Mental Health 7 Minuten

Content Creator: Zwischen Likes & Leistungsdruck

Content Creator sitzt verzweifelt auf dem Boden, Ringlicht inklusive Smartphone und Laptop liegen neben der Person. Emojis in Form von Likes, Kommentaren und Follows schweben über dem Kopf.
Präsenzdruck & Hasskommentare auf Social Media: Alltag für Content Creator | Quelle: Katja E. Schadel
10. Dez. 2025

Content Creator teilen täglich ihr Leben in den sozialen Medien und sind abhängig davon, dass Follower ihren Content ansehen, liken, teilen und kommentieren. Dieser Druck kann sich stark auf die mentale Gesundheit auswirken.

In 2022 sorgte das plötzliche Abtauchen aus Social Media von Bianca Heinicke (bekannt als „bibisbeautypalace“) für Diskussionen. Die Content Creatorin zog sich kurz nach der Trennung von ihrem, mittlerweile, Ex-Mann Julian Claßen (bekannt als „julienco“), ohne Ankündigung aus jeglichen sozialen Medien zurück. Damit starteten Spekulationen rund um Ihre Person als auch um die Beziehung des Ex-Content Creator Pärchens und wann immer sie sich in der Öffentlichkeit zeigte, stürzte sich diese auf sie. 20 Monate war sie aus den sozialen Medien verschwunden, bis sie sich am 1. Januar 2024 mit einem Instagram Post zu Wort meldete, welcher über eine Millionen Likes verzeichnet. Hierin erklärt sie, wie der Beruf sie überfordert und überreizt hatte und wie sie während ihrer Pause wieder zu sich selbst fand.

Bianca Heinicke ist nicht die Einzige, die sich eine Pause von den sozialen Medien nehmen musste, um ihre mentale Gesundheit zu priorisieren.

Zusammenschnitt von Bildern der Influencer @biancaheinicke, @dagibee, @melina.sophie
(von rechts nach links): @biancaheinicke, @dagibee, @melina.sophie
Quelle: Instagram

„Zu viel Trash, zu viel Gossip, zu viel Meinungen, zu viel „mach doch mal..“ , zu viel „du musst“ .. zu viel ALLES.“

@Dagibee via Instagram, 19. Februar 2024

Content Creator-Kollegin Dagmara Kazakov, bekannt als „Dagi Bee“, unterhält über 6,5 Millionen Follower auf Instagram. 2024 mied sie für über zwei Wochen die sozialen Medien. Diese Pause begründete sie in einem Instagram Post damit, dass ihr alles zu viel wurde, unter anderem, weil sie in ihrem Job quasi nie eine Pause machen oder Urlaub nehmen könne. 

Ebenso Melina Sophie, auch bekannt als „LifeWithMelina“. Sie zog sich 2021 für mehrere Jahre aus der Öffentlichkeit zurück. Zu dem Zeitpunkt war sie sich sicher, sie würde ihre Social Media Karriere komplett beenden, kehrte jedoch dann im Mai 2024 wieder zurück und postete wieder regelmäßig auf ihren Kanälen. Ihre Fans freuten sich über die Rückkehr, welche allerdings nicht lange anhielt. Ihr letzter Instagram Beitrag liegt nun bereits über 78 Wochen zurück, ihr letztes YouTube Video erschien am 11. Juli 2024.  

„Du denkst, dass du alles erreicht hast, was du dir immer gewünscht hast, kannst aber trotzdem nicht glücklich sein.“

Melina Sophie, im Interview mit dem Tush Magazine

In einem ausführlichen Interview mit dem Tush Magazine sprach sie kurz vor ihrer Rückkehr 2024 über ihre Depressionen und welche Rolle Social Media dabei gespielt hat. In diesem Interview beschreibt sie Social Media als eine Art Droge, von welcher sie sich abhängig fühlte. Weiter sorge es dafür, dass sie sich ständig mit Anderen verglich und schlussendlich dazu, dass sie sich selbst verlor. 

