Körperhaltung

„Setz dich mal anders hin!”

Sieht doch voll gemütlich aus, oder?
25. Jan. 2020

Aufrechter Rücken, Schultern zurück, Brust raus – viele Menschen haben das Bild einer richtigen oder perfekten Körperhaltung im Kopf. In der korrekten Position gibt es dann auch keine Rückenschmerzen. Aber gibt es die eine richtige Körperhaltung überhaupt und was genau hat diese mit Rückenschmerzen zu tun?

Tatsächlich gibt es keine richtige oder falsche Körperhaltung. Das ist der größte Mythos über unseren Rücken, den wir über Erziehung und Medien vermittelt bekommen. Viel wichtiger für einen gesunden Rücken, ist die Vermeidung von zu langer einseitiger Belastung, also zu lange in einer Position zu verharren. Sowohl die Physiotherapeuten Marco Renner und Nazario Solimando, als auch der Orthopäde Dr. Schneider aus Stuttgart, empfehlen, nach 30 Minuten in derselben Haltung die Position zu wechseln oder sich zu bewegen. Das war für uns selbst eine große Enthüllung, weswegen wir für euch noch fünf weitere Mythen aufklären wollen.

1. „Setz dich mal aufrecht hin!”

Grundsätzlich ist langes und gebeugtes Sitzen nicht so schlimm, wie es uns beigebracht wird. Nach Dr. Schneider ist es vor allem wichtig, nicht länger als 30 Minuten in einer Position zu bleiben, sondern sich dann zum Beispiel die Beine zu vertreten. Eine Studie aus dem International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity aus dem Jahr 2011 bestätigt diese Empfehlung. Für das Sitzen bedeutet das also Folgendes: Wenn du den ganzen Tag aufrecht sitzt, ist es nicht besser oder schlechter, als wenn du den ganzen Tag mit krummem Rücken sitzt. Auch beim zu lange aufrecht Sitzen belastet man seinen Körper einseitig.

Wir können ruhig bequem sitzen, aber nicht länger als 30 Minuten am Stück.

2. „Heb aus den Knien, das ist besser für den Rücken!”

Eine Meta-Analyse aus dem Journal of Orthopaedic & Sports Physical Therapy aus dem Jahr 2019 zeigt: Tatsächlich gibt es keine Beweise dafür, dass eine bestimmte Hebetechnik besser für den Rücken ist, als eine andere. Die Beugung der Lendenwirbelsäule nimmt keinen Einfluss auf mögliche Rückenschmerzen. Ob du den Bierkasten also mit rundem oder geradem Rücken hochhebst, ist egal. Der Rücken ist sehr belastbar und geht nicht so schnell kaputt, wie viele denken.

Macht euch nicht so viele Gedanken über euren Rücken beim Bier kaufen.

3. „Mein Rücken tut so weh, ich fühle mich wie eine alte Frau.”

Dass nur alte Menschen Rückenbeschwerden haben, ist ein alter Aberglaube. Um die 34 Prozent der Menschen über 65 leiden unter solchen Beschwerden. Bei Erwachsenen zwischen 20 und 65 Jahren sind es laut Statista nur durchschnittlich sieben Prozent weniger. Rückenschmerzen sind also nicht vom Alter abhängig, sondern vielmehr vom Alltag und Beruf. Eine junge Person, die im Büro den ganzen Tag in derselben Position am Schreibtisch sitzt, ist besonders anfällig für einseitige Belastung und mögliche Erkrankungen. Einige Beispiele für Rückenerkrankungen sind in der folgenden Infografik zusammengefasst.

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Quellen: www.meine-gesundheit.de; www.berlin.de
Julia hatte tatsächlich während der Recherche selbst Rückenschmerzen.

4. „Ich habe so Angst, dass ich was Schlimmes habe.”

Rückenschmerzen sind in vielen Fällen nicht so schlimm, wie man zuerst annimmt. Viele Schmerzen werden dadurch ausgelöst, dass eine Bewegung eine bestimmte Körperstelle zu sehr belastet. Trotzdem heißt das in den meisten Fällen nicht, dass man gleich einen Bandscheibenvorfall hat. Auch nach unseren Symptomen zu googeln führt oftmals dazu, dass wir noch mehr Angst bekommen. Also erst einmal keine Panik schieben, das hilft in dem Moment nicht weiter. Heute tendieren wir oft dazu, bei jeder Kleinigkeit eine Röntgenaufnahme zu machen, obwohl dies gar nicht sein müsste. Die meisten Beschwerden verschwinden nämlich wieder nach ein paar Tagen und erst, wenn die Schmerzen seit mehreren Wochen andauern, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
 

Generell macht uns die Google-Suche unserer Symptome oft mehr Angst, als sie nimmt.

5. „Ich habe keine Zeit für Sport.”

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt wöchentlich 150 Minuten moderaten Sport. Das tut nicht nur dem Rücken gut, sondern auch der physischen sowie psychischen Gesundheit. Physiotherapeut Nazario Solimando muss schmunzeln, wenn manche seiner (studentischen) Patienten behaupten, sie hätten keine Zeit für Sport. Und wenn wir mal ehrlich sind: 150 Minuten weniger Netflix und YouTube in der Woche kann sich doch fast jeder nehmen und mit Aktivität und Bewegung in seine Gesundheit investieren. Steigt doch mal eine Haltestelle früher aus und lauft den Rest des Weges zu Fuß oder nehmt die Treppen an Stelle des Aufzuges. Vielleicht tanzt ihr auch zu eurem Lieblingslied durch die Wohnung und schafft am Ende des Tages sogar 10.000 Schritte!

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Spätestens am verregneten Sonntag tendieren wir dazu, den Fernseher anzuschalten und Stunden auf der Couch zu verbringen. | Quelle: Julia Ruppert

Jedenfalls sind die meisten beängstigenden Aussagen zur Körperhaltung Mythen ohne Beweise. Solange ihr euch – besonders in der Prüfungsphase – alle 30 Minuten bewegt, wird euch eure Wirbelsäule dafür danken!

Lasst euch von unseren Lernpositionen inspirieren und bringt Abwechslung in euren Sitzalltag!

„Der rechte Winkel”
„Die erhobene Welle”
„Das Holzbrett”
„Die verknotete Schlange”
„Die umgedrehte Studentin”
„Der Fisch auf dem Rücken”