Schwangerschaft

Zwischen Vorfreude und Sorge

Söckchen, Schnuller, Masken, Desinfektionsmittel. Was bei Schwangeren 2020 im Einkaufswagen nicht fehlen darf.
20. Dez. 2020
Lea Wegerich* ist im November 2020 zum ersten Mal Mutter geworden. Ihr Schwangerschaftserlebnis fiel ganz anders aus als erhofft. Schuld daran sind die zahlreichen Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Lea erfuhr im Februar von ihrer Schwangerschaft, kurz darauf folgte der erste Lockdown. Ihre Tochter wurde im November geboren und ist ein Wunschkind. Auf die Erfahrung, schwanger zu sein, hatte sie sich lange gefreut. Der Ausbruch des Virus bringt für werdende Eltern allerdings große Herausforderungen mit sich: von der Einschränkung der sozialen Kontakte über finanzielle Sorgen bis hin zur Angst vor einer Ansteckung und der Gefährdung des Kindes.

„Ich war das letzte Mal im März in einem Supermarkt. Wir hatten einfach zu viel Angst, dass ich mich vielleicht anstecken könnte.“

Lea Wegerich, war von Februar bis November 2020 schwanger

Gertrud Höld von der Evangelischen Gesellschaft (eva) leitet das Team Familienunterstützung und den Bereich der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung. Sie erlebt täglich, welche Auswirkungen diese Sorgen auf Schwangere haben können. Sie und ihre Mitarbeiterinnen unterstützen Schwangere bei allen Fragen rund um die Themen Schwangerschaft und Geburt bis hin zur Einfindung in die neue Rolle als Eltern. Seit Beginn der Pandemie stehen Höld und ihr Team vor neuen Herausforderungen. Viele ihrer Angebote finden jetzt am Telefon oder per Online-Beratung statt. Präsenztermine werden nur dann vergeben, wenn es keine andere Lösung gibt, zum Beispiel für Familien mit Migrationshintergrund, die am Telefon vor größeren Sprachbarrieren stehen. Die Fragen, die Schwangere beschäftigen, sind dabei die gleichen wie vor der Pandemie. Im Fokus stehen Themen wie die Geburtsvorbereitung, finanzielle Hilfen, Fristen und Anträge. Dieses Jahr werden alle Fragen jedoch zusätzlich von einer größeren Unsicherheit begleitet.

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Lebendgeburten in Deutschland nach Bundesländern, März bis August 2020. Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2020 | Quelle: Antonia Plankenhorn

Besonders groß ist die Sorge zum Beispiel, wenn es um die finanziellen Aspekte des Elternwerdens geht. Laut einer Hochrechnung des statistischen Bundesamtes kostet schon die Erstausstattung für ein Baby im Schnitt stolze 2.140 Euro. Dazu kommen 7.536 Euro an weiteren Ausgaben, allein im ersten Lebensjahr. Viele Paare müssen an anderen Ecken sparen, um für all diese Kosten aufkommen zu können. Kein Wunder also, dass finanzielle Sorgen für Schwangere eine der spürbarsten Folgen der Pandemie sind. Lea und ihr Mann sind hiervon zum Glück nicht stark betroffen, ihnen steht immer noch ein großer Anteil ihres regulären Einkommens zur Verfügung. Höld berichtet von Frauen, die es viel schwerer haben und gekündigt wurden oder in Kurzarbeit sind. Besonders getroffen hat es zum Beispiel Schwangere, die in der Gastronomie oder beim Bäcker nebenan gejobbt haben.  

„Da bricht auf einmal die finanzielle Grundlage und damit auch die Sicherheit weg. Solche Zukunftsängste stellen in der Schwangerschaft eine massive Belastung dar.“

Gertrud Höld, Bereichsleitung Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung, Evangelische Gesellschaft (eva)

Finanzielle Hilfen stehen zwar zur Verfügung, diese müssen aber erst beantragt werden. Viele Familien, die zum Beispiel nicht gut Deutsch sprechen, tun sich ohnehin schwer damit, bürokratische Anträge zu stellen. Hinzu kommt jetzt, dass die Ämter durch die Folgen der Pandemie viel schlechter zu erreichen sind und viele Prozesse sich verzögern. „Alles ist umständlicher, anstrengender und mühsam. Das spüren wir auch als Beraterinnen. Wir können nur versuchen, bestmöglich damit umzugehen, den Frauen Zuspruch zu leisten und, wo es möglich ist, die nötigen Hilfen zu vermitteln.“

Viele Paare suchen während der Schwangerschaft und nach der Geburt außerdem Unterstützung in ihrem sozialen Umfeld. Auch hier müssen aktuell Abstriche gemacht werden. Die Angst vor einer Ansteckung der Eltern oder des Kindes ist bei den meisten Paaren ständig präsent, auf soziale Kontakte wird deswegen eher verzichtet. Das bedeutet allerdings, dass die werdenden Eltern komplett auf sich alleine gestellt sind. Großeltern und Freunde können einem kaum unter die Arme greifen. Wenn Kontakte vor oder nach der Geburt zustande kommen, fallen diese anders aus, als man es sich vielleicht gewünscht hätte. Lea und ihr Mann haben lange überlegt, ob ihre Familien nach der Geburt zu Besuch kommen und ihre Tochter kennenlernen dürfen. Letztendlich haben sie einen Kompromiss gefunden. „Auf den Erinnerungsfotos tragen jetzt alle Verwandten eine Maske. Das fühlt sich schon merkwürdig an.“

Das eine positive Testergebnis bringt Freude, das andere Angst. Für Schwangere prallen 2020 Gefühlswelten aufeinander.

Den erhöhten Gesprächsbedarf der Schwangeren bekommt Höld stark zu spüren. „Es gibt auch viele Frauen, die jetzt öfter anrufen. Die nicht wissen, wie sie das alles machen sollen, eine große Unsicherheit verspüren und nicht planen können.“ Auch Lea konnte viele Dinge kaum planen. Bis zum Tag der Geburt war unklar, wie viel Zeit ihr Mann mit ihr im Krankenhaus verbringen können würde. Die Auflagen haben sich über den Zeitraum ihrer Schwangerschaft häufig geändert, zum Geburtszeitpunkt waren die Regelungen selbst in den einzelnen Krankenhäusern unterschiedlich.

Neben all den negativen Auswirkungen der Pandemie gibt es kleine Lichtblicke. Forscher aus Irland und Dänemark machten überraschende Erkenntnisse: In ihren Regionen sind während der Lockdowns die Frühgeburtenraten deutlich zurückgegangen, das berichtet die New York Times. Die Pandemie bringt eben auch eine Entschleunigung mit sich. Auch Höld vermutet, dass Schwangere davon profitieren, wenn ihre Partner*innen mehr zuhause sind. Vor allem dann, wenn bereits Kinder da sind, die betreut werden müssen. Leas Mann arbeitet seit Beginn der Pandemie im Homeoffice, als die Wehen einsetzten, war er im Nebenzimmer. „Er war die ganze Schwangerschaft über mit mir zuhause und hat alles miterlebt. Das sind wertvolle Erinnerungen.“

 

*Leas Name wurde aus Gründen der Privatsphäre geändert.