Faktencheck

„Muslime mögen heute die Opfer gewesen sein, sonst sind sie die Täter.“

Nach dem neusten Global Terrorism Index verzeichneten 67 Länder im Jahr 2017 mindestens einen Todesfall durch Terrorismus. (Symbolbild)
25. Apr. 2019

Am 15. März 2019 kamen bei einem Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch (Neuseeland) insgesamt 50 Menschen ums Leben, 50 weitere wurden teilweise schwer verletzt. Daraufhin veröffentlichte der australische Senator Fraser Anning auf Social Media: „Sagen wir es klar, ­Muslime mögen heute die Opfer gewesen sein, sonst sind sie die Täter.“

 

Wer sind die Opfer von Terroranschlägen?

2017 kam es laut dem nationalen Konsortiums für Terrorismusforschung und Terrorismusbekämpfung („Study of terrorism and responses to terrorism“; kurz: START), einem Forschungs- und Bildungszentrum an der University of Maryland, zu 10.900 Terroranschlägen. Hierbei sind mehr als 26.400 Menschen ums Leben gekommen. Laut des jährlichen Background Reports verzeichnen die Länder Irak (24%), Afghanistan (23%) und Syrien (8%) die meisten Opfer.
Da es keine spezifischen und aktuellen Statistiken über die religiöse Zugehörigkeit der Opfer von Terroranschlägen gibt, können hier keine genauen Zahlen aufgeführt werden. In Syrien gehören allerdings 90 %, im Irak 97% und in Afghanistan 99% der Bevölkerung dem Islam an. Aufgrund dieser Zahlen lässt sich schlussfolgern, dass eine Mehrzahl der Opfer der Terror-Anschläge in diesen Ländern Muslime waren.

Der Global Terrorism Index (GTI), welcher sich auf die Daten der Globalen Terrorismusdatenbank bezieht (GTD) und jährlich vom Institute of Economics & Peace veröffentlicht wird, stuft 163 Ländern danach ein, wie sehr sie vom Terrorismus betroffen sind. Die Zahl der Todesopfer aus Westeuropa belief sich dagegen 2017 auf weniger als 1% im Gesamtüberblick. Insgesamt verzeichnete sich hier einen Rückgang des Terrorismus. Im Vergleich zu 2016 ist die Zahl der Todesopfer laut aktuellem Global Terrorism Index (GTI) um 52%, von 168 auf 81, gesunken. Der GTI verzeichnet für Gesamt-Europa einen Rückgang der Attentatsopfer um 75%. Dieser starke Rückgang kann dadurch erklärt werden, dass in 2015 und 2016 mehrere Terroranschläge in Europa verzeichnet wurden (Paris, Berlin, Brüssel). Zuletzt gab es einige schwere Anschläge in Europa, doch die Zahlen zeigen auf, dass der Terrorismus in anderen Regionen der Welt viel aktiver ist.

Aus diesen Statistiken lässt sich schließen, dass Muslime, entgegen Annings Aussage sie seien üblicherweise die Täter, nicht nur Opfer der Gewalttat in Christchurch waren, sondern auch in vielen anderen Terroranschlägen die Betroffenen sind.

Wer sind die Täter von Terroranschlägen?

Ähnlich wie bei den Opfern, ist es nahezu unmöglich, Quellen zu finden, die die religiöse Zugehörigkeit der Täter benennen. Jedoch zeigt der START Bericht von 2017 auf, dass die Mehrzahl der terroristischen Angriffe nicht von Einzeltätern, sondern von Gruppen, durchgeführt werden. Vier der fünf am häufigsten für Terroranschläge verantwortliche Gruppen sind islamistisch motivierte Vereinigungen: der „Islamic State of Iraq and the Levant“ (auf deutsch: IS), die „Taliban“, „Al-Shabaab“ und „Boko Haram“. Bei der fünften, nicht-islamistischen, Gruppe handelt es sich um die „New People‘s Army (NPA)", eine kommunistische Partei aus den Philippinen.

Hierauf basierend lässt sich, genau wie bei der Analyse der Opfer, nur vermuten, dass es sich bei den meisten Terroristen ebenfalls um Muslime handelt.

In Westeuropa dagegen wird laut GTI-Bericht die Mehrheit der terroristischen Anschläge von Einzelpersonen mit rechtsextremen, weiß-nationalistischen oder anti-muslimischen Überzeugungen begangen. Demnach ist Fraser Annings Pauschalisierung der Muslime als Täter nicht zutreffend.

Nicht überprüfbar

Fraser Annings Aussage bezieht sich auf einen neuseeländischen Terror-Akt und reflektiert seine Ansichten als rechtspolitischer australischer Senator.
Seiner Aussage nach sind Muslime eher Täter als Opfer. Aufgrund der oben aufgeführten Fakten lässt sich jedoch vermuten, dass die Mehrheit von Attentatsopfer muslimischer Herkunft ist. Ebenfalls lässt sich schlussfolgern, dass es sich auch bei den Tätern primär um Muslime handelt.
Aufgrund der fehlenden Daten über die religiöse Zugehörigkeit von Tätern und Opfern kann Annings Aussage jedoch nicht vollständig widerlegt werden und gilt als nicht überprüfbar. Die Aussage erlaubt nur Vermutungen und Schlussfolgerungen über die Thematik, basierend auf anderen Daten.

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