Angst vor Psychopharmaka

Risiken und Nebenwirkungen

Amineurin 10 von Hexal ist nur eines von vielen Medikamenten gegen Depressionen
31. Jan. 2019

Nach Angaben der WHO sind rund 322 Milionen Menschen von Depressionen betroffen, was 18 Prozent mehr als vor zehn Jahren sind. Heilmittel unter dem Begriff „Psychopharmaka“ versprechen Besserung, werden aber mit all ihren Nebenwirkungen in der Gesellschaft sehr kritisch gesehen. Ob solche Medikamente wirklich das Wesen eines Patienten verändern und ob die Nebenwirkungen mit einem Behandlungserfolg abzuwägen sind, soll hier beantwortet werden.

Im Jugendalter merkte Dominik das erste Mal, dass seine Traurigkeit und Antriebslosigkeit nicht „normal“ sein können. Er hatte keinen Appetit mehr und der immer gut gebaute Junge wurde dünner und dünner. Seine Freunde erkannten den damals 13-Jährigen nicht wieder. „Oft habe ich zwei bis drei Tage nichts gegessen, einfach weil kein Hungergefühl da war“, kommentiert Dominik. Neben den körperlichen Beschwerden nahmen auch die schulischen Leistungen ab und er wurde vom Gymnasium auf die Realschule versetzt. „Am heftigsten waren die Konzentrationsprobleme. Man sitzt dann da und fragt man sich schnell, was soll das hier? Man will sich einfach nicht mehr auf den Schulunterricht konzentrieren“, beschreibt der heute Erwachsene seine damalige Lage. 

„Oft habe ich zwei bis drei Tage nichts gegessen.“

Dominik

Die Idee, nach professioneller Hilfe zu fragen, kam Dominik nach langer Zeit der Depression selbst im Alter von 14 Jahren, zusammen im Gespräch mit der Familie. Auch Selbstmordgedanken haben ihn damals dazu bewogen. „Wenn sich die Leute mit Selbstmord beschäftigen, wie man sich am besten umbringen könnte, bekommen sie Angst vor sich selbst“, meint Zarife Oral, Betreuerin auf einer der geschlossenen Psychiatrie-Station „PSY 2“ des Christophsbades Göppingen dazu. Dass sei dann auch definitiv der Punkt, in ärztliche Behandlung zu gehen und der Einnahme von Medikamenten zuzustimmen.

Nach einer mehrmonatigen stationären Behandlung in der KJPP des Christophsbads Göppingen, das steht für Kinder und Jugendpsychiatrie, begann für Dominik danach das Leben mit einem Anti-Depressiva  und dessen vielseitigen Nebenwirkungen: „Übelkeit, Schweißausbrüche und zittrige Hände sind die Standard-Nebenwirkungen“, so Dominik. 

Die gefühlsdämpfende Wirkung des Medikaments beginne erst nach einem Monat. Solche Tabletten sorgen für eine Abschwächung negativer Emotionen und Ängste, dämpfen dabei aber gleichzeitig jegliche anderen Emotionen. „Das ist der Hauptgrund, weshalb Betroffene so viel Skepsis zeigen“, stellt Zarife Oral klar. Die Leute könnten sich bei glücklichen Ereignissen nicht mehr richtig freuen, weil die Umwelt passiver, sozusagen weniger real, wahrgenommen wird. „Nebenwirkungen wie sexuelle Probleme sind auch nicht auszuschließen, und obwohl nicht zwingend möglich, verschrecken solche Dinge natürlich Betroffene“, erläuterte die Psychiatriepflegerin weiter. Trotzdem dürfe man bei schweren psychischen Erkrankungen nicht vor den Nebenwirkungen und einer Therapie zurückschrecken. In der Depression unter Einnahme von Psychopharmaka, wo positive und negative Gefühle gleichermaßen unterdrückt werden, helfe ein Medikament, wie bei der Behandlung von Depressionen grundsätzlich, deshalb nur eine entsprechenden Begleittherapie, so Oral. Im Gehirn wird von Anti-Depressiva die Kommunikation von Zellen über chemische Botenstoffe verändert. Zum Beispiel wird dadurch der für Glück zuständige Neurostansmitter Serotonin weniger schnell abgebaut, was einem Serotonin-Mangel entgegenwirkt. Nur weil das die psychische Verfassung verbessert, könne ohne Therapie aber kein langfristiger Erfolg erzielt werden.

Nach etwa zwei Jahren Psychotherapie und mit Hilfe der von Psychopharmaka konnte auch Dominik an seinen Depressionen arbeiten und verbesserte seine Situation. Er fand wieder Motivation für die Schule und machte letztendlich über den zweiten Bildungsweg sein Fachabitur in Wirtschaft. „Für mich ist es unverständlich, wenn Leute Angst davor haben, dass Psychopharmaka sie verändern könnte. Oder die, die sagen, dass die Medikamente dein Wesen schädigen“, meint Dominik. Bei nicht erwarteten Nebenwirkungen müsse man darüber mit seinem Arzt kommunizieren, damit der ein anderes Präparat verschreiben kann. Und weil man mit Depressionen so oder so in einer misslichen Lage sei, dürfe man von Beginn an keine Angst vor positiven Veränderungen haben.