen Brit*innen im Führerscheinantrag angeben. | Quelle: Anni Gebhard/Procreate
Die Flagge Dänemarks mit Aufschrift
80-Jährige müssen in Dänemark ihren Führerscheinantrag jedes Jahr neu stellen. | Quelle: Anni Gebhard/Procreate
Die Flagge der Schweiz mit Aufschrift
Die Kontrolluntersuchung in der Schweiz ähnelt den deutschen Auflagen für LKW-Fahrer*innen | Quelle: Anni Gebhard/ Procreate

Ärzt*innen befinden sich in der Zwickmühle

Anders als die Landespolitik befürwortet Frederike Sternberg eine Prüfung der Fahrtüchtigkeit ab einem gewissen Alter. Sie arbeitet als Assistenzärztin in der Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. „Ich finde das gut. Ich […] glaube, dass einfach die meisten Menschen, die ein Leben lang gut und sicher gefahren sind, dann irgendwann den Absprung nicht kriegen“.

„Im Alter steigt auch immer das Risiko für einen Schlaganfall oder Herzinfarkt während der Fahrt.“

Dr. med. Frederike Sternberg, Assistenzärztin für Neurologie

Außerdem lassen ab einem gewissen Alter nicht nur die Sinnesleistungen, wie das Seh-, Hör- und Reaktionsvermögen nach, sondern auch „das Risiko für einen Schlaganfall oder Herzinfarkt während der Fahrt“ steigt. Die Umsetzbarkeit beinhalte allerdings viele Hürden und scheitere laut Sternberg eventuell auch an Politikern, „die es [...] nicht unbedingt durchboxen würden, weil sie dann Angst haben, von den älteren Wählern nicht mehr gewählt zu werden“.

Aktuell können Fachärzt*innen ihre Patient*innen belehren, wenn sie diese für nicht fahrtauglich halten. Bei der Aufklärung, welche vor allem nach Schlag- oder epileptischen Anfällen stattfindet, wird eine Frist festgelegt, in der die Betroffenen kein Auto fahren sollen. Im Falle eines Unfalls ist die ärztliche Fachperson nun rechtlich geschützt. Läuft eine Aufklärung ins Leere, müssen Mediziner*innen abwägen, ob sie die Fahruntauglichkeit einer Patient*in letztendlich doch an die Fahrerlaubnisbehörde melden möchten: „Ärzte befinden sich derzeit in einer Dilemmasituation, da sie zur [...] Verschwiegenheit verpflichtet sind“, so Köck. „Besteht eine konkrete Gefahr für eine Teilnahme am Straßenverkehr, dann wird eine Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörde gerechtfertigt sein.“

 

„Die [Autofahrenden] können ja gerne beweisen, dass sie es noch können. Dann ist es ja auch ein schönes Gefühl, wenn man weiß: Ich kann noch sicher Autofahren“.

Frederike Sternberg

Für Sternberg ist es wichtig, die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren. Sie macht deutlich, dass niemand den Senior*innen pauschal unterstelle, kein Auto mehr fahren zu können. „Die [Autofahrenden] können ja gerne beweisen, dass sie es noch können. Dann ist es ja auch ein schönes Gefühl, wenn man weiß: Ich kann noch sicher Autofahren.“

Muss Opa also nicht zur Prüfung? „Derzeit finden keine Gespräche mit der Politik und/oder Ärzten statt. Der Verkehrsrechtsausschuss und die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht führen derzeit keine Gespräche in diese Richtung“, so Verkehrsanwalt Köck. Weiter gehe er davon aus, dass „in absehbarer Zeit nicht mit einem Fahrtüchtigkeitstest ab 70/75 Jahren zu rechnen“ sei.

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