Rauchen 5

Tabakpolitik in Deutschland: Eine Zeitreise

Tabakprodukte und ein Grundgesetz.
Eine von vielen Maßnahmen: Schockbilder auf Tabakprodukten. | Quelle: Lucas Röhr
08. Febr. 2024

Weniger Tabakkonsum und Schutz von Nichtrauchern sind zentrale Ziele der Bundesregierung. Doch was hat sich im Hinblick auf die Tabakpolitik bereits getan? Eine Analyse. 

Rauchwolken von Zigaretten – sie waren früher ein ständiger Alltagsbegleiter. Egal ob in Bus und Bahn, Restaurants oder Talkshows: Geraucht wurde in Deutschland überall. Was früher normal war, ist heute unvorstellbar. Das ist nicht zuletzt der Politik zur Senkung des Tabakkonsums und dem Schutz von Nichtrauchern zu verdanken. Doch welche Maßnahmen hat die Bundesregierung über die vergangenen Jahrzehnte ergriffen?

„Anti-Rauch-Propaganda“ zur NS-Zeit

Während den 1930ern und 1940ern stach das Deutsche Reich mit seiner Anti-Rauch-Politik heraus: Für die nationalsozialistische Regierung, allen voran Adolf Hitler, war Tabak ein „Rassengift“ und musste bekämpft werden. Besonders rauchende Frauen passten nicht in das Bild der NS-Ideologie. „Die deutsche Frau raucht nicht!“, war einer der Slogans, die damals auf Plakaten zu lesen waren. Neben Anti-Rauch-Kampagnen gab es unter anderem auch Rauchverbote in öffentlichen Verkehrsmitteln oder für Schwangere. Wirklich wirksam waren die Maßnahmen jedoch nicht: Laut dem Deutschen Historischen Museum stieg der jährliche Konsum zwischen 1932 und 1939 von 570 auf 900 Zigaretten pro Kopf.

Zigarettenboom in der Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich ein regelrechter Zigarettenboom in Deutschland. Die Anti-Rauch-Propaganda wurde mit den Nationalsozialisten in Verbindung gebracht und Zigaretten standen auf einmal für Freiheit. Davon profitierten besonders die neu auf den Markt gekommenen amerikanischen Tabakhersteller. 1950 rauchten demnach fast 90 Prozent der Männer und 21 Prozent der Frauen in Deutschland, so das „Aerzteblatt“. Insgesamt war also über die Hälfte der Bevölkerung den Glimmstängeln verfallen.

Erst in den 70er-Jahren wurde das Rauchen in den Regierungen der damaligen Bundesrepublik Deutschland und Deutschen Demokratischen Republik wieder zum Thema. So kam es zu ersten Werbeverboten in Fernsehen und Rundfunk in der BRD sowie gewissen Rauchverboten in den Gaststätten der DDR. 

Erfolgreiche Maßnahmen und sinkende Quoten

Zum wirklichen Umschwung in der Gesellschaft kam es aber erst in den 80er-Jahren. Das Bewusstsein für die negativen gesundheitlichen Folgen des Rauchens verbreitete sich langsam in der Bevölkerung. 

Ende der 90er-Jahre ging es dann langsam voran mit den Gesetzen: Warnhinweise auf Zigarettenpackungen wurden Pflicht und eine Obergrenze für Teer im Zigarettenqualm festgelegt. Außerdem untersagte die Lufthansa 1998 das Rauchen auf allen Flügen. Obwohl der Gesamtanteil der Raucher*innen damals bereits zurückging, rauchte immer noch jeder zweite unter den jungen Erwachsenen.

2003 verbot die EU schließlich die Label „Light“, „Leicht“ oder „Mild“ für Zigarettenpackungen. Auch die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, abschreckende Bilder auf den Schachteln zu erzwingen, wurde eingeführt, von Deutschland aber abgelehnt. Und nicht nur das: Die Bundesrepublik versuchte damals auch vergeblich, gegen ein Werbeverbot in Printmedien und bei Sportveranstaltungen vorzugehen.  

