Wieso wir 2020 immer noch den Feminismus brauchen.

„F“ wie in Feminismus

„As a woman I have no country. As a woman my country is the whole world.“ -Virginia Woolf
10. Aug. 2020

Feminist*innen kämpfen seit Jahrzehnten für die Rechte und Anerkennung der Frau. Vieles wurde bereits erreicht, doch wir sind noch lange nicht am Ziel der Gleichberechtigung angekommen. Auch nicht in Deutschland. So wie wir den Feminismus im letzten Jahrhundert gebraucht haben, so brauchen wir ihn auch heute noch.

Ein Land wie Deutschland, in dem eine Frau Bundeskanzlerin und andere Frauen in der Politik tätig sind, kann gar kein Patriarchat sein. Soweit so richtig. Jedoch verbergen sich auf den zweiten Blick ernüchternde Zahlen hinter dem Traum der Gleichberechtigung. Sie zeigen deutlich, in welchen patriarchalen Strukturen wir auch 2020 noch leben. Im Bundestag sind lediglich 221 von 709 Plätzen von Frauen belegt. Es dürfte auch nicht mehr überraschen, dass Frauen im Beruf für die selbe Tätigkeit, circa 21 Prozent weniger Gehalt bekommen, als ihre männlichen Kollegen. Das verquere Machtgefüge sticht hier besonders heraus.

Die Menschheit ist männlich, und der Mann definiert die Frau nicht an sich, sondern in Beziehung auf sich; sie wird nicht als autonomes Wesen angesehen.

Simone De Beauvoir

Der Sexismus, dem Frauen täglich ausgesetzt sind, beginnt allerdings nicht erst im Job oder auf dem Weg ins Wahllokal und lässt sich auch nicht nur in Zahlen festhalten. Er beginnt zuhause, in der Schule, auf dem Spielplatz. Am 12. Juni 2020 veröffentlichte das Magazin Bravo den Artikel „10 Dinge, auf die Jungs bei Mädels mehr stehen, als perfektes Aussehen!“. Punkt 8 auf der Liste: „Viele Mädels haben mit dem Essen so ihre Probleme. Boys finden das hingegen gar nicht cool! Kalorien zählen? - Da rennen die meißten Jungs weg und suchen sich lieber ein Mädel, dass eine gesunde Einstellung zum Essen hat.“ Von den Rechtschreibfehlern abgesehen, festigt der Artikel bei Jungen und Mädchen ein ganz bestimmtes Bild von dem, was eine Frau zu tun und zu lassen hat. Diese Zeilen erinnern stark an Bücher wie "Good House Wife’s Guide" von 1955, in dem festgelegt wird, wie die Frau zu einer guten Hausfrau wird. Einen Guide, wie die Frau zu einer „guten Frau“ wird brauchen wir 65 Jahre später nun wirklich nicht mehr.

Doch nicht nur die Popkultur, auch die deutsche Gesetzgebung legt der Selbstbestimmung und Freiheit der Frau Steine in den Weg. So sind Schwangerschaftsabbrüche immer noch im Strafgesetzbuch als §218 gelistet und die Vergewaltigung in der Ehe wird erst seit dem 1. Juli 1997 als Straftat verfolgt.

„Aber feministische Weltherrschaft ist keine Option. Erstens, weil Weltherrschaft generell keine Option ist, und zweitens, weil es um die Abschaffung von Herrschaft geht und nicht um ihre Umkehr.“

Margarete Stokowski

Der Amerikaner Pat Robertson sagte über den Feminismus: „Die feministische Agenda sieht nicht die Gleichberechtigung der Frau vor. Es handelt sich vielmehr um eine sozialistische, anti-familiäre politische Bewegung, die Frauen dazu ermutigt, ihre Ehemänner zu verlassen, ihre Kinder zu töten, Hexerei auszuüben, den Kapitalismus zu zerstören und lesbisch zu werden.“ Offensichtlich hat er keinerlei Idee von dem, worum es wirklich geht. Feminist*innen wollen kein Matriarchat und erst Recht nicht ihre Kinder töten, sie wollen darüber entscheiden können, wann, wo und ob sie überhaupt ein Kind auf die Welt bringen und sich endgültig vom strukturell diskriminierenden Herrschaftssystem verabschieden.

Es muss damit begonnen werden, Frauen und Männern gleichermaßen den Feminismus nahezubringen. Wir sind beim Thema Gleichberechtigung lange noch nicht am Ziel angekommen und müssen zusammen weiterhin dafür einstehen.