Letzte Generation

Tomatensuppe für den Klimaschutz

Tomatensuppe oder Kartoffelbrei. Das denkbar schlechteste Mittel des Klimaprotestes.
23. Nov. 2022
Was geht schon wieder auf Twitter ab? Zwischen all den Hashtags, Bots und der Hassrede verliert man häufig den Überblick. Diese Kolumne soll dir genau den wieder geben. Gratis mit dabei: Ganz viel Meinung.

Wolltet ihr mal jemanden mit faulen Tomaten bewerfen, um eurer Entrüstung richtig Luft zu machen? Ich muss hier gestehen, dass ich mich noch nie so sehr über ein Thema aufgeregt habe, dass es ein solch drastisches Protestmittel gebraucht hätte. Schließlich sind ungerechte Lehrer*innen, die verspätete Deutsche Bahn oder ein schlechter Döner, nicht gerade der Anlass, der eine solch drastische Protestaktion verlangt.

Doch jemand ganz anderes hat das Werfen von Tomaten als Protestaktion für sich entdeckt. Nämlich verzweifelte Klimaaktivist*innen. Zwar sind es keine faulen Tomaten, sondern Tomatensuppe, doch ist die Geste dieselbe: Sie steht für Empörung, Verachtung und Entrüstung. Doch anstatt Klimasünder*innen an den imaginären Pranger zu stellen und mit Tomatensuppe zu bewerfen, werden alte Gemälde für diesen Zweck missbraucht. Obwohl diese keine kraftstoffziehenden SUVs fahren, nicht mit Kohle heizen oder tonnenweise Plastik ins Meer schmeißen. Die Begründung der Aktivist*innen, ist die Prioritäten innerhalb unserer Gesellschaft zu hinterfragen: „What is worth more, art or life?”. Das schrie die Klimaaktivistin Phoebe Plummer nachdem das suppige Wurfgeschoss auf den Sonnenblumen von Van Gogh landete.

„What is worth more, art or life?” 

Aktivistin Phoebe Plummer

Die Frage ist absolut berechtigt, doch spiegelt sie nicht das Ergebnis der Aktion wider. Denn das alleinige Ergebnis ist pure Aufmerksamkeit. Somit kann man die Frage der Aktivistin mit einem klaren „Aufmerksamkeit ist mehr wert“ beantworten. Doch Aufmerksamkeit ist nicht alles. Zwar ist es verständlich, dass Klimaaktivist*innen angesichts nicht handelnder Politiker*innen immer verzweifelter werden und zu immer extremeren Mitteln greifen – schließlich trafen jegliche Formen des gehorsamen Protestes ebenfalls auf verschlossene Ohren – doch bleibt dabei die wichtigste Zielgruppe, die überzeugt werden sollte, auf der Strecke: nämlich die normale Bevölkerung. Die Aktion ist zu weit weg von ihrer Lebensrealität und zu anprangernd, um die Menschen anzusprechen. Dazu kommt auch, dass viele Nutzer*innen der sozialen Medien dem Irrtum aufgesessen sind, die Bilder seien tatsächlich beschädigt worden. Die Kombination aus einer schon sensiblen Diskussion und Falschinformationen hat sich zu einer besonders schlechten Mischung zusammengebraut.  

Twitter-Diskussionen: Zurück ins Mittelalter

Wie ein mittelalterlicher Mob gehen deshalb Twitter-User*innen auf die Aktivist*innen los und schmeißen ebenfalls mit diesmal sprachlichen Tomaten der Empörung. Von Forderungen nach einem Boykott der Klimabewegung hin zu Nazi-Vergleichen ist alles dabei. Somit trennt der Tomatenwurf die Aktivist*innen und die normale Bevölkerung nur noch mehr voneinander, bis sich zwei empörte Mobs gegenüberstehen und einander an den Pranger des Internets stellen. Das ist bei Twitter-Diskussionen zwar üblich, doch ist es gerade beim Klimaschutz enorm wichtig, dass man die Menschen zusammenbringt und nicht schon bestehende Gräben weiter vertieft. Nur so kann man die Krise noch ansatzweise in den Griff bekommen. Viel schöner wäre es doch, wenn die Klimabewegung ihre Verzweiflung und ihre Tomatensuppe nutzen würde, um die beiden Parteien wieder zusammenzubringen. So könnten sie doch Menschen dazu einladen, die Tomatensuppe zusammen zu essen und währenddessen über eine konstruktive Lösung für die Klimakrise zu diskutieren, anstatt sie auf wehrlose Gemälde zu werfen.

Alles ist nämlich besser, als noch eine entgleiste Diskussion über Tomatensuppe mitanhören zu müssen. Sonst schmeiß´ ich nämlich selbst noch mit Tomaten.

 

Wenn ihr von aufgeheizten Twitter-Diskussionen noch nicht genug bekommen habt, könnt ihr auch hier vorbeischauen.