Berufsrisiko Burnout

Alle drei Content Creator sprechen typische Merkmale eines potenziellen Burnouts an, weswegen ihre Pausen eine nachvollziehbare Reaktion sind. Ihr Berufsbild wird häufig belächelt und die Risiken und Nachteile oft nicht beleuchtet. 

Die Infografik trägt den Titel „Mögliche Burnout-Auslöser für Content Creator“. Auf der rechten Seite ist eine Illustration einer Person mit Smartphone, Herzsymbol und Sprechblase zu sehen, die typische Social-Media-Interaktionen darstellen. Links sind drei farbige Balken mit Auslösern aufgeführt: Konkurrenzdruck mit der Erklärung „(Ständiger) Vergleich mit Personen aus der Branche“, Negative Kritik mit der Erklärung „Kommentare unter Posts, Direktnachrichten, negative Presse“ und Fehlender Plattform-Suppor
Die mentalen Belastungsfaktoren des Content Creator Jobs werden oft übersehen
Quelle: Absatzwirtschaft

Eine in 2025 veröffentlichte Studie der EBS Universität bestätigt, dass es vielen Influencern und Content Creator ähnlich ergeht. Durch den Druck, permanent online sein zu müssen und den Erwartungen der Follower gerecht zu werden, entsteht eine emotionale Belastung, was zu einem hohen Risiko von psychischen Erkrankungen führen kann. Weiter finden die Forschenden heraus, dass anfänglich motivierende Komponenten später Risikofaktoren bilden. Dabei identifizieren sie fünf Muster:

  1. Zugehörigkeit vs. Verlust echter Beziehungen, Angst vor Hate
  2. Prestige und Fame vs. Druck zur Selbstoffenbarung, Kontrollverlust
  3. Selbstverwirklichung vs. Identitätserschöpfung durch Dauerpräsenz
  4. Freiheit vs. Plattformregelungen und Follower-Erwartungen
  5. Finanzieller Erfolg vs. Zukunftsangst und monetäre Abhängigkeit

Zur vollständigen Studie.

Julyan Pohl im Reality-Check

Portrait von Julyan Pohl (July), Content Creator
Julyan Pohl teilt im Interview seine Erfahrungen als Content Creator
Quelle: Madaly GmbH

Bekannt unter dem Spitznamen July, teilt er seit mehreren Jahren regelmäßig Content auf Instagram, TikTok und Youtube. In seinen Videos kommentiert er Filme und Serien, wie beispielsweise die Amazon Prime Serie Maxton Hall. Weiter teilt er Vlogs von Reisen, Events und seinem Alltag. Schon vor seiner Selbstständigkeit hat er im Marketing/Social Media-Bereich gearbeitet. Nebenbei hat er bereits Content für seine eigenen Kanäle produziert, immer mehr Follower-Zuwachs erhalten und sich schließlich entschlossen, dieser Leidenschaft hauptberuflich nachzugehen. 

Reichweite als Währung

July hat vor seiner Selbstständigkeit den TikTok Brand Account eines Unternehmens verwaltet. Hierbei verspürte er keinen allzu großen Performance-Druck, da die Zielsetzungen sehr schnell übertroffen wurden. Dies änderte sich dann etwas, als er dem Beruf Content Creator hauptberuflich nachgeht. Anfangs war er vermehrt darauf bedacht, Kunden für sich zu gewinnen und positiv mit einer hohen Reichweite aufzufallen, um attraktiv für potenzielle Kooperationsmöglichkeiten zu wirken. Mittlerweile allerdings hat er bewährte Langzeitpartner, mit welchen feste Konditionen vereinbart sind. Das bedeutet, er muss sich kaum Sorgen um ein schwankendes Einkommen machen, da dieses nicht von Likes oder Aufrufen abhängig ist. Auch wenn es mal Phasen gibt, die besser oder schlechter laufen, beeinflusst ihn das nicht in einem großen Ausmaß und er schätzt dabei die Sicherheit durch Langzeitpartner. 

Kritik, Kommentare, Konsequenzen

Auch wenn es ihn nicht in einem großen Ausmaß beeinflusst, interessiert ihn die Performance seiner Videos. Nach dem Upload eines Videos, checkt er regelmäßig die Resonanz aus der Community – Likes, Views, Kommentare. Letzteres interessiert ihn besonders dann, wenn das Video eine persönlichere Message beinhaltet. Dabei ignoriert er Kommentare ohne ernstgemeinte Kritik und lässt sich davon nicht beeinflussen. Gelegentlich begegnet er solchen Kommentaren dann mit einer humorvollen Antwort. Viel mehr stört er sich an Kommentaren, welche explizite Falschaussagen verbreiten wollen und ist frustriert, sowas zu lesen zu müssen.

„Warum sollte ich mir Ratschläge von Jemandem anhören, in wessen Position ich nicht sein möchte?“

Julyan Pohl, im Interview mit dem edit.Magazin

July lässt sich nicht zu sehr von äußeren Meinungen beeinflussen, auch wenn das am Anfang seiner Karriere noch eher der Fall gewesen war, erinnert er sich. Während seiner Anfänge haben die Anzahl der Views darüber bestimmt, wie er gelaunt war. Er beschreibt, ähnlich zu Melina Sophie, ein Gefühl von Abhängigkeit empfunden zu haben. 

Wenn er einen Meilenstein, wie bspw. eine gewisse Followeranzahl erreicht hat, freut er sich über diesen Erfolg. Dieses Gefühl ist allerdings nur von kurzer Dauer und wird relativ schnell zur Normalität und er strebt sogleich nach dem nächst höheren Ziel. 

„Urlaubsanspruch“

…Ein Wort, das in jedem Arbeitsvertrag eines Angestellten aufgeführt ist und eine klare Regelung vorweist. Für Content Creator allerdings in aller Regel ein Fremdwort. July erzählt, dass er Arbeit und Freizeit nicht trennt und das aufgrund seines Contents auch nicht möglich wäre. Auch im Urlaub dreht er Videos und schaltet sein Handy nie aus. Dabei lässt er sich aber trotzdem Freiraum und postet meist nur dann, wenn er sich danach fühlt. Gelegentlich empfindet er dann eine „mentale Blockade“, wie er es beschreibt und ist mehrere Tage nicht motiviert zu posten. Dies führt zu einem gewissen Druck, da sein Erfolg vom Algorithmus abhängig ist und dieser Creator zwingt, regelmäßig zu posten, um relevant zu bleiben. Nach einer Pause sei es also schwieriger, Videos wieder in Einklang mit dem Algorithmus zu bringen. Diese Erfahrung deckt sich mit den Studienergebnissen der EBS Universität, vor allem bezogen auf das identifizierte Muster 4: Freiheit vs. Anpassung an Plattformregelungen (und Follower-Erwartungen).

Bambi vs. Büro

Trotz einiger Nachteile, wie der ständigen Erreichbarkeit und einem gewissen Druck zur konstanten Präsenz, überwiegen für July die Vorteile des Berufs Content Creator. Für Brands darf er um die Welt reisen und Events wie die Bambi Awards besuchen – eine von vielen Veranstaltungen, für die man keine Tickets kaufen kann. Das sieht er als einen der großen Vorteile seines Berufs an. Er würde jederzeit wieder die Entscheidung treffen, sich als Content Creator selbstständig zu machen. 

Hinter dem perfekten Social Media Feed

Die Einblicke der Content Creator zeigen, dass hinter dem Beruf mehr steckt als auf Reisen eingeladen zu werden, teure Produkte geschenkt zu bekommen und coole Events zu besuchen. Ein Traumjob ist es nur für diejenigen, die mit den Risiken des Berufes umgehen und diesen standhalten können. 

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