Mikroplastik

Life in plastic - is it fantastic?

Unter dem Mikroskop sieht es hübsch aus, aber Mikroplastik ist überall und nicht immer harmlos.
16. Mai 2023
Von praktisch zu praktisch überall: Mikroplastik ist in der Natur, im Wasser, in der Luft und in unserem Körper. Es wurde im Blut, im Margen-Darm-Trakt und in Plazentas gefunden. Wie kommt es dahin? Und wie drastisch könnten die Folgen sein?

Mikroplastik ist in aller Munde. Matthias Völkl von der Universität Bayreuth erklärt, dass zwischen zwei Arten von Mikroplastik unterschieden wird: primärem und sekundärem Mikroplastik. „Primäres Mikroplastik wird von Menschen bewusst gemacht“, sagt Völkl. Die Kunststoffteilchen fördern gewisse Eigenschaften von Produkten wie zum Beispiel Peelings oder Wandfarbe. „Sekundäres Mikroplastik dagegen entsteht, wenn große Plastikteile, sogenanntes Makroplastik, in der Umwelt degradiert“, sagt Völkl. Durch Reibung oder UV-Strahlung wird es also immer kleiner. Bei Plastikfragmenten zwischen fünf Millimeter und einem Mikrometer spricht man dann von Mikroplastik, alles darunter ist Nanoplastik. 

Primäres Mikroplastik, wie diese Plastikperle aus einem Peeling, ist von Menschen bewusst gemacht.
Sekundäres Mikroplastik kann in Form, Farbe und Größe sowie in der Zusammensetzung sehr unterschiedlich sein.

Mikroplastikpartikel können sich in Form, Größe und Additivierung unterscheiden. Es handelt sich zum Beispiel um kleinste Fasern von Kleidung aus Kunststoffen wie Polyester, oder Teilchen von Plastikverpackungen aus Polyethylen.

Additivierung beschreibt die Zugabe von Hilfs- und Zusatzstoffen, die bestimmte Eigenschaften eines Stoffes verbessern oder überhaupt erst möglich machen. Das können bei Plastik zum Beispiel Farbstoffe oder Weichmacher sein.

Über verschiedene Wege

Mikroplastik gerät auch in unseren Körper. Mit Wasser und Nahrung gelangt es in unseren Verdauungstrakt. Über die Luft atmen wir Mikro- und Nanoplastikpartikel ein und unsere Haut nimmt Nanoplastik zum Beispiel aus Kosmetik und Pflegeprodukten auf.

Umweltpartikel sind schädlicher als Laborpartikel

In Studien wird oft mit sogenannten Laborpartikeln gearbeitet. Der Vorteil: Laborpartikel sind gut charakterisiert. Größe, Material, Farbe, Form und Zusatzstoffe sind bekannt. Während gealterte Partikel und Umweltpartikel neu charakterisiert werden müssen und sehr verschieden sind.
In einer Studie haben Völkl und weitere Forschende der Universität Bayreuth herausgefunden, dass sich die Effekte von Laborpartikeln und verwitterten Plastikpartikeln auf die Zellen von Mäusen deutlich unterscheiden.
Dafür wurden Laborpartikel in UV-Kammern bestrahlt, um die Umweltzersetzung zu simulieren. Diese Umweltpartikel zeigten andere und schädlichere Effekte auf Zellen als die Laborpartikel. Das Mikroplastik in der Umwelt kann also mehr gesundheitliche Risiken bergen. Das primäre Mikroplastik, das bewusst Produkten beigefügt wird, ist hingegen ähnlich zu den Laborpartikeln.

Mikroplastik in der Zelle

Effekte von Plastikpartikeln auf die Zelle können noch von weiteren Faktoren beeinflusst werden.
Plastik ist als Polymer eine Kette von vielen einzelnen Monomeren. Sind diese vollständig polymerisiert, also gut aneinander angegliedert, gibt es wenige Monomer-Rückstände. Da diese Monomere giftig sind, gilt: Je höher der Monomer-Rückstand, desto giftiger sind die Plastikpartikel. 
Bei der Verwitterung können die Polymerketten durch UV-Strahlung zerbrechen. Bei den Additiven ist es genau das gleiche: In den Laborpartikeln sind sie gut eingebaut und geschützt. Durch die Alterung brechen die Partikel auf und die Zusatzstoffe können freigesetzt werden. Diese können dann toxisch auf die Zellen wirken. Völkl erklärt: „Wenn Zelle und Partikel interagieren, haben wir gesehen, dass auch die Form der Partikel wichtig ist“. Die kugelförmigen Laborpartikeln riefen wenig Schaden hervor. Die gealterten Partikeln seien dagegen auseinander gebröckelt und hätten dann scharfe Kanten gehabt. Das habe vermutlich auch einen deutlichen Einfluss auf die Schädlichkeit der Partikel für Zellen. „Wir konnten aber auch Effekte, die auf DNA-Schäden hinweisen, zeigen, die wir für Laborpartikel nicht sehen konnten“, erklärt Völkl. Um die Auswirkungen von Plastikpartikeln auf Säugetiere zu verstehen, ist es also wichtig, auch mit naturnahen Partikeln zu arbeiten.

Was das für den Menschen bedeutet

Wenn wir die Mikroplastikkonzentration in der Natur weiterhin steigen lassen, hat das früher oder später auch drastischere Konsequenzen für uns. Denn so steigt auch die Mikroplastikkonzentration in unseren Körpern. „Wenn auf der unteren Ebene der Nahrungskette etwas passiert, dann zieht sich das natürlich nach oben durch und deshalb sind die Auswirkungen auf den Menschen immer auch ein Teilaspekt“, erklärt Matthias Völkl.

Was man als Einzelperson tun kann

Dem Mikroplastik vollständig zu entgehen, ist unmöglich. Aber jeder Einzelne kann zum Beispiel: Plastikverpackungen so gut es geht vermeiden, Klamotten aus Kunststofffasern in einem Beutel waschen, der Mikroplastik auffängt, die Inhaltsstoffe von Kosmetikprodukten genau durchlesen, Essen in Glas statt in Plastikbehältern in der Mikrowelle aufwärmen und natürlich Plastikmüll trennen und zum Recycling bringen. Denn wenn kein Plastik in die Natur gelangt, wird es auch weniger Mikroplastik geben.

Der Sonderforschungsbereich (SFB) Mikroplastik der Universität Bayreuth beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Mikroplastik in der Umwelt und forscht zu Lösungen und Alternativen.