Klimaschutz 5 Minuten

Wir sterben nicht ohne Ananas im Regal

Ananas im Obstregal eines Supermarkts
Täglich werden 140 Tonnen Lebensmittel nach Deutschland geflogen. Ganz oben auf der Liste: Ananas aus Ländern südlich der Sahara. | Quelle: Danah Ruf
26. Febr. 2024

Exotische Früchte ade! Lidl setzt ein klimabewusstes Zeichen und streicht per Flugzeug importiertes Obst und Gemüse aus dem Sortiment. Doch die umweltfreundliche Maßnahme stößt auf Widerstand: Bevormundung beim Konsumverhalten und Sorge um die Bauern in den Erzeugerländern prägen die hitzigen Diskussionen. Ein Kommentar zur Debatte.

Keine Mangos und Ananas mehr im Supermarkt-Regal? Lidl hat angekündigt, in Deutschland künftig per Flugzeug importiertes Obst und Gemüse aus seinem Sortiment zu streichen. Der Umwelt zuliebe liegt in den Frischetheken des Discounters nur noch das, was auf dem Land- oder Seeweg gekommen ist. Eine gelungene Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel, wie ich finde.

Oh nein, nicht schon wieder dieses Thema. Immer diese Krisen. Die meiner Meinung nach längst überfällige Anpassung des Lebensmittelkonzerns stößt auf viel Kritik: „Nun würde man auch noch in seinem Konsumverhalten bevormundet werden“, ist das Grundrauschen der mittäglichen Pausengespräche bei dampfendem Kaffee. Außerdem würden auch die Bauern und Bäuerinnen in den Erzeugerländern ohne ihre Exporte zu Schaden kommen. Und während jeder an seiner Tasse schlürft und eigentlich am liebsten nicht darüber reden möchte, wissen wir doch alle tief in uns drin: Mit unserem „Immer-weiter-so-Zug“ knallen wir bald gegen eine Wand. So oder so – auch wenn wir weiterhin fleißig importieren, trifft der Klimawandel ironischerweise zuerst die Menschen in den Erzeugerländern. Oder besser gesagt: Sie können dann vom „Immer-weiter-so-Zug“ auf kleine Boote umsteigen. Denn der Meeresspiegel steigt weiter.

Grenzen ziehen: Warum Verzicht ein Gewinn sein kann

Keine Veränderungen zulassen, um Arbeitsplätze nicht zu gefährden - diese Rechnung geht auf Dauer sowieso nicht auf. Das hat auch Lidl erkannt. Und das schon seit geraumer Zeit. Der Flugwarenboykott von Lidl ist nicht neu. Im Gegensatz zum deutschen Markt verzichtet das Unternehmen in Ländern wie der Schweiz, Österreich oder Schweden bereits seit mehreren Jahren auf Flugware. Dort mussten sich die Verbraucherinnen und Verbraucher auch damit arrangieren, dass bestimmte Produkte nicht mehr das ganze Jahr über erhältlich sind. Warum ist Deutschland in diesem Punkt so spät dran? Kann es sein, dass die Deutschen einfach nicht auf ihren Luxus verzichten wollen? Wir möchten doch aber bitte Schokofondue mit Erdbeeren in der Adventszeit essen und den hippen Papaya-Salat aus dem Kochbuch ausprobieren. Dabei wird für ein Kilo eingeflogene Güter im Vergleich zum Seeweg 170-mal mehr CO2 in die Atmosphäre gepustet. Ist es das wert? Ich finde nicht. 

Aus diesem Grund achte ich beim Einkaufen schon lange auf die kleinen Schildchen mit dem Herkunftsland. Dann greife ich bewusst nicht zum grünen Spargel aus Peru, sondern warte bis er wieder Saison hat und aus Deutschland angeboten wird. Eine Entscheidung, für die ich auch das nötige Bewusstsein benötige. Viele Menschen haben das aber nicht und konsumieren ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn aber keine Flugware mehr angeboten wird, konsumiert die breite Masse ganz automatisch umweltfreundlicher. Ist doch eigentlich ziemlich cool? Außerdem verzichten in der ganzen Geschichte nicht nur wir, sondern auch der Discounter selbst. Denn eine Schmälerung des Sortiments bedeutet bestimmt keine Steigerung des Umsatzes. Kann da ein bösartiger Wille dahinterstecken? Wenn sogar kommerzielle Unternehmen wie Lidl Nägel mit Köpfen machen, sollten wir dankbar dafür sein. Vielleicht dürfen wir uns mal von dem Gedanken lösen, dass es nichts Schlimmes bedeutet, hin und wieder zu verzichten. Sondern uns auch einen Gewinn bringt. Denn nicht alles zu jeder Jahreszeit verfügbar zu haben, schenkt uns jede Menge Vorfreude und mehr Bewusstsein. Und während wir um einiges achtsamer durchs Leben stiefeln, können die über 3.200 deutschen Lidl-Filialen durch den Verzicht auf Flugware ganz nebenbei ihren CO2-Fußabdruck deutlich reduzieren. Eine Win-Win-Situation also.

Umdenken statt Zeigefinger

Zusammengefasst: Gerade fühlt es sich für mich so an, als würden wir alle in einem sinkenden Boot sitzen und dabei zusehen, wie Wasser durch das Leck sprudelt. Und während das Wasser hochblubbert, schleudert jeder seinem Gegenüber Argumente zu, warum er das Privileg hätte, nichts zu tun. Doch ist es nicht so, dass alles, was dem Planeten schadet, am Ende wie ein Bumerang zu uns zurückfindet? Darum lasst uns bitte damit beginnen, das Leck zu stopfen. Lasst uns von unserem „Immer-weiter-so-Zug“ abspringen und weich werden für Veränderung. Lasst uns endlich aufhören, dabei immer nur auf die anderen zu zeigen. Jeder von uns sollte im Winter, statt der Ananas nachzutrauern, mit einem Grinsen auf den Lippen zum Apfel aus Deutschland greifen. Sich dabei schon auf die nächsten Früchte im Sommer freuen und Lidl dafür auf die Schulter klopfen, anstatt über Bevormundung zu keifen.

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