Jäger als Umweltschützer

"Ich sitze allemal am längeren Hebel"

Der sichere Umgang mit Schusswaffen gehört zu den Grundvoraussetzungen des Jagens.
12. Apr. 2020

Während andere Kinder in seinem Alter Zeit auf dem Fußballplatz verbtrachten, lernte Michel* nach der Schule mit Schusswaffen umzugehen. Früh ging er mit anderen Jägern auf den Hochsitz, um von ihnen zu lernen. Der heute 26-Jährige ist mittlerweile seit acht Jahren Jäger in Schleswig-Holstein. Ein Hobby, das häufig erst einmal auf Kritik stößt.

*Dieser Name wurde im Folgenden auf Wunsch des Protagonisten von der Redaktion geändert.

Wie bist du dazu gekommen, Jäger zu werden?

Im Grunde genommen durch meinen Opa und seine Freunde. Die haben mich da so ein bisschen dazu gebracht.

War dein Opa auch schon Jäger?

Nein, mein Opa nicht. Aber seine Freunde waren Jäger und dann bin ich da einfach ein bisschen mit reingewachsen. Mit denen durfte ich sogar mal mitgehen zum Jagen. Da habe ich natürlich selber noch nicht geschossen, das ist klar.

Aber da warst du schon noch sehr jung, oder?

Ja, da war ich so 13 oder 14 Jahre alt. Kurz danach bin ich dann auch Sportschütze geworden und mit 18 habe ich dann direkt meinen Jagdschein gemacht.

Also hattest du relativ früh schon mit Waffen zu tun?

Damit wächst man einfach ein Stück weit auf und ich finde es einfach wichtig, dass man damit umgehen kann. Du kriegst ja schon als Kind auf dem Jahrmarkt ein Luftgewehr in die Hand gedrückt. Sicherer Umgang ist das A und O. Und das habe ich alles schon als Jugendlicher gelernt.

Jetzt gibt es ja Leute, die denken, dass Jäger einfach nur in den Wald gehen und Tiere erschießen. Was entgegnest du denen?

Das ist völliger Schwachsinn. Also wenn ich Zeit habe, gehe ich vielleicht zwei Mal die Woche jagen, manchmal aber auch nur zwei Mal im Monat. Grundsätzlich kümmert sich ein Jäger um die Flora und Fauna. Und im Schnitt schießt man nur alle zehn Mal ein Tier. In einem Jahr sind das so um die zehn Tiere, die ich erlege. Ansonsten kümmere ich mich zum Beispiel um den Schutz und das Einzäunen von Maisfeldern und den Anbau von Blühstreifen und sogenanntem Wildacker, sodass Wildtiere dort zur Ruhe kommen können. Im Winter füttern wir die Tiere auch, wenn die durch den Schnee nicht mehr an ihre Nahrung kommen. Und durch den Abschuss von Raubwild schützt man wiederum auch andere Tierarten, wie zum Beispiel Fasane, Singvögel oder Rebhühner. Im Grunde sind wir deshalb auch keine „Tiermörder“.

Das ist völliger Schwachsinn.

Michel zu der Aussage, dass Jäger einfach nur in den Wald gehen und Tiere erschießen

Wirst du häufig als Tiermörder abgestempelt?

Selten, eigentlich fast gar nicht. Im Freundeskreis kennt mich ja jeder so wie ich bin. Wenn ich jetzt bei Instagram ein Bild von der Jagd poste, auf dem ein totes Tier erkennbar ist, muss ich das natürlich schon kommentieren. Aber auch dann war das nur ein Tier aus einer ganzen Rotte (mehrere Wildschweine, Anm. d. R.) oder einem Rudel, das ich gezielt erlegt habe. Das ist schon was anderes als bei Massenschlachtungen auf Schlachthöfen, deshalb finde ich das gut vertretbar. Bei mir stirbt kein Tier unnötig, anders als in der herkömmlichen Fleischindustrie. Aber trotzdem ist das auch für mich als Schützen nicht immer leicht, damit klar zu kommen.

Inwiefern ist das nicht leicht, damit klar zu kommen?

Manche Tiere liegen mir einfach mehr am Herzen, dann hat man eine andere Verbundenheit. Wenn man zum Beispiel Rehe im Revier aufgezogen hat und man später ein anderes (keines der eigenen) erlegen muss, zögert man schon etwas: „Mache ich das jetzt, mache ich das nicht?“. Manchmal muss es einfach gemacht werden, das gehört auch dazu. Dann hat man zwar ein Tier töten müssen, aber etwas für die Umwelt getan. Und vor allem hat man Leute mit vernünftigem Fleisch versorgt, die sonst welches im Supermarkt kaufen würden. Und dann hebt sich bei mir dieses schlechte Gewissen wieder auf.

Was geht da in dir vor, wenn du das Tier siehst, und kurz davor bist den Abzug zu drücken?

