Nachhaltigkeit

„Ist es richtig, ein Tier für dessen Fell zu töten?"

Campbell Dunn bei der Auswahl neuer Materialien.
22. Jan. 2020

In einem Jahr verursacht die Bekleidungsindustrie mehr Treibhausgasemissionen als alle internationalen Flüge und Schiffe zusammen. Wie können wir Mode bewusster konsumieren, die Umwelt schonen und uns dabei nicht von Marketingkampagnen blenden lassen? Ein Interview mit dem schottischen Modedesigner Campbell Dunn.

Die Deutschen kaufen im Durchschnitt jeden Monat fünf neue Kleidungsstücke. Warum können wir nicht aufhören zu shoppen? 


Wir leben in einer Gesellschaft, die immer mehr will – egal ob Technologie, Autos oder Bekleidung. Die Medien vermitteln uns dieses Verständnis, andauernd im Trend sein zu müssen, um dazuzugehören. Allerdings ist das weder gesund, noch nachhaltig. Natürlich kann jeder mit seinem Geld tun und lassen, was er möchte, aber wahrscheinlich werden wir dann irgendwann an einen Punkt kommen, an dem wir zu viel gekauft und damit den Planeten zerstört haben.


Die günstigen Marktführer der Modebranche bieten bis zu 24 Kollektionen im Jahr an. Was können wir gegen den Massenkonsum tun? 


Ich glaube, nur wer langfristig denkt, kann die Zukunft der Erde zum Besseren verändern. Das bedeutet, es muss weniger, aber dafür zeitlos und nachhaltig produziert werden. Kleidung darf nicht mehr weggeworfen, sondern sollte repariert und auf andere Weisen wiederverwendet werden. Ebenso würden internationale Gesetze helfen, welche die Überproduktion in der Modeindustrie regulieren – aus wirtschaftlicher Sicht ist das allerdings unrealistisch.


Warum?


Natürlich will jedes Unternehmen weiter produzieren und verkaufen, um ihren Umsatz und den damit verbundenen Gewinn zu steigern. Dagegen kann gesetzlich nicht vorgegangen werden. Die Menschen werden immer expandieren und wachsen wollen und das hat seinen Preis für die Umwelt.

Der schottische Modedesigner Campbell Dunn.

Viele Budget Modeketten produzieren mittlerweile mit Bio-Baumwolle und bringen nachhaltige Modelinien auf dem Markt – ist das ein Fortschritt? 


Das ist momentan so ziemlich die größte Marketinglüge überhaupt. Natürlich ist es besser, Baumwolle zu verwenden, anstelle von Acryl oder anderen plastischen Materialien. Aber die Herstellung von Baumwolle benötigt Unmengen an Wasser, welches an anderen Stellen der Welt viel dringender benötigt wird, als in der Modeindustrie. Die Werbung für Bio-Baumwolle ist derzeit nur eine weitere Marketingstrategie, um sich der Nachhaltigkeitsbewegung anzupassen und so nicht an Umsatz zu verlieren.


Polyester zum Beispiel wird aus nicht erneuerbarem Erdöl hergestellt. Gibt es andere, nachhaltigere Materialien? 


Leinen, Hanf und Wolle zum Beispiel. Leinen und Hanf können überall auf der Welt angebaut werden und benötigen sehr wenig Wasser und überhaupt keine Pestizide. Außerdem ist Hanf eine der ältesten Fasern der Welt und hält im Sommer kühl, ebenso wie im Winter warm. Eines der besten Materialien ist allerdings Wolle, solange die Schafe gut behandelt und artgerecht geschoren werden. Sie wird natürlich hergestellt, ist biologisch abbaubar und erneuerbar. Es gibt bereits einige wenige Modemarken im Luxussektor, welche von der australischen Schafherde, über den Web- und Veredlungsprozess bis hin zur Vollendung des Kleidungsstücks die gesamte Lieferkette besitzen und kontrollieren. 


Wie sieht es mit Fell aus? 


Das ist ein kontroverses Thema in der Modebranche. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, konzentrieren sich viele Menschen nur auf einen Teilaspekt, wie zum Beispiel den Tierschutz und vernachlässigen dabei das Gesamtbild. Aus ökologischer Sicht ist echtes Fell besser als das Pendant dazu, da es biologisch abbaubar ist, währenddessen falsches Fell aus Plastik und Erdölprodukten besteht und somit immens giftig und umweltbelastend ist. Ein Argument, welches für den Ersatz von Echtfell durch falsches Fell spricht, ist daher eine Rückwärtsmentalität und zeigt von mangelndem Verständnis für das größere Umweltproblem. Dazu kommt, dass bestimmte Luxusmodefirmen Echtfell verboten haben, Krokodilhautwaren allerdings noch verkaufen – was schlicht heuchlerisch ist. Die ethische Frage ist hier natürlich: Ist es richtig, ein Tier für dessen Fell oder Haut zu töten? Aber darüber wird noch viele Jahre diskutiert werden, da Menschen schon immer Echtfell getragen haben, und dies auch immer tun werden.

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Die Modeindustrie in Zahlen. | Quelle: Eigene Darstellung

Was braucht es, um die Modeindustrie besser zu verstehen?


Bildung. Jungen Menschen schon früh nahebringen, wo bestimmte Rohstoffe herkommen und wie sie verarbeitet werden. Sicherstellen, dass sie Verantwortung übernehmen, für das, was und wie viel sie kaufen und vor allem, wie sie damit umgehen. Im Endeffekt kann Nachhaltigkeit nur durch bewussten Konsum erzielt werden. 

Campbell Dunn, geboren in Schottland, studierte Modedesign an der University of Huddersfield und erhielt 2011 den Graduate of the Year Award. Dunn spezialisierte sich in der Schneiderei und war zuletzt Leiter der Designabteilung des belgischen Traditionsunternehmens Scabal, welches hauptsächlich maßgeschneiderte Herrenanzüge im Luxussegment anfertigt.