Umweltschutz

Eine Paddeltour in nachhaltiger Mission

Mit dem ÖkoKajak können Wassersportfreund*innen kostenlos paddeln – wenn sie dabei Müll sammeln.
03. Dez. 2021
Müll in der Landschaft, auf Wald- und Feldwegen, aber vor allem auch in unseren Flüssen – seit vielen Jahren ein bekanntes Problem. Ein Kajakverleiher aus der Region Stuttgart hat sich nun etwas Besonderes einfallen lassen.

Kennt ihr das? Ihr geht morgens aus dem Haus, macht euch auf den Weg zur Bahn und am Straßenrand seht ihr die erste Zigarettenkippe liegen. Ihr geht um die Ecke und neben einem Mülleimer liegen auf dem Boden Plastikverpackungen, ein leerer Energydrink, Taschentücher und ein ToGo-Kaffeebecher. Ein Bild, das ich schon zu oft gesehen habe. Und auch, als ich mich an diesem Morgen gemeinsam mit einem Freund auf den Weg zur Verleihstation des Kanu- und Kajakverleihers „Die Zugvögel“ mache, ziehen unachtsam weggeworfene Müllreste entlang des Flussufers meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein wenig Wind und all das landet im Fluss.

„Alle sollen die Möglichkeit haben, sich am Schutz unserer Flüsse und damit unserer Umwelt zu beteiligen.“

Anna Bröll, geschäftsführende Inhaberin von Die Zugvögel

Anna Bröll, geschäftsführende Inhaberin der Firma „Die Zugvögel“, und ihr Team beobachten das ebenfalls häufig. „Immer wieder sehen wir Müll im Fluss treiben.“ Vermutlich vom Wind hineingeweht oder durch höhere Pegelstände vom Ufer mitgeschwemmt. „Nachdem wir zusätzlich in der Zeit des Corona-Lockdowns beobachtet haben, dass unheimlich mehr Müll im Bereich der Ufer anfällt, wollten wir unseren Flüssen etwas Gutes tun.“ Die Idee der ÖkoKajaks war geboren. An drei Verleihstationen der Zugvögel steht nun je ein ÖkoKajak kostenfrei zur Verfügung, um Müll auf dem Fluss zu sammeln. „Alle sollen die Möglichkeit haben sich am Schutz unserer Flüsse und damit unserer Umwelt zu beteiligen“, so Anna Bröll.

Müll sammeln und dabei kostenlos paddeln

Wir sind an diesem Tag auf der Rems unterwegs, die sich vom Ostalbkreis aus durch das Remstal bis hinunter in den Landkreis Ludwigsburg schlängelt und dort in den Neckar mündet. An der Verleihstation in Weinstadt-Endersbach wartet Stefan, Mitarbeiter der Zugvögel, mit ÖkoKajak „Endi“ auf uns. Kurzerhand werden wir mit Paddel, Schwimmwesten und Müllsäcken ausgestattet, sowie einem wasserdichten Behälter für Wertsachen – falls wir kentern, versteht sich. Damit das aber bestenfalls nicht passiert, gibt Stefan uns an der Einstiegstelle eine Einweisung und kurzdarauf kann sie losgehen – die Paddeltour in nachhaltiger Mission. 

Ein paar eifrige Paddelschläge und der Fluss schwemmt uns bereits das erste Fundstück entgegen. Eine Plastikflasche, die ihrem Aussehen nach wohl schon etwas länger auf dem Fluss treibt. Spätestens jetzt ist der Ehrgeiz geweckt: In dem knallgrünen, als Haifisch designten ÖkoKajak steuern wir immer wieder das Flussufer an und fischen verschiedenste Verpackungen, Folien, Flaschen sowie andere Abfälle aus dem Wasser und aus Bäumen und Sträuchern. Von der Neugier getrieben paddeln wir fleißig flussaufwärts. 

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Zusammensetzung des Mülls, welcher am Flussufer während der Jahre 2016 bis 2020 gefunden wurde. | Quelle: Eigene Darstellung, Daten: Plastic Pirates Europe

Zu unserer Überraschung finden wir einen auf dem Wasser treibenden Fahrradreifen, der wie eine Art Magnet schon mehrere Müllteile an sich gebunden hat. Unweigerlich stellt sich mir die Frage, wie der Reifen seinen Weg in den Fluss gefunden hat: war es vielleicht nur ein Versehen oder doch pure Absicht? Stefan bestätigt mir: „Bei solchen Funden, kann man davon ausgehen, dass sie nicht zufällig im Fluss landen.“ Er erzählt von Autoreifen und einer Autobatterie, die sie am Ufer gefunden haben. „Wir haben das dann zu einer naheliegenden Werkstatt gebracht, die sich um die entsprechende Entsorgung gekümmert hat.“

