Hundeboom während Corona

Mit kleinen Welpen kommt große Verantwortung

Vor der Adoption sollte sich bewusst gemacht werden, welche Voraussetzungen und Herausforderungen ein Hund mit sich bringt.
20. Mai 2021
Immer mehr Menschen holen sich einen Hund nach Hause. Der durch Corona ausgelöste Hundeboom bereitet Tierschützer*innen Sorgen. Tierheimen könnte in naher Zukunft eine Hunderückgabe-Welle drohen.

Aus unserem Garten ist eine Festung geworden. Hohe Zäune säumen unsere kleine Wiese und zerbrechliche Pflanzen wurden in ein Gewächshaus verpflanzt. Wozu diese ganzen Schutzmaßnahmen? Der Wolf geht um!

Im Frühjahr 2020 haben mein Freund, seine Familie und ich uns zwei kleine Welpen geholt. Diese sind nun zu selbstbewussten Wolfshunden herangewachsen. Obwohl mein Freund sein Leben lang mit Hunden gelebt hat – es stecken immer neue Überraschungen in der Haltung von Hunden. Eine gute Vorbereitung, viel Geduld und das Verstehen der Bedürfnisse sind hierbei essenziell. Aber nicht nur wir haben uns die anfänglichen Lockdown-Zeiten mit kleinen Hundebabys versüßt.

Der Hundeboom in Deutschland

Im Vergleich zum Vorjahr wurden in Deutschland im Jahr 2020 über 24 Prozent mehr Hunde angemeldet. Diese Zahlen überraschen nicht. Seit Anbeginn der Corona-Krise arbeitet mittlerweile jede*r dritte Beschäftigte aus dem Home Office – Tendenz steigend. Man hat mehr Freizeit, hält sich die meiste Zeit zuhause auf und muss weitestgehend auf soziale Kontakte und Aktivitäten verzichten. Ein kleiner verspielter Hund kommt hier gerade recht. Er erheitert die Einsamen, unterhält die Kinder und gibt uns einen Grund nach draußen zu gehen. So weit so gut.

Aber was passiert, wenn Corona nicht mehr tagesaktuell ist und der gewohnte Alltag zurückkehrt? Das frühe Aufstehen, zur Arbeit fahren, die Kinder von A nach B bringen, sportliche Aktivitäten, das Feierabendbier in einer Bar. Wenn für einen Hund im „Leben vor Corona“ kein Platz war, dann wird er auch nach Corona wohl kaum die Zeit und Aufmerksamkeit bekommen, die er eben braucht. Der deutsche Tierschutzbund fürchtet sich dementsprechend vor einer Abgabewelle nach Corona.

Tierheime werden mit Anfragen überhäuft

Das ahnt auch Frau Wünn. Sie ist Leiterin des Tierheims in Stuttgart: „Täglich bis zu 100 Anträge! Vor Corona kamen am Tag nur ca. 50 Interessenten ins Tierheim.“ berichtet sie. Auf der einen Seite ist es schön, dass die Tiere eine*n Besitzer*in finden, jedoch ist es oft fraglich, ob es ihnen dann wirklich besser gehen wird als im Tierheim. Das professionelle Personal kennt die Bedürfnisse der Lebewesen, während manche Bewerber*innen den Hunden keine passende Lebensumgebung bieten können und unzureichend Wissen über die Hunderasse und ihre Besonderheiten haben. „Bei 80 Prozent der Anfragen, die wir per Mail oder telefonisch erhalten, handelt es sich um Interessent*innen, die nicht für eine Tierhaltung geeignet sind.“

Viele unseriöse Nachrichten und „Spontankäufer*innen“ treffen im Stuttgarter Tierheim ein. So einfach werden die Tiere jedoch nicht an neue Besitzer*innen vergeben. Auf die Vierbeiner wird gut geachtet. Bevor ein Hund umziehen darf, werden die Interessent*innen eng unter die Lupe genommen: „Bei uns kann man nicht einfach kommen, um ein Tier abzuholen. Vorab müssen sich die Interessent*innen bewerben.“ Sobald Frau Wünn und ihr Team der Meinung sind, dass der Interessent oder die Interessentin geeignet ist, bekommt diese*r erst die Kontaktdaten vom Tierpfleger oder der Tierpflegerin, um einen Besuchstermin vor Ort zu vereinbaren. „Hier fallen dann erneut 10 Prozent der Interessent*innen weg.  Bei den ‚Übriggebliebenen‘ machen wir dann einen Besuch im neuen Zuhause, um zu sehen, wie und wo das Tier künftig leben soll. Hier lernen wir alle kennen, die mit dem Tier zu tun haben werden. Erst danach entscheiden wir, ob ein Tier dorthin umziehen kann“, erklärt die Tierpflegerin.

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Familie und Tipps (2021): Ein Tier aus dem Tierheim holen | Bild: Maja Rubinstein

Auch beim Rottweil Züchter Schumacher wird viel Wert auf das Wohlergehen der kleinen Welpen gelegt: „Man muss halt gucken: Können sich die Interessent*innen das überhaupt leisten? Die Versicherung, das Futter, die Hundesteuer. Sind sie prädestiniert dafür? Haben sie einen sogenannten Hundeführerschein, also einen Sachkunde-Nachweis? Ohne den gibt es bei uns keine Hunde. Außerdem legen wir Wert darauf, dass die Hunde nicht weiter als 100 bis 300 Kilometer wegziehen, damit wir die kleinen Racker auch besuchen können, um nach ihnen zu sehen.“ 

Die negative Seite des Hundebooms

Während sich Tierheime und Hundezüchter an strenge Regeln halten, um das Wohlergehen der Lebewesen zu sichern, läuft es bei manchen Onlinehändlern allerdings anders ab. Aus sogenannten „Hundefabriken“ in Osteuropa gelangen durch illegalen Handel monatlich bis zu 50.000 kleine Welpen nach Deutschland. Der Hundeboom verschlimmert die Lage und führt dazu, dass immer mehr Tiere importiert werden. Die Hundebabys werden viel zu früh von den Eltern getrennt, sind verhaltensgestört, nicht geimpft und meistens krank. Übers Internet können diese ohne Weiteres gekauft und an einem Treffpunkt abgeholt werden. Der gesundheitliche Zustand und die rechtlichen Bedingungen um die Tiere werden den Käufern dabei natürlich verschwiegen. Um den unangemessenen Hundevermittlungen entgegenzuwirken, setzt sich der deutsche Tierschutzbund für ein Tierhandel-Verbot im Internet ein. Auch ebay versucht mit Aufklärung und Hilfestellungen illegalen Tierhandel vorzubeugen.

Mit diesem Pop-up-Fenster klärt ebay seine Nutzer über illegalen Tierhandel auf

So läuft eine Adoption richtig ab

Sollte die Entscheidung fallen, sich einen kleinen Vierbeiner anzuschaffen, wäre es am sichersten, sich an ein Tierheim oder eine*n Züchter*in zu wenden. Bevor der finale Schritt gewagt wird, ist es ratsam sich die folgenden Fragen nochmals genau anzuschauen:

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Das solltest du vor einer Hundeadoption wissen. | Bild: Maja Rubinstein

Mein Freund und ich sind damals alle Fragen durchgegangen und konnten uns sicher sein: Wir sind bereit für zwei neue Familienmitglieder. Jedoch ist dieses Gefühl nur eine Momentaufnahme. Mit den Hunden wachsen auch die Herausforderungen und man ist nie wirklich bereit für das was kommt. Wer hätte gedacht, dass ein zwei Meter hoher Zaun um den Garten gebaut werden muss, damit die unglaublich hochspringenden Hunde nicht abhauen? Oder wer hätte gewusst, dass sie bei jeder Verabschiedung ein zehnminütiges Heulkonzert halten würden? Das sind aber nur Kleinigkeiten, bei denen Lösungen gefunden und Kompromisse eingegangen werden. Warum? Weil man die Racker liebt und die Verantwortung für ihr Wohlergehen auf sich genommen hat.

Für unsere zwei Wolfshunde Rex und Reiko haben wir zwei Meter hohe Zäune gebaut