Im Jahr 2007 war es dann so weit: Deutschland bekam ein Nichtraucherschutzgesetz. Dieses beinhaltete unter anderem ein Rauchverbot in Bussen, Bahnen und Behörden. Und auch die Werbeverbote wurden in diesem Jahr endlich an die EU-Richtlinien angepasst. Von nun an war das Werben für Tabakprodukte auch in Zeitschriften, Magazinen und im Internet nicht mehr erlaubt. Ein Jahr später wurden in den Bundesländern auch Verbote für öffentliche Gebäude und die Gastronomie erlassen, jedoch mit vielen Unterschieden und Ausnahmen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt dies heute als „Flickenteppich“.

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Im Mai 2016 wurden abschreckende Bilder auf Tabakprodukten Pflicht. Die Schockfotos von schwarzen Lungen und faulenden Füßen waren von nun an auf allen Zigarettenschachteln zu sehen. Dazu kamen das Verbot von Aromen sowie Werbebeschränkungen für E-Zigaretten. 

Ab dem Jahr 2021 folgten weitere Werbebeschränkungen für Kinos und Außenwerbeflächen. Auch Gratisproben vor Fachgeschäften wurden verboten. 

Neben den vielen gesetzlichen Vorschriften folgten über die letzten Jahre einige Steuererhöhungen und damit einhergehend eine deutliche Preissteigerung. Laut dem Deutschen Zigarettenverband (DZV) kostete eine Zigarettenschachtel im Jahr 2002 durchschnittlich 3 Euro. 2023 waren es wiederum ganze 8 Euro. 

Die deutsche Regierung hat in den vergangenen Jahrzehnten also zu zahlreichen Mitteln gegriffen, um den Tabakkonsum der Bevölkerung zu reduzieren. Doch wie wirksam waren die Maßnahmen? Grundsätzlich lässt sich festhalten: Sie scheinen Erfolge zu bringen. Deutschland verzeichne laut dem Bundesministerium für Gesundheit seit den 80er-Jahren sinkende Raucherquoten. Die neuesten Ergebnisse des Statistischen Bundesamts besagen, dass 2021, 15,7 Prozent der Frauen und 22,3 Prozent der Männer ab 15 Jahren rauchten. Besonders Kinder und Jugendliche würden im Vergleich zu früher oft gar nicht erst mit dem Konsum anfangen.

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Erst seit den 2000er-Jahren ist bei jungen Erwachsenen eine stetig sinkende Raucherquote festzustellen. | Quelle: Genially/Canva

Deutschland hinkt hinterher

Nach der Corona-Pandemie wurde die Bundesrepublik jedoch mit neuen Herausforderungen im Umgang mit dem Rauchen konfrontiert. Im August 2022 schlug etwa die „Deutsche Befragung zum Rauchverhalten“ wegen einer steigenden Quote Alarm. Laut der Langzeitstudie, die alle zwei Monate neue Werte liefert, sei der Anteil der Raucher*innen ab 14 Jahren seit Beginn der Pandemie um ein Viertel gestiegen. Diese Entwicklung sei einerseits auf den Corona-Stress zurückzuführen. Andererseits zähle Deutschland in Sachen Tabakpolitik noch immer zu den Schlusslichtern. Die Tabakkontrolle in Deutschland sei „lax“ und nicht nachzuvollziehen, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Sommer vergangenen Jahres. Rauchen sei zu günstig, die Rauchverbote nicht konsequent durchgesetzt. Trotz der Erfolge aus der Vergangenheit hat Deutschland also noch einen weiten Weg vor sich, wenn es darum geht „rauchfrei“ zu werden. 

Wie eine Ex-Raucher*in und Experten*innen aus dem Gesundheitswesen die Lage einschätzen lest, ihr in unserem Feature „Deutschland aus der Puste“.