Pflege

Alarmstufe Rot – Not in Deutschlands Pflegeberufen

Immer weniger Menschen wollen in der Pflege arbeiten, darunter leiden auch die Patienten.
06. Dez. 2019

Pflegenotstand herrscht in allen deutschen Bundesländern. Viele Kliniken und Pflegeheime suchen händeringend nach neuem Personal und das vergeblich. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind miserabel, aber was sind die Gründe dafür?

„Es kann schon mal vorkommen, dass man 13 Tage am Stück arbeiten muss, weil sich schon wieder jemand krankgemeldet hat“. Christin ist 27 und arbeitet seit acht Jahren in der Pflege. 

Aktuell arbeiten rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland in der Kranken- und Altenpflege. Bis zu 80.000 offene Stellen sind momentan vorhanden, Tendenz steigend.  Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit verdienen Vollzeitbeschäftigte in der Altenpflege rund 570 Euro im Monat weniger als ähnlich qualifizierte Beschäftigte in der Krankenpflege. Gründe dafür sind vor allem, dass die Träger der Altenpflegeheime an keinen Tarifvertrag gebunden sind oder privat geleitet werden.

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Bedarf an Pflegekräften in Deutschland bis 2035 | Quelle: Jasmin Setz

Experten und Beschäftigte in der Pflege berichten davon, dass der Pflegeberuf einfach nicht mehr attraktiv gestaltet ist. So auch Christin, die erzählt, dass die Arbeitsbelastung häufig zu groß ist. Neben ständigen Überstunden, die teilweise nicht erstattet werden und zusätzlichen Schichten von kranken Kollegen, die übernommen werden müssen, spielen auch immer häufiger körperliche und psychische Probleme eine große Rolle. Laut des Gesundheitsreports 2019 der Techniker Krankenkasse (TK) fallen Kranken- und Altenpflegekräfte pro Jahr ungefähr 23 Arbeitstage aus gesundheitlichen Gründen aus. Somit melden sich die Pflegekräfte acht Tage länger krank als dies Beschäftigte in anderen Berufsgruppen tun.

Nach Schätzungen des Deutschen Pflegerats sind Fachkräfte im Schnitt nur rund zehn Jahre im Beruf. Aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen, wie der stetige Wechsel zwischen Früh-, Mittag- und Nachtdiensten und der hohen Belastung, wenden viele Fachkräfte dem Beruf bereits nach einigen Jahren den Rücken zu. Pflegekräfte erleben immer häufiger, dass soziale und private Kontakte, sowie Probleme in der Ehe, Partnerschaft oder Familie neben dem Beruf auftreten. 

Wie kann der Beruf attraktiver gestaltet werden?


Johanna Knüppel, Pressesprecherin für den Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe, hat eine ganz klare Meinung: „Den Beruf gestaltet man attraktiv durch gute Arbeitsbedingungen, Aufstiegsmöglichkeiten im Laufe eines Berufslebens, durch eine breite Auswahl an Tätigkeitsfeldern und diese müssen politisch gestaltet und gewollt werden.“ Neben einer besseren Bezahlung, wünschen sich die Angestellten zum Beispiel mehr Personal, Aufstiegsmöglichkeiten, Freizeitausgleiche und eine höhere Wertschätzung des Berufes, schildert die Pressesprecherin.


Neue Pflegeausbildung soll junge Menschen anziehen

Das Bundesministerium für Gesundheit plant ab Anfang 2020 den Start einer neuen Pflegeausbildung. Die Auszubildenden sollen höher vergütet werden und bundesweit soll kein Schulgeld mehr fällig werden. Durch die neue Ausbildungsform soll die Qualität der Ausbildung mittels einer besseren Anleitung und Begleitung der Auszubildenden an Pflegeschulen und Ausbildungseinrichtungen erhöht werden. Darüber hinaus sollen die Absolventen zusätzliche Wechsel-, Einsatz- und Aufstiegsmöglichkeiten in allen Bereichen der Pflege bekommen. Die Zahl der Azubis soll im Bundesschnitt rund zehn Prozent zulegen und somit soll der Beruf auch wieder bei jüngeren Leuten attraktiver werden. Außerdem sollen 5.000 neue Weiterbildungsplätze geschaffen werden, um zum Beispiel Pflegehelfer zu vollwertigen Pflegekräften auszubilden.

„Die Pflege ist an politischen Entscheidungen nicht beteiligt. Da verhandeln andere, die den finanziellen Kuchen unter sich aufteilen. Die Pflege muss dankbar sein für das, was am Ende für sie übrig bleibt. Das passt nicht in die Zeit.“

Johanna Knüppel, Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe

Dabei muss diskutiert werden, was der Bevölkerung die Pflege wert ist und wie die pflegerische Versorgung in den kommenden Jahren aussehen soll. Die Mittel der Pflegeversicherung werden bald ausgeschöpft sein. Dies sind Diskussionen, die geführt werden müssen und daraus müssen Entscheidungen getroffen werden und zwar nicht erst dann, wenn es fünf vor zwölf ist, sondern mittel-, langfristig und vorausschauend, informiert die Pressesprecherin.


Neben Christin wünschen sich auch viele Pflegerinnen und Pfleger bessere Arbeitsbedingungen: „Ich liebe meinen Beruf zwar, aber generell würde ich mir einfach wünschen, dass sich die Rahmenbedingungen für Pflegeberufe verbessern würden.“