Wenn Frauenkörper zu Fragezeichen werden
Dieser Kommentar fokussiert sich primär auf die Unterrepräsentation von Frauen in der Medizin. Medizinische Ungleichheiten betreffen aber auch viele andere Gruppen, die auch von Datenlücken betroffen sind: Intergeschlechtliche Personen, Transpersonen und Menschen unterschiedlicher Herkünften.
Die Medizin entwickelt sich immer weiter, jedoch gibt es immer noch eine große Lücke in der Medizinforschung, die sich vor allem auf Frauen auswirkt. Der „Women’s Pain Report 2025“ zeigt, dass Frauen in der medizinischen Forschung häufig benachteiligt werden, da der männliche Körper noch überwiegend als Maßstab in der Medizin dient. Dadurch werden die Beschwerden von Frauen häufig unterschätzt, erst nach Jahren richtig erkannt oder zuvor sogar fehldiagnostiziert. Frauen machen fast die Hälfte der Menschheit aus, also warum sollte man diese Ungerechtigkeit einfach hinnehmen?
Erstes Fragezeichen: Gender Health Gap?
Der Begriff „Gender Health Gap“ beschreibt die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in der medizinischen Forschung, Datenerfassung und Versorgung. Hierbei handelt es sich um einen nicht anerkannten und belegten Begriff, sondern eher um ein Konzept, das sich durch Indikatoren messen lässt. Sowohl Frauen als auch Männer können in bestimmten Bereichen benachteiligt sein. Männer erfahren eher Benachteiligung in der Suizidprävention, Frauen hingegen öfter in medizinischer Versorgung. Dieses Problem liegt an der jahrzehntelangen Annahme, dass Frauen- und Männerkörper gleich funktionieren und auf Medikamente gleich reagieren. Genau diese falsche Annahme zeigt, warum mehr auf Frauen eingegangen werden sollte: Frauenkörper funktionieren anders als Männerkörper. Frauen zeigen teils andere Symptome bei einem Herzinfarkt als Männer, was dazu führt, dass dieser häufig nicht als Herzinfarkt erkannt wird, die Beschwerden nicht sofort ernst genommen werden und die Behandlungen häufig später stattfinden.
Ein Herzinfarkt entsteht durch einen verminderten oder vollständig unterbrochenen Blutfluss, wodurch der Herzmuskel nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird.
Klassische Anzeichen eines Herzinfarktes sind unter anderem: Brustschmerzen, Atemnot, Schweißausbrüche, Übelkeit
Anzeichen, die bei Frauen auftreten können: Angst/Unruhe, Magenbeschwerden, Schmerzen in Schulter, Rücken oder Arm, Müdigkeit
Ein zusätzlicher Grund für die „Gender Health Gap“ ist die bestehende Datenlücke. Gebärfähige Frauen wurden aus klinischen Studien ausgeschlossen, aus Schutz vor Risiken für ungeborene Kinder. Ab 1993 war es in den USA vorgeschrieben Frauen in klinische Studien zu beinhalten, in der EU sogar erst ab 2014. Trotz dieser Vorschriften sind Frauen in vielen Studien noch unterrepräsentiert und viele Krankheitsbilder werden zu wenig erforscht. Die Forschung muss auf Frauen gezielter eingehen, um bisher unbekannte Ursachen für Krankheiten wie Endometriose endlich zu erforschen.
Zweites Fragezeichen: Endometriose?
Laut der Endometriose-Vereinigung Deutschland sind mehr als 190 Millionen Frauen weltweit von der Krankheit Endometriose betroffen. Was die wenigsten wissen – selten kann auch endometrioseähnliches Gewebe bei Männern gefunden werden. Bei Endometriose handelt es sich um eine Ansammlung von Geweben, welche außerhalb der Gebärmutterhöhle wachsen. Symptome für Endometriose sind unter anderem starke, krampfartige Regelschmerzen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Unfruchtbarkeit. Die unbekannten Ursachen, die lange Diagnosezeit und der Mangel an Forschung sind nicht die einzigen Probleme der eigentlich weitverbreiteten Krankheit. Deswegen ist Endometriose ein deutliches Beispiel für die Ungerechtigkeit im Gesundheitssystem: Die Schmerzen von Betroffenen werden oft heruntergespielt und als normale Menstruationsbeschwerden abgetan. Zudem werden ihre Beschwerden häufig falsch diagnostiziert.
Eine deutsch-österreichische Studie aus dem Jahr 2012 untersuchte 171 Studienteilnehmerinnen mit Endometriose. Die Ergebnisse der Studie bestätigen, dass die Forschung von Endometriose versagt: Die durchschnittliche Diagnose dauerte bei gynäkologischer Beratung 7,7 Jahre und insgesamt durchschnittlich 10,4 Jahre von den ersten Symptomen bis zur Diagnose.
Letztes Fragezeichen: Wie steht es um die Zukunft?
Die Antwort ist einfach: Frauen werden übersehen und das muss sich ändern! Deswegen ist es von höchster Notwendigkeit, dass nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr Zeit und politischer Wille in die Forschung von Frauen investiert wird. Frauen sind keine statistische Randgruppe, sondern Individuen, die einen Anspruch auf eine vollständige erforschte medizinische Versorgung haben und sich darauf verlassen können sollten, dass sie ernst genommen werden. In Deutschland soll es aber schon die ersten Fortschritte geben. Am 27. November 2025 beschloss der Bundestag, bis 2029 zwölf Millionen Euro für die Forschung und Versorgung rund um Frauengesundheit bereitzustellen. Solange diese Versprechen jedoch nur Worte bleiben und Frauen weiterhin in der Medizin übersehen werden, bleibt das System ungerecht.
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