Die richtige Entsorgung 

Die korrekte Entsorgung von Abfällen spielt eine entscheidende Rolle, nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht. „Wer seinen Müll richtig entsorgt und konsequent trennt, hilft, dass wir überhaupt erst die Chance haben, Wertstoffe zu erhalten“, so Sebastian Löschner von der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises Ludwigsburg. Landet der Müll im Fluss, werden dem Wertstoffkreislauf dadurch wichtige Wertstoffe entzogen: „So etwas ist pure Ressourcenverschwendung“, mahnt Löschner. 

„Alles was unachtsam in die Landschaft geworfen wird, landet unweigerlich in unseren Meeren“

Inga Ritter, Greenpeace Stuttgart

Die ökologischen Folgen von Abfällen, die in unsere Umwelt gelangen, sind laut Inga Ritter, Sprecherin für Greenpeace Stuttgart, verheerend. „Alles was unachtsam in die Landschaft geworfen wird, landet unweigerlich in unseren Meeren“, betont sie. An oder in Gewässern lebende Tiere verfangen sich darin und verenden. Außerdem verwechseln sie die treibenden Müllreste mit Nahrung und ersticken daran oder verhungern. „Bei knapp 90 Prozent der verendeten Seevögel finden wir Plastik im Magen“, so Inga Ritter. Eine besondere Gefahr sieht sie zudem im Prozess der Plastikzersetzung. Während sich der Plastikmüll in immer kleiner werdendes Mikroplastik auflöst, werden zusätzlich verschiedenste chemische Giftstoffe freigesetzt, die von Fluss- und Meerestieren aufgenommen werden. „Früher oder später wird das unweigerlich auch von uns aufgenommen“, bemerkt Ritter. Zum Beispiel wenn die Forelle zum Abendessen auf dem Teller landet.

Mit ÖkoKajak "Endi" kann in Weinstadt-Endersbach auf der Rems gepaddelt und dabei Müll gesammelt werden.
Verpackungen und leere Flaschen oder Dosen ziehen wir an diesem Tag am häufigsten aus dem Wasser.
Der größte Fund während unserer Paddeltour: ein Fahrradreifen, der mitten auf dem Fluss treibt.
Nach kurzer Zeit lässt sich das Ergebnis bereits sehen: Verpackungen, Styropor und Folien.
So macht Umweltschutz Spaß.
Nach gut einer Stunde auf dem Wasser, darf ÖkoKajak "Endi" wieder anlegen.

Eine Win-Win-Situation für Natur und Freizeitspaß 

Nach gut einer Stunde paddeln lässt sich das Ergebnis sehen: Die Tonne ist halbgefüllt mit allerlei Abfällen, die im Fluss nichts zu suchen haben. Ein Ergebnis, das sich mit den Erfahrungen des Zugvögel-Mitarbeiters Stefan deckt. „Es kommt selten vor, dass die Leute gar nichts finden“, erzählt er. Zudem seien die Rückmeldungen der ÖkoKajak-Paddler*innen positiv. „Bei den Leuten kommt es super an, Freizeitspaß auf dem Wasser mit einer guten Tat zu kombinieren.“ Inga Ritter sieht das auch so: „Eine gute Tat ist es allemal und enorm wichtig, um ein Bewusstsein für unsere Umwelt zu schaffen.“ Dennoch, betont sie, können solche Initiativen nicht das Problem der Vermüllung unserer Landschaft lösen. Jede Reise jedoch, beginne stets mit einem kleinen ersten Schritt.

Kleine Schritte bewirken bekanntlich Großes – und in dem Wissen, einen kleinen Beitrag zum Schutz unserer Umwelt geleistet zu haben, darf das Paddel nun hochgezogen und die Ruhe auf dem Fluss genossen werden.

Hast du auch Lust mit dem ÖkoKajak loszuziehen?

An den Verleihstationen in Bietigheim-Bissingen, Ludwigsburg-Hoheneck und Weinstadt-Endersbach steht je ein ÖkoKajak kostenfrei zur Verfügung – einfach anrufen und nachfragen ob die ÖkoKajaks gerade an Land oder auf dem Wasser sind. Die passende Ausrüstung sowie Müllsäcke und Greifzangen bekommst du von den Zugvögeln. Mehr Infos findest du auf der Website der Zugvögel.