Endometriose

Unsichtbarer Feind im eigenen Körper

Krampfende Unterleibsschmerzen während der Periode kennen viele Frauen. Doch was, wenn diese Beschwerden an der Tagesordnung stehen und das alltägliche Leben erschweren?
10. Dez. 2019

Etwa eine von zehn Frauen ist betroffen: Endometriose – die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung und für die Meisten komplett unbekannt. Das „Chamäleon“ der Gynäkologie präsentiert sich vielfältig und wird dadurch spät oder erst gar nicht diagnostiziert. Schmerzen während der Periode, Übelkeit und Erschöpfung gehören für betroffene Frauen zum Alltag. Rabea Jüttemann ist eine davon. Die 35-Jährige kämpfte jahrelang mit Schmerzen, bis sie endlich diagnostiziert wurde.

„Endometriose ist definiert als Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter“, fasst Stefan Renner, Chefarzt im Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Böblingen-Leonberg, zusammen. Bei der Erkrankung siedelt sich Gewebe ähnlich dem der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) im Unterleib an Eierstöcken, Eileitern, Darm oder der Blase an. Diese Endometriose-Herde werden in den meisten Fällen von den Hormonen des Monatszyklus beeinflusst. Folgen sind Entzündungsreaktionen, Vernarbungen und Verwachsungen sowie starke, chronische Unterleibsschmerzen. Genaue Ursache für die Entstehung von Endometriose ist bislang noch unklar.

Rabea ist eine der vielen Betroffenen Frauen in Deutschland. „Die ersten Symptome hatte ich schon wirklich früh“, berichtete sie. Bereits in ihrer Jugend vermutete Rabea, dass ihre Schmerzen während der Periode nicht normal sein können. Als sie bei Frauenärzten jedoch auf taube Ohren stieß und keinen Rat fand, dachte sie, dass diese Schmerzen vielleicht doch zum Frausein dazu gehören. Doch auch unabhängig vom Menstruationszyklus traten diese Schmerzen auf. Schmerzen, die selbst mit freiverkäuflichen Schmerzmitteln nicht zu bewältigen waren.

„Irgendwann war es so extrem, dass ich Ohnmachtsanfälle bekommen habe und mich vor Schmerzen erbrechen musste.“

Rabea Jüttemann
Rabea Jüttemann kämpfte zwölf Jahre mit Schmerzen, bis ein Arzt ihre Beschwerden ernst nahm.

Sogar als Rabea ihren normalen Tagesablauf nicht mehr nachkommen konnte und sich oft krankmelden musste, bestand noch kein Verdacht auf Endometriose. „Selbst Fachärzte waren nicht daran interessiert überhaupt erstmal herauszufinden, was mein Problem ist“, betonte sie. So ergeht es vielen Betroffenen. Bis zur Diagnose vergehen im Durchschnitt drei bis elf Jahre. Stefan Renner verdeutlichte auch, das den Betroffenen mehrfach sogar gesagt wird, das sei keine Endometriose, die Schmerzen seien ganz normal und dass man sich nicht so anstellen solle.

Nicht ohne Grund wird Endometriose das Chamäleon der Gynäkologie genannt, denn das Krankheitsbild kann bei den Betroffenen ganz verschieden aussehen. Auch viele Ärzte halten Endometriose für eine sehr rätselhafte Erkrankung. Neben häufigen Symptomen wie chronische Unterbauchschmerzen, starken Monatsblutungen oder Schmerzen beim Sex, gibt es auch zahlreiche unspezifische Begleitsymptome, welche die Diagnosestellung und ein klares klinisches Bild der Krankheit oft erschweren. Dazu kommt die mangelnde Bekanntheit. Viele Ärzte untersuchen nicht gezielt auf Endometriose, da der Zusammenhang zwischen Symptomen und einer gynäkologischen Erkrankung wenigen bewusst ist.

