Strafmündigkeit

Haftstrafen für Kinder?

Die AfD stellt einen Antrag auf die Senkung der Strafmündigkeit. Anders sei die Jugendkriminalität nicht zu bekämpfen. | Symbolbild: Sarah Dodds
12. Mai 2023
Die AfD fordert, die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre zu senken. Das Problem der Jugendkriminalität wird dadurch aber nicht gelöst. Warum Kinder keine Haftstrafe absitzen können und die Strafmündigkeit nicht gesenkt werden sollte. Ein Kommentar

Die Frage nach der Strafmündigkeit von Kindern und Jugendlichen wird seit dem Mord an der zwölfjährigen Luise aus NRW wieder stark diskutiert. Besonders auf den sozialen Medien äußern sich viele Bürger*innen für eine Senkung der Strafmündigkeit. 

Was sagt das Gesetz?

Die Frage der Strafmündigkeit ist gesetzlich in § 19 des Strafgesetzbuches (StGB) verankert: Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist. 

Ab dem vierzehnten und bis zum achtzehnten Lebensjahr gilt das Jugendstrafrecht. Eine Jugendstrafe dauert mindestens sechs Monate und höchstens fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das im Erwachsenenstrafrecht eine Haft von mehr als zehn Jahren vorgesehen ist, so wird das Höchstmaß der Jugendstrafe auf zehn Jahre heraufgesetzt (§ 18 JGG).

Eine der Petitionen wurde bisher über zweihunderttausend Mal unterschrieben. Die auf den Plattformen getätigten Aussagen sind meist höchst emotional und richten sich mit hasserfüllten Worten gegen die Mörderinnen von Luise. Die AfD reagiert prompt auf die emotionale Reaktion der Gesellschaft und stellt einen Antrag auf die Senkung der Strafmündigkeit um zwei Jahre. Typisch für die AfD, die Sympathie der Bürger*innen gewinnen wollen, aber das eigentliche Problem nicht lösen. Laut dem Gesetzesentwurf der Partei gibt es keine alternative Lösung für die Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität.

Die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen ist beunruhigend stark gestiegen.

Was Kinder wirklich brauchen 

Gewaltbereitschaft ist fast immer multifaktoriell und äußert sich meist durch die mangelnde Fähigkeit zur friedlichen Konfliktlösung. Laut Oliver Fricke, ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Stuttgart, brauchen Kinder Unterstützung dabei, ihre Emotionen in einem konstruktiven Prozess zu regulieren. Dabei sollten sie sich auf pro-soziales Verhalten stützen. Zwar ist ein Therapieplan auch für eine Jugendstrafe immer vorgesehen, doch das ändert nichts an den Argumenten, die für eine Strafmündigkeit ab vierzehn sprechen. Kinder befinden sich noch in der Entwicklung und können nicht immer das volle Ausmaß ihrer Handlung begreifen. Das bedeutet aber nicht, dass bei Straftaten von Kindern gar keine Konsequenzen folgen. Bei Jugendlichen greift das Jugendgericht ein, bei Kindern das Jugendamt. So wird nach einem Fall wie dem von Luise zum Beispiel geprüft, ob und welche therapeutischen Maßnahmen sinnvoll sind und ob die Kinder besser bei ihren Eltern oder in einer anderen Unterbringung aufgehoben sind. Für die Weiterentwicklung von Kindern ist gute Erziehung zielführender als ein Aufenthalt im Jugendarrest.

Welches Ziel soll eine Senkung bewirken und ist sie wirklich notwendig?

Viele der Senkungsbefürworter*innen erhoffen sich, dass eine niedrigere Strafmündigkeit abschreckend auf die Kinder und Jugendlichen wirkt. Nach dieser Logik müsste es in Ländern mit der Todesstrafe aber keine oder weniger Straftäter*innen geben und das ist nicht der Fall. Laut einer Studie aus dem Jahr 2012 sollen Länder mit der Todesstrafe sogar höhere Raten von Gewaltverbrechen wie Mord und Vergewaltigung haben, als Länder ohne Todesstrafe. Kinder lernen von ihrem Umfeld. Es wäre also kontraproduktiv, die sehr jungen Täter*innen mit Menschen zusammenkommen zu lassen, die potenziell gefährlicher sind als sie selbst. Ein Mord wie der an Luise ist ernüchternd und zieht natürlich ein hohes mediales Aufsehen mit sich, aber die meisten Straftaten von Kindern und Jugendlichen sind sogenannte „Jugendsünden“, die wahrscheinlich auch einige von uns in der Jugend selbst begangen haben. Dazu gehören Straftaten wie zum Beispiel Diebstahl, Sachbeschädigung oder Drogenkonsum. 

Viele Straftaten von Kindern und Jugendlichen sind so genannte "Jugendsünden".

Länder mit einer niedrigeren Strafmündigkeit verfolgen das gleiche Ziel

Auch in Ländern mit einer niedrigeren Strafmündigkeit, wie zum Beispiel der Schweiz geht es in erster Linie um Jugendhilfemaßnahmen. Dies wird den Kindern in der Jugendstrafe ermöglicht. Deutschland verzichtet bisher auf die Jugendstrafe vor vierzehn, aber die Ziele sind die gleichen. Die Kinder sollen in dem bestmöglichen Umfeld resozialisiert und, wenn notwendig, therapeutisch betreut werden.

Am Ende des Tages ist ein Mord, wie der an Luise, mit nichts zu entschuldigen. Aber das Problem der hohen Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen wird nicht durch eine Gesetzesänderung gelöst. Das Problem muss frühzeitig erkannt und an der Wurzel angegangen werden.