Eine Kolumne mit Migrationshintergrund

"Nein, keinen einzigen Schluck."

Traditionell wird das Fasten mit Datteln oder einem Glas Wasser gebrochen.
16. Mai 2021
Im heiligen Monat Ramadan verzichten praktizierende Muslim*innen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex. Auch fluchen sollte man nicht. Doch die immer wieder aufkommenden Fragen an Fastende machen Letzteres fast zur größten Herausforderung.

„Nicht mal einen Schluck Wasser? oder „Könnt ihr denn nicht heimlich essen und trinken? Dann sieht es Allah auch nicht.“ Klischee-Fragen aus dem eigenen nicht-muslimischen Umfeld lassen einen manchmal daran zweifeln, ob es nicht vielleicht doch dumme Fragen gibt. Kommen wir nun zu ein paar Aufklärungsversuchen. Ja, nicht mal einen Schluck Wasser. Und nein, es bringt nichts, sich im Kleiderschrank versteckt ein Sandwich zu gönnen. Überraschung: Allah sieht alles. Und ja, du kannst ruhigen Gewissens neben deinen fastenden Freund*innen und Kolleg*innen essen. Versprochen – man wird sich nicht wie ein*e Wilde*r auf dein Mittagsmahl stürzen.

„Stört es dich wirklich nicht, wenn ich neben dir esse?“ Nervenaufreibend wirkt diese, ja eigentlich nett gemeinte, Frage by-the-way erst dann, wenn sie wie üblich 20-mal hintereinandergestellt wird. Ein weiterer Klassiker: "Wie könnt ihr das bloß aushalten?" Klar, es kann für manche eine Herausforderung sein, während es anderen überhaupt nicht schwerfällt. Die richtige Ernährung am Morgen (Sahur) und zum Fastenbrechen (Iftar) kann aber Abhilfe schaffen. Ballaststoffreiche Nahrung wie beispielsweise Haferflocken mit etwas Joghurt und frischem Obst hält den Körper länger satt.

Die Fastenzeit der Muslim*innen soll im Kern dazu dienen, den Armen zu gedenken, dankbar zu sein und sich weniger den materiellen Dingen zu widmen. Das Fasten selbst ermöglicht dem Körper eine Auszeit, Seele und Geist kommen zur Ruhe. Bei richtiger Anwendung kann Fasten sogar gesund und effektiv sein – vorausgesetzt, man befindet sich in einem körperlich gesunden Zustand. Denn auch nur dann sollte gefastet werden. Außerdem findet sich der Brauch des Fastens nicht nur im Islam: Im Christentum dauert die Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern, während es im Judentum gleich mehrere religiöse Feiertage gibt, an denen Praktizierende fasten. Einer der wichtigsten Tage ist „Jom Kippur“, der „Tag der Versöhnung“.

Nur dass wir uns richtig verstehen: Neugier und Fragen sind etwas Schönes und zeugen von Interesse an einem Thema. Letztlich gibt es doch keine dummen Fragen. Wir sollten nie aufhören Fragen zu stellen. Aber wie wäre es damit, diese auf ein neues Level zu bringen? Ein nettes Beispiel: „Kann ich dich heute Abend zum Fastenbrechen einladen?“ Ein gemeinsames Essen kann doch außerdem hervorragend für einen aufklärenden Austausch genutzt werden.

Eine weitere Folge von „Eine Kolumne mit Migrationshintergrund" findest du hier.