„Sie ist alles andere als selten, aber total unterrepräsentiert und unbekannt.“
 

Rabea Jüttemann

Diese Erkrankung bringt dazu mehr als nur Schmerz für die Betroffenen. „Sowohl die Stimmung, der Antrieb, der Schlaf und die Konzentration, als auch das Verhalten und die allgemeine Lebensfreude werden beeinträchtigt“, berichtet die Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.. Schmerzen beim Geschlechtsverkehr beeinflussen Partnerschaften, Freizeitaktivitäten müssen öfters ausfallen und im Job kann weniger Leistung erbracht werden. Rabea bestätigte, dass ihre Krankheit Lebensqualität raubt: „Weil man nicht mehr selbst entscheiden kann, was sind meine Interessen und was macht mir Freude, sondern die Krankheit bestimmt“.

Eine sichere Methode um Endometriose gezielt diagnostizieren zu können, ist die „Laparoskopie“ – auch bekannt als Bauchspiegelung. Während diesem Eingriff können Endometriose-Herde untersucht und entfernt werden. Diese Operation geht jedoch mit Risiken einher und sollte in zertifizierten Zentren durchgeführt werden. Daneben werden häufig Hormon- oder Antihormontherapien angewendet. In vielen Fällen wird die Anti-Baby-Pille verschrieben, um die Periode aussetzten zu lassen. Auf diese Art können zumindest mit dem Zyklus verbundene Schmerzen reduziert werden.

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Endometriose auf einen Blick. | Quelle: Eigene Darstellung

Für Rabea war nach der Diagnose klar: Sie wollte eine klare Antwort. Trotz anfänglichen Unsicherheiten, entschloss sie sich dazu eine Bauchspiegelung durchführen zu lassen: „Ich sehe jetzt mal das Positive an der ganzen Sache. Danach weiß ich definitiv, was mit mir los ist“. Nach der Untersuchung stellte sich heraus, dass Rabea an tief-infiltrierende Endometriose leidet. Die schwerste Ausprägung der Krankheit. Das bedeutet, Endometriose kann in die Tiefe von Geweben eindringen und neben entsprechenden Schmerzen auch zu Funktionseinschränkungen der betroffenen Organe führen.

Für ein hoffentlich schmerzfreies Leben wurde ein Großteil der Endometriose-Herde während einer zweiten Operation bei Rabea entfernt. „Das war für mich dann natürlich irgendwie eine Chance, dass ich gedacht habe, danach bin ich ein Großteil dieser schlimmen Schmerzen los“, erzählte sie. Doch während dem Eingriff kam es zu einer Komplikation und Rabea erlitt eine Nervenschädigung im kleinen Becken, wo sich bei Frauen unter anderem der Enddarm, die Harnblase und die Gebärmutter befinden. „Der Arzt meinte nach der OP, er hätte das Ausmaß völlig unterschätzt“, sagte sie enttäuscht. Noch heute stellen die Nervenschmerzen ein Problem dar, doch die 35-Jährige bleibt positiv.

„Es muss sich niemand für diese Erkrankung schämen. Die sucht sich niemand aus, die entsteht nicht, weil man sich ungesund ernährt oder einen schlechten Lebenswandel hat. Die kommt einfach.“

Rabea Jüttemann

Als Leiterin einer Selbsthilfegruppe auf Facebook, möchte Rabea anderen Betroffenen einen Ort für sicheren Austausch geben. Sie strebt vor allem danach, das Stigma um Themen wie Menstruation zu beenden und Frauen Mut zu geben, offen über ihre Beschwerden zu reden. Dazu wünscht sie sich, dass flächendeckend mehr Fachärzte zum Thema Endometriose ausgebildet werden und das Krankheitsbild kennen. Denn jedes weitere Jahr ohne eine klare Diagnose bedeutet für Betroffene mehr Schmerz, Frustration und schlechtere Heilungschancen. „Bleibt dran, bleibt hartnäckig“, gab Rabea anderen Betroffenen als Rat mit. Denn „starke Regelschmerzen sind nicht normal“.

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