Sportpsychologie 5 Minuten

Mind over matter: Die Psychologie hinter einer erfolgreichen Sportroutine

Baumelnde Sportschuhe vor einer grünen Kulisse
Endlich mehr Sport machen - aber wie? | Quelle: Leonie Spreng
17. Mai 2024

„Dieses Jahr treibe ich endlich mehr Sport!" Den Vorsatz, sportlich aktiver zu sein, kennen wir alle. Leider verpufft der Optimismus oft in kürzerster Zeit und der Vorsatz ist Geschichte. Antworten, wie es endlich funktioniert, finden sich in der Psychologie.

Viele Menschen berichten, sie hätten keine Zeit für Sport. In unserem vollgestopften Alltag ist es herausfordernd, sich Zeit für Bewegung einzuräumen, die unter Umständen nur wenig Freude bereitet. Ralf Brand zufolge handelt es sich hierbei um ein weltweites Phänomen. Der promovierte Sportpsychologe forscht an der Universität Potsdam im Bereich der Gesundheitsverhaltensänderung und sieht neben der fehlenden Zeit einen weiteren Grund, warum das Etablieren einer Sportroutine so schwerfällt: Sport mache nicht automatisch jedem und jeder Spaß und fällt vielen ebenso wenig leicht. Wie also sollte man das Problem angehen?

Die Phasen den Verhaltensänderung

„Dem Vorsatz Sportroutine unterliegt psychologisch gesprochen zunächst einmal der Prozess einer Verhaltensänderung“, so Ralf Brand. Dieser Prozess lässt sich in vier Phasen aufteilen. In der ersten Phase der Verhaltensänderung, der sogenannten motivationalen Phase, gelte es, die Motivation aufzubringen, das neue Verhalten erstmalig zu produzieren. Motivation heißt hierbei, ein Ziel zu identifizieren und zu setzen, von dem man glaubt, dass es wertvoll ist. Dieses Ziel könne beispielsweise heißen: „Ich möchte zwei Mal pro Woche Sport machen.“ Man artikuliert also die Absicht, sein Verhalten ändern zu wollen. 

Um eine Gewohnheit zu entwickeln, gilt es, die vier Phasen der Verhaltensänderung zu durchlaufen: Die motivatonale Phase, die volitionale Phase sowie anschließend das Wiederholen, bis das Verhalten schließlich zur Gewohnheit wird.
Um eine Gewohnheit zu entwickeln, gilt es, die vier Phasen der Verhaltensänderung zu durchlaufen.
Quelle: Leonie Spreng (in Anlehnung an ein Interview mit Ralf Brand)

Im Anschluss folgt die volitionale Phase. Volitional heißt so viel wie „durch den Willen bestimmt“. Die Absicht wandelt sich in dieser Phase zu einem festen Vorsatz. Das Ziel „Ich möchte zwei Mal pro Woche Sport machen!" wird also mit Willen untersetzt. Dieser Teil des Prozesses ist essenziell: Denn oft gelingt es nicht, ein Ziel auch in Verhalten umzusetzen. Dazu braucht es zusätzlich Selbstkontrollkraft, welche in der volitionalen Phase hinzukommen muss. Sind diese Schritte geschafft, bleibt lediglich eines zu tun: Wiederholen, wiederholen, wiederholen.

Laut der Psychologin Phillippa Lally vom University College London dauert es im Schnitt 66 Tage, bis sich eine Gewohnheit festigt. In ihrer Studie „How are habits formed: Modelling habit formation in the real world” aus dem Jahr 2010 beschreibt sie, dass dieser Zeitraum je nach Person, Verhalten und Umständen variieren kann.

Auch James Clear schreibt in seinem Buch „Atomic Habits" von der Kraft der Konsistenz. Diese sei unabdingbar, um erfolgreich eine Gewohnheit zu etablieren. Denn nur, wer Verhalten wiederholt, könne Fortschritte machen, so der Autor.

Unabhängig davon, wie viele Tage es nun dauern mag: Mit ausreichend Konsistenz beim Wiederholen des Verhaltens wird der Vorsatz, zwei Mal pro Woche Sport zu machen, von einem motivational und volitional energetisierten Verhalten schließlich zu einer automatisch ausgeführten Routine, die keine Kraft mehr benötigt.

Verhaltensänderung bewirken – aber wie?

So weit, so gut. Doch wie genau schafft man es, den gesamten Prozess durchzuhalten und den Vorsatz in eine Gewohnheit umzuwandeln? Um die motivationale Phase erfolgreich zu durchlaufen, rät Ralf Brand zunächst dazu, verschiedene Arten von Sport und Bewegung auszuprobieren. Die eine richtige oder beste Sportart gebe es nämlich nicht. Jedoch passen manche Formen von Bewegung besser zu einer Person als andere. Man sollte sich also zunächst reichlich Zeit nehmen, um zu testen, was Spaß macht. Erst dann gilt es, sich auf eine Sportform festzulegen.

„Es gibt nicht so was wie die beste Sportart für die Gesundheit oder die beste Sportart, um zu fit zu werden. Vielmehr ist es so, dass sich Passung ergeben muss zwischen dem, wie ich bin und der dazu passenden Form von Bewegung.“

Prof. Dr. Ralf Brand

Um die volitionale Phase zu bestehen, empfiehlt der Sportpsychologe konkretes Planen. Es ginge darum, Vorsätze in Pläne zu übersetzen, damit aus Zielen Verhalten wird. Ein konkreter Plan wäre beispielsweise: „Um meine Ziele zu erreichen, gehe ich am Montag und Donnerstag abends um 17 Uhr mit meinem besten Freund oder meiner besten Freundin joggen in den Park.“ Diese Art von klarer Zielsetzung bzw. vorheriger Planung beschreibt auch James Clear in seinem Buch „Atomic Habits“ als effektive Strategie, um eine Gewohnheit zu etablieren.

Keine Angst vor Rückschlägen

Egal in welcher Phase: Verhaltensänderungen brauchen Zeit. Ralf Brand betont daher die Wichtigkeit der Geduld mit sich selbst und insbesondere dem Umgang mit Rückschlägen. Der Schlüssel zur Verhaltensänderung liege darin, während der ersten Wochen auf Rückschläge gefasst sein zu müssen.

„Der Schlüssel zur erfolgreichen Verhaltensänderung liegt darin, dass man während der ersten Wochen auf Rückschläge gefasst sein muss.“

Prof. Dr. Ralf Brand

Es ist nicht einfach, einen Vorsatz von Tag eins an perfekt umzusetzen. Gerade anfangs ist es normal, dass die Sportpläne sich doch wieder in Luft auflösen oder die Disziplin fehlt. Das sei kein Grund sich aufzugeben, so Ralf Brand: „Denn gerade diese Rückschläge helfen uns dabei, dazuzulernen und beim nächsten Anlauf gewappneter zu sein.“

* Transparenzhinweis: Die Redakteurin ist mit dem Experten verwandt.