Du musst erstmal das richtige Wild ausfindig machen, das du vom Jagdgesetz und vom jeweiligen Pächter schießen darfst. Dann bekommt man Adrenalinschübe. Aber du musst ruhig bleiben, damit der Schuss sitzt. Das ist jedes Mal eine Überwindung. Wenn das alles stimmt und man sich zu 100 Prozent sicher ist, dann schießt man auch.

Was gibt dir dabei den besonderen Kick?

Die Herausforderung, immer etwas Neues zu erleben. Wenn man sich an ein Wildschwein heran pirscht auf 30 oder 40 Meter und alles geben muss, um leise zu sein. Das ist Adrenalin pur! Aber ich genieße auch einfach die Natur um mich herum und weiß, dass ich etwas für die Umwelt machen kann. Ich kann da einfach mal vom Alltag abschalten und unterbewusst wird natürlich so ein Jagdinstinkt befriedigt.

Ist das ein rein männlicher Jagdinstinkt?

Ne, Frauen haben den auch! Ich kenne genug Jägerinnen, die das Gleiche empfinden. Das war vor ein paar Jahren noch nicht so, aber es wird immer mehr. Ich finde es gut, dass Frauen der männlichen Jägerschaft zeigen, dass sie es draufhaben!

Ich finde es gut, dass Frauen der männlichen Jägerschaft zeigen, dass sie es draufhaben!

Michel über den Jagdsport als Männerdomäne

Genießt du auch eine Art Macht über die Natur?

Nein, das ist keine Macht. Das ist zu weit gegriffen, aber am längeren Hebel sitzt man allemal. Schließlich habe ich immer noch ein Gewehr dabei und kann über Leben und Tod entscheiden.

Was hältst du von der Aussage, dass man, wenn man Fleisch ist, das Tier auch selbst erlegen können muss?

Davon halte ich nicht so viel, ehrlich gesagt. Klar ist das von Vorteil, wenn man sich mit dem Lebenszyklus eines Tieres auskennt von der Geburt bis zum Tod und eben auch in der Weiterverarbeitung. Ich würde es aber nie voraussetzen. Solange die Leute wissen, was für ein hochwertiges Lebensmittel sie da essen dürfen, finde ich das in Ordnung.

Jetzt sehe ich hier auch das ein oder andere Geweih an der Wand, und Tierfelle als Teppich, ist das für dich Prestige?

Für mich nicht, nein. Ich kenne da aber auch andere Jäger, die sind da wirklich sehr geil darauf. Die schießen nur die dicksten Hirsche und Rehböcke. Zahlen dann für das Geweih bis zu 7.000 Euro und hängen sich das an die Wand und denken, sie sind die Tollsten. *lacht* Für mich ist es eher die Erinnerung an einen schönen Jagdtag. Ich jage nicht für die Trophäensammlung. Mir geht es um das Erlebnis und um ausgewähltes gutes Fleisch.

Hast du dadurch, dass du Jäger bist, einen leichteren Umgang mit dem Tod?

Schwer zu sagen. Ich habe trotzdem Angst vor dem eigenen Tod.

Und mit dem Tod von Angehörigen?

Das kann man nicht vergleichen, finde ich. Das eine ist ein Tier, das andere ist ein Mensch. Da kann ich schon klar trennen.

In Schleswig-Holstein ist ja der Wolf im Moment fast täglich in den Nachrichten. Ein Kindergarten in Dithmarschen hat sogar vorrübergehend geschlossen, weil ein Wolf in der Nähe Schafe reißt. Wie stehst du da als Jäger zwischen Landwirtschaft und Politik?

Wenn die Politik den Wolf in der freien Wildbahn haben möchte, muss man sich auch darum kümmern. Das ist nicht das Problem der Jäger. Ich kann die Politik verstehen, dass der Wolf erhalten bleiben soll. Keine Frage, es ist ein schönes Tier, aber nachts alleine im Wald möchte ich dem Wolf auch ungern begegnen. Ich kann auch die Anwohner und Landwirte verstehen. Der Wolf ist aber ein Tier auf der roten Liste. Wer ihn schießt, begeht eine Straftat.

Würdest du auf den Wolf schießen, wenn du müsstest?

Wenn der Wolf dem Bundesjagdgesetz unterliegt und ein Abschuss dazu gehört, wie der eines Fuchses zum Beispiel, dann wäre es okay. Auch wenn jetzt Schäfer ankommen und berichten, dass der Wolf dutzende ihrer Schafe gerissen hat und die Jäger schießen sollen. Es ist für uns Jäger eine Straftat. Wobei es auch in Schleswig-Holstein eine explizite Freigabe für genau einen einzigen gesichteten Wolf gibt. Aber wie soll man den einen von anderen unterscheiden? Und man muss vorher vom Umweltministerium eine E-Mail mit der Erlaubnis erhalten. Das ist doch ein Witz! Das ist nicht meine Sache, das ist die Sache der Politik. Da halte ich mich raus.