Jugendkunstpreis 8 Minuten

Kaan kann Kunst – und das ausgezeichnet!

Junger Mann sitzt am Schreibtisch, zeichnet und lächelt in die Kamera
Das Atelier in der Akademie der Bildenden Künste ist Kaans zweites Zuhause. | Quelle: Laura Ott
10. Dez. 2025

Kaan malt seinen Opa, gewinnt damit einen Preis und zeigt: Kunst kann mit wenig viel auslösen. Wie hat ein Geschenk seines Opas Kaan zum Jugendkunstpreisträger 2025 gemacht? Und warum die Ermutigung junger Menschