Werdegang

Vom Lebenstraum zum Traumberuf

Bernhard Lingg (rechts), sesshaft im Allgäu, als Moderator der Vierschanzentournee.
27. Jan. 2021
Für andere ist er Filmproduzent, Moderator, Autor oder Musiker. Für mich ist er Paps. Er – Bernhard Lingg – hat seinen Traumjob gefunden, jedoch erst nachdem er seinen Lebenstraum begraben hatte. Ein Gespräch über seinen Werdegang, über Zuversicht und über das Glücklichsein.

Du hast deine eigene Firma, bist Filmproduzent, Autor, Musiker, Moderator und Dozent. Für welchen der Berufe schlägt dein Herz am meisten?

Das Herz schlägt dafür, dass ich den Luxus habe, alles machen zu dürfen. Ich glaube, wenn ich ausschließlich moderieren oder musizieren dürfte, würde es mir auf den Zeiger gehen. Dieses Gesamtpaket, in dem ich all diese Dinge miteinander verbinden kann, lässt mein Herzerl höherschlagen.

Begonnen hat deine berufliche Laufbahn allerdings in einer anderen Branche: Du hast zuerst eine Ausbildung zum Tourismus-Kaufmann gemacht. Wieso hast du dich für diesen Beruf entschieden?

Weil ich keinen blassen Schimmer hatte, was ich sonst machen sollte. Dort gab es eine freie Stelle und ich dachte, dann mache ich eben das. Dann ist der Papa zufrieden und ich habe etwas in der Tasche. Der Job war okay, mehr aber auch nicht. Es war mir auch relativ schnell klar, dass ich nach dieser Zeit dort nicht bleiben möchte.

Das bist du auch nicht. Du hast danach an der Rezeption in dem Hotel deines Bruders gearbeitet. Auch eine Notlösung?

Ich dachte, ich mache das eine Weile, bis ich dann weiß, was ich tatsächlich machen möchte. Aber mir hat es besser und besser gefallen. Dazu kam, dass ich mich gedanklich schon von meinem Lebenstraum verabschiedet hatte: Ich wollte schon seit ich ein Kind war immer zum Radio und habe auch nach meiner Ausbildung wieder Bewerbungen geschrieben, versucht an Praktika zu kommen. Das hat aus verschiedenen Gründen aber nicht funktioniert. Deshalb hatte ich diesen Lebenstraum gedanklich schon abgehakt und mich meinem Schicksal hingegeben. Das hört sich jetzt dramatischer an als es ist, weil mir der Job an der Rezeption tatsächlich viel Spaß gemacht hat.

Später hat es ja aber doch geklappt mit deinem Lebenstraum: Du hast als Radiomoderator bei RSA angefangen. Wie kam es dazu?

Ich hatte während der Arbeit RSA Radio gehört und da bekam ich mit, dass sie Werbung für Hörer-Castings machen. Da war nicht die Rede davon, dass sie Leute suchen, es war nur eine Hörer-Aktion. Also bin ich hin und habe zwei Stunden moderiert. So konnte ich zumindest mal ein Radiostudio von innen sehen. Eine Woche später habe ich dann einen Anruf bekommen: Der Morgenmoderator der Sendung hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, das auch beruflich zu machen. Ich meinte sofort: „Auf den Anruf habe ich schon seit 20 Jahren gewartet!“. Mein Bruder wusste, dass das mein großer Traum war und hat alles in die Wege geleitet, um Ersatz für mich zu finden und es mir zu ermöglichen. Vier Tage später hatte ich dann meinen ersten Tag beim Hörfunk.

Wie war dein erster Arbeitstag beim Radio? Haben sich deine Vorstellungen erfüllt?

Absolut. Mir hat Radio von Anfang an wahnsinnig viel Spaß gemacht. Es war genau meins, das habe ich vom ersten Tag an gemerkt. Ich hatte viele Freiheiten und durfte sogar schon in meinem Volontariat Ministerpräsident Stoiber interviewen, obwohl renommierte Radiokräfte anwesend waren. Man hat mir viel zugetraut. Meine Vorstellungen haben sich also tatsächlich bewahrheitet, das war super.

Und trotzdem bist du vom Radio – deinem Lebenstraum – weg gegangen zum Fernsehen. Was hat dich dazu bewogen?

Es war das gleiche Gebäude und der gleiche Arbeitgeber, dadurch war der Schritt nicht allzu groß. Im Jahr 2000 wurde der Sender TV Allgäu gegründet und wir waren damit beauftragt, ihn aufzubauen. Das war natürlich eine super spannende Aufgabe. Ich habe mich im Bereich TV-Journalismus weitergebildet und durfte die Entwicklung von TV Allgäu fünf Jahre als Redaktionsleiter mitgestalten. Es war für mich kein: „Ich gebe Radio auf.“ Sondern eher ein: „Ich habe Radio in der Hinterhand und erweitere mein Wissen um den Bereich Fernsehen“.

Bei TV Allgäu hast du auch deine beiden Kollegen Thomas und Doris kennengelernt, mit denen du im Jahr 2005 eure jetzige Firma silberstern gegründet hast.

Genau. Irgendwann haben wir bemerkt, dass unser Weg bei TV Allgäu zu Ende war und wir uns hier nicht mehr weiterentwickeln konnten. Thomas war damals Leiter der Produktion, Doris war Konzeptionsleiterin und ich war Redaktionsleiter – eine ideale Kombination, um selbst etwas aufzubauen. So sind wir dann 2005 ins eiskalte Wasser gesprungen und haben uns selbstständig gemacht.

Mutig.

Sehr. Wenn ich es heute rückblickend betrachte war das wirklich mutig. Ihr Kinder wart klein, wir hatten eine Hausfinanzierung am Laufen und sehr hohe finanzielle Belastungen. Und dann ging es von einem Tag auf den anderen von einem durchaus nicht schlechten Einkommen zurück auf null. Wir mussten ja nicht nur ein Einkommen erwirtschaften, sondern drei. Wir hatten keine Kunden, kein Business, nichts. Nur eine Idee. Und viel Herzblut. Und den Willen, es gemeinsam zu schaffen.

Heute seid ihr eine renommiere Filmproduktion mit 14 Mitarbeitern und habt einige Preise für eure Werke gewonnen. Du machst dafür die Kundentermine, das Marketing, führst Regie usw. Wie würdest du deine tägliche Arbeit bei silberstern einem Achtjährigen erklären?

Ich fahre zu Firmen und erzähle ihnen, warum Filme total cool sind und warum sie sie weiterbringen können. Warum Filme ihnen helfen, dass sie mehr Geschäft machen. Das dann nicht nur zu erzählen, sondern auch umzusetzen und sich daran messen zu lassen, das ist das, was ich täglich mache.

"Wir helfen unseren Kunden mit Ihren Kunden besser zu kommunizieren. Und das durch das Medium Film." Bernhard Lingg

Für silberstern bist du auch als Moderator unterwegs, beispielsweise bei der Vierschanzentournee. Warst du nervös, als du dort das erste Mal moderiert hast?

Und wie. Es war das erste Mal, dass ich vor 20.000 Menschen moderiert habe. Diese Größe darf man nicht unterschätzen. Das war sehr spannend. Ich mag es aber total gerne, vorher nervös zu sein, weil es mir nochmal die Wichtigkeit dessen darstellt, was ich dort mache.

Neben dieser Arbeit bei silberstern bist du auch noch Musiker. Seit deiner Kindheit hat dich die Musik begleitet, du hast viel mit deinem Vater musiziert und spielst seit deiner Jugend in deiner eigenen Band. Welche Bedeutung hat Musik für dich?

Eine ganz große. Musik ist für mich Ausgleich. Vor allem aber die Tatsache, mit der eigenen Band auf der Bühne zu stehen und zu wissen, dass das eben nicht nur Musik ist, sondern dass das meine allerbesten Freunde sind, mit denen ich da auf der Bühne stehe, das ist für mich ganz groß. Musik ist für mich aber nicht nur dann wichtig, wenn ich sie selbst mache, sondern ist auch darüber hinaus ein ganz wesentlicher Teil meines Lebens. Ich kann mich zum Beispiel in Titel so hineingeben, dass ich manchmal, wenn ich Auto fahre und das Lied höre, einfach zu weinen anfange. Ich kann Musik manchmal körperlich spüren. Musik ist etwas ganz Großes in meinem Leben.

Bernhard singt, spielt Gitarre, Akkordeon und Keyboard.

Du hast ganz nebenbei auch noch zwei Bücher geschrieben. Das Zweite hast du deinen Eltern gewidmet, darin erzählst du ihre Lebensgeschichte. Du schreibst im Vorwort: "Wenn es jemand verdient hat in Buchform gewürdigt zu werden, dann ihr. Mama und Papa, das hier ist für euch." Was hast du dir von deinen Eltern abgeschaut? Was haben sie dir mitgegeben?

Wenn ich eins herausstellen müsste, dann ist es dieses Urvertrauen ins Leben. Dieser Lebensmut und diese Zuversicht, dass immer alles gut werden wird. Dinge anzunehmen und nicht zu jammern. Außerdem haben Mama und Papa uns sehr viel Liebe mitgegeben und einen großen Familiensinn. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

Viele Menschen fiebern auf das Wochenende zu, um endlich zwei Tage frei von der Arbeit zu haben. Bei dir ist das nicht der Fall. Du scheinst all das, was du machst, sehr gerne zu machen. Gibt es ein Geheimnis, einen Tipp, um so etwas zu finden und es auch nach Jahren noch so gerne zu machen?

Ja: Das zu machen, worauf man richtig Bock hat. Das hört sich so einfach an, aber letztendlich liegt es an jedem selbst. Man muss selbst die Verantwortung dafür übernehmen, ob man glücklich ist oder nicht. Nicht der Chef, dein Partner oder dein Einkommenstand sind schuld. Du. Nur du kannst es ändern. Niemand anders. Es zwingt dich doch niemand, einen Job zu machen, auf den du keinen Bock hast. Ich hatte das riesige Glück das zu finden, was mich erfüllt, musste dafür aber auch erst alte Brücken abbrechen. Neu starten. Umwege gehen. Träume vermeintlich begraben. Das heißt nicht, dass ich jeden Tag freudestrahlend das Haus verlasse, weil ich endlich wieder arbeiten darf. Aber die überwiegende Zeit meines Arbeitslebens macht mir das richtig Spaß, was ich da mache. Dieses Gesamtkonstrukt, dass ich dann noch den Luxus habe, nebenbei ein Buch zu schreiben, Musik zu machen oder moderieren zu gehen, ist das, was mich erfüllt und mich glücklich macht.