26. Febr. 2024

Schönheitsideale: Früher war es Kate Moss mit dem "Heroin Chic", heute Kim Kardashian mit ihrem BBL. Beauty Standards wandeln sich mit der Zeit, allerdings tauchen sie nicht aus dem Nichts auf. Ihr Hintergrund basiert auf internalisiertem Rassismus. Ein Kommentar.

Schon seit jeher ist die Gesellschaft von Schönheitsidealen geprägt. Insbesondere Frauen müssen sich immer und zu jeder Zeit anhören, warum ihr Gesicht schön sei und warum nicht. Wie ihre Haut am besten aussieht, wie ihre Figur zu sein hat, wo man Speck haben darf und wo nicht. Die Liste ist endlos und was das Ganze noch anstrengender macht – sie ändert sich ständig.

Diese Schönheitsideale sind nicht einfach aus der Luft gegriffen. Die Merkmale und Standards, die die Gesellschaft Frauen kontinuierlich aufdrängt, haben durchaus einen Hintergrund. Dieser Hintergrund basiert auf internalisiertem Rassismus. Also ja – Schönheitsideale können rassistisch sein.

Das Vorbild der perfekten Frau, das die westliche Welt in den Neunzigern und in den Zweitausendern geprägt hat, ist uns allen bekannt. Es wurde uns schon in jungen Jahren in der Werbung, in Filmen und in TV-Shows wie „GNTM“ eingetrichtert: Möglichst dünn, glatte Haare, eine kleine Nase, hohe Wangenknochen und die definierte „Jawline“. Das Extrembeispiel dafür war das sogenannte „Heroin Chic“, das durch Kate Moss verkörpert wurde. „Size zero“, blass und fast schon androgyn. Durchgesetzt hat sich diese Extremform nicht lange, doch die grundsätzlichen Merkmale dieses Ideals sind erst mal geblieben.

Aber warum ist dieser Schönheitsstandard nun rassistisch? Weil all die gerade genannten Idealvorstellungen größtenteils auf weiße, kaukasische Frauen zutreffen. Dieses Schönheitsideal lässt viele Frauen mit beispielsweise afrikanischer, südamerikanischer, indischer oder anderer Herkunft jahrzehntelang außen vor. Und viel schlimmer – verursacht Minderwertigkeitskomplexe, deren Hintergrund schlichtweg rassistisch ist. Im wissenschaftlichen Magazin Environmental Justice wurde dieses Jahr erforscht, dass Beauty Standards nicht-weiße Frauen verstärkt dazu bewegen, schädliche Produkte wie Hautaufheller oder chemische Glättungsmittel zu benutzen, die ernsthafte gesundheitliche Probleme mit sich bringen können. Und nein, nicht jede weiße Frau ist dünn und nicht jede schwarze Frau ist curvy. Nichtsdestotrotz ordnet die Gesellschaft bestimmte Eigenschaften verschiedenen Herkünften zu und bedient sich daran.

Wie die Zeit das so an sich hat, haben sich diese Ideale inzwischen wieder verschoben. In den letzten Jahren legen die Schönheitstrends auf ganz andere Sachen Wert: Fake-Tan, Locken, dicke Lippen und natürlich der Brazilian Butt Lift (BBL). Allein zwischen 2015 und 2020 stieg die Anzahl der BBL-Operationen weltweit um 78 Prozent, wie eine Studie der International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS) zeigt. Vorreiter und animierendes Beispiel dafür waren und sind die Kardashians. Das ist allerdings vielen ein Dorn im Auge. Denn die Kardashians sind – wenn man das so sagen kann – weiß. Sie haben weder natürlich gebräunte Haut, noch von Geburt an große Lippen, noch sind ihre großen Hintern einer magischen Work Out-Routine oder gar ihren Genen zuzuschreiben.

So manch einer fragt sich jetzt, warum es gesellschaftlich als kulturelle Aneignung betrachtet wird, sich als weiße Person Dreadlocks in die Haare zu flechten, aber sich das Gesäß und die Lippen aufspritzen zu lassen nicht. Aus diesen Gründen, wegen exzessivem Fake-Tanning und diversen frisurtechnischen Entscheidungen wurde sowohl den Kardashians, als auch vielen anderen Promis, „Blackfishing“ unterstellt.

Blackfishing ist eine Form der kulturellen Aneignung, die vor allem weiße Künstler*innen aus der Popkultur als Marketingstrategie nutzen. Dabei verändern sie sich optisch so, dass sie sich als schwarz, beziehungsweise nicht-weiß, inszenieren können.

Der Spieß wurde somit quasi umgedreht. Vor zwanzig Jahren waren Schönheitsideale problematisch, weil der europäische Standard die Vorgabe war. Merkmale, die mit anderen Herkünften in Verbindung gebracht werden, wurden ausgegrenzt. Jetzt liegt das Problem eher darin, dass Attribute im Trend sind, die nicht der „typischen weißen Frau“ entsprechen, was Aneignungsversuche wie Blackfishing zur Folge hat. Beide Gegebenheiten haben den gleichen Hintergrund, beziehungsweise auch die gleiche Folge: Rassismus.

Vorurteile findet sich leider immer noch überall. Auch was Beauty, Fashion und Trends betrifft. Ich persönlich finde die Frage zum Beispiel gerechtfertigt, wieso weiße Frauen mit Boxer Braids als modisch und trendy betrachtet, aber schwarze Frauen mit derselben Frisur wiederum als „ghetto“ bezeichnet werden.

Aber aufgepasst, bevor mir jemand das Wort im Mund umdreht: Nein, du bist nicht rassistisch, wenn du Trends verfolgst. Du bist auch nicht rassistisch, wenn du aussehen willst wie Frauen, die heute in den sozialen Medien als schön gelten. Genauso wenig halte ich dich für rassistisch, wenn du dir die Lippen auffüllen lässt oder Selbstbräuner benutzt. Wir sind nicht der Hintergrund, aus dem diese Ideale stammen. Trotzdem sollte man ihn sich vor Augen halten. Und da wir das alle schon hundert Mal gehört haben, schadet auch kein hunderterstes Mal: Wir sind alle schön, so wie wir sind.