Poledance

„Studiert, um Stripperin zu werden?“

Maria ist eine leidenschaftliche Poledancerin
20. Mai 2021
Zwischen Leidenschaft und Anfeindungen – auch im Jahr 2021 hat Poledance in Deutschland noch Imageprobleme. Dabei ist diese Tanzsportart viel mehr als nur nackte Haut und High Heels. Maria erzählt mir in einem Interview von ihren Erfahrungen als Poledancerin.

Poledance ist eine anerkannte Sportart. Doch viele Menschen verbinden Poledance mit leicht bekleideten Frauen in High Heels, die sich um eine Stange im Stripclub schlängeln. Frauen, die diese Sportart ausüben, werden von der Gesellschaft mit Vorurteilen konfrontiert und müssen sich in ihrem Umfeld rechtfertigen.

So ergeht es auch Maria. Sie entdeckt ihre Leidenschaft im Poledance. Doch die ablehnende Haltung die sie zu spüren bekommt, erschweren ihr es, selbst zu ihrer geliebten Sportart zu stehen. Daher wird der richtige Name von Maria in diesem Artikel nicht genannt.

Wie bist du auf die Idee gekommen, Poledance zu machen?

Ich habe in meinem Leben unzählige Sportarten ausprobiert. Ich habe eine Sportart gesucht, die den ganzen Körper betont, wobei sowohl Kraft als auch Gelenkigkeit erforderlich sind. Eine Freundin nahm mich irgendwann mit zu einem Probetraining und als ich die Stange das erste Mal angefasst habe, wusste ich: Das ist meine Leidenschaft.

Was denkst du, womit haben die meisten Menschen bei Poledance ein Problem?

Ich vermute mit der Freizügigkeit bedingt durch die Sportbekleidung. Die Menschen verstehen nicht, dass es notwendig ist maximalen Hautkontakt mit der Stange zu haben. Einfach aus Sicherheitsgründen. Wäre man von oben bis unten bekleidet, hätte man keinen Halt und könnte die Sportart nicht ausüben.

Wie trainierst du und wie lange dauert eine Trainingseinheit?

Also ich mache Poledance jetzt seit ca. vier Jahren und kein Training ist gleich. Neben einzelnen Figuren, kann man auch Combos üben, das heißt Figuren miteinander kombinieren. Die Dauer kommt auf die Zeit an, die ich zur Verfügung habe. Ich beginne mit einem Warm-Up und trainiere dann einzelne Figuren. Eine Trainingseinheit dauert im Durchschnitt ca. anderthalb Stunden. Wenn ich mir sehr viel Zeit dafür nehme, kann eine Trainingseinheit aber auch mal zwischen drei und vier Stunden dauern.

Ich kenne nur Frauen, die Poledance machen. Kennst du auch Männer mit diesem Hobby?

Es stimmt, dass die Sportart überwiegend von Frauen praktiziert wird. Das ist eigentlich verrückt, da sie ursprünglich von Männern erfunden wurde. Ich kenne tatsächlich auch nur einen Mann, der Poledance betreibt.

Was glaubst du, weshalb Poledance so sexualisiert wird? Und stört das dich persönlich?

Tatsächlich verbinden vermutlich die wenigsten Menschen Poledance mit der Ursprungsform Chinese Pole*, welche von Männern ausgeführt wurde. Häufig wird Poledance mit Stripclubs in Verbindung gebracht. Das ist natürlich auch eine Art von Poledance, jedoch gibt es zahlreiche Facetten der Sportart, die nicht gesehen werden. Und das stört mich dann schon, dieses Schubladendenken.

Chinese Pole* 

Poledance hat seinen Ursprung in der traditionellen asiatischen Akrobatik, welche primär von Männern ausgeführt wurden. Im chinesischen Zirkus zeigten Männer akrobatische Haltungen an der Stange. In Asien werden schon seit langer Zeit zum Trainieren des Körpers Stangen benutzt. In den 70er-Jahren wurde der Tanz an der Stange dann weltweit durch Auftritte in Stripclubs bekannt.

Hattest du selbst Vorurteile gegenüber Poledance, bevor du damit begonnen hast?

Nein. Ich habe diese tollen, gelenkigen, starken Männer und Frauen auf Instagram gesehen und fand es toll zu sehen, wie ausdrucksstark sie sind und wieviel sie leisten können. Ich war und bin noch immer fasziniert davon, wie leicht sie diese Sportart aussehen lassen. Dementsprechend hatte ich diese Assoziationen nicht.

Du hast einen Freund. Wie hat er darauf reagiert als du ihm erzählt hast, dass du Poledance machen möchtest?

Mein Freund ist selbst ein leidenschaftlicher Sportler. Aus diesem Grund freut er sich zu sehen, dass auch ich meine Leidenschaft entdeckt habe. Tatsächlich betont er regelmäßig, dass er den größten Respekt vor Menschen hat, die Poledance betreiben. Er hat einige Male versucht sich an der Stange zu halten, weil er gesagt hat: „Das sieht so einfach aus, das kann ich auch!“ – konnte er aber nicht.

Und deine Eltern und Freunde? Haben sie genauso reagiert oder waren manche weniger begeistert?

Es war unterschiedlich. Meine Familie hat wie mein Freund reagiert. Ich denke, weil sie mich kennen und sehen, dass ich in dieser Sportart aufgehe. In meinem Bekanntenkreis gab es tatsächlich einige, die mit der Sportart nichts anfangen konnten beziehungsweise nicht so wirklich glauben konnten, dass Poledance eine Sportart ist. Schockierend fand ich, dass einer gefragt hat, ob ich studiert habe um Stripperin zu werden. Als hätte das eine etwas mit dem anderen zu tun. Was soll das heißen? Nur weil ich studiert habe, darf ich kein Poledance betreiben? Den Gedankengang, das Ausüben einer Sportart mit dem Bildungsniveau in Zusammenhang zu bringen, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Poledance ist eine Sportart wie jede andere auch. Wenn jemand Fußball spielt, frage ich auch nicht „Du hast doch studiert, wieso spielst du Fußball?“.

Was würdest du machen, wenn dein Freund etwas dagegen hätte und dich bitten würde, diese Sportart nicht mehr zu machen?

Wer mir ein solches Ultimatum stellt, kann nur verlieren. Da geht es mir nicht mal um die Sportart an sich, sondern darum, dass der Mann der Frau ein Ultimatum stellt und die Frau in dem was sie machen möchte, beschränken will. Da fällt die Wahl leicht, da dann nicht die Sportart das Problem ist, sondern der Mann!

Gibt es in deiner Familie beziehungsweise deinem Bekanntenkreis Leute, die Poledance machen?

Ja, ich kenne einige. Das habe ich aber tatsächlich alles erst mit der Zeit herausgefunden. Schließlich ist es leider nicht so, dass man sich beim ersten Kennenlernen direkt darüber austauscht. Das hat sich oft per Zufall herauskristallisiert. Dann ist man natürlich immer positiv überrascht und bemerkt, dass die Sportart von mehr Menschen ausgeübt wird, als man denkt.

"Dann ist man natürlich immer positiv überrascht und bemerkt, dass die Sportart von mehr Menschen ausgeübt wird, als man denkt." 

Maria

Ist es dir im beruflichen Kontext unangenehm zu sagen, dass Poledance dein Hobby ist?

Tatsächlich tue ich mich schwer mit dem Thema. Man fragt natürlich unter Kollegen: „Was machst du in deiner Freizeit? Machst du Sport?“. Dann erwische ich mich dabei, wie ich die Sportart nicht benenne, sondern umschreibe. Es ist im Endeffekt Luftakrobatik. Und das ist das, was ich dann sage.

Was bedeutet Poledance für dich persönlich?

Ich habe berufsbedingt einen sehr stressigen Alltag und habe dadurch den perfekten Ausgleich. Wenn ich ein paar Tage nicht dazu komme, zu trainieren, merke ich, dass der Stress mich einholt und dass ich unausgeglichener bin. Während ich trainiere, kann ich alles andere ausblenden und kann mich somit regenerieren.

Was denkst du woran das liegt, dass wir im Jahre 2021 in Deutschaland immer noch Vorurteile haben; was diese Sportart betrifft?

Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube das liegt in der Art begründet, wie der Mensch gestrickt ist. Vorurteile lassen sich nur sehr schwer vertreiben und sind sehr tief verankert, teilweise über Generationen hinweg vorhanden. Ich glaube dadurch, dass die Vorurteile in dem Bereich so stark sind, trauen sich viele Frauen auch einfach nicht, sich da offen zu zeigen. Poledance ist aber eine Sportart, die sehr im Kommen ist, sodass ich schon wahrnehme, dass die Akzeptanz insgesamt steigt.

Poledance ist mehr als nur nackte Haut und High Heels

Poledance zählt zu den vielfältigsten Sportarten überhaupt, sodass jeder den für sich persönlich passenden Stil entdecken kann. Als weltweit etablierte Sportart, sollte Poledance neu bewertet und von der Gesellschaft als das betrachtet werden was es ist: eine Sportart wie jede andere, die dem Ausübenden ein Gefühl von Freiheit, Ausgleich und Erfüllung verleiht.

Der richtige Name von der interviewten Poledancerin ist der Redaktion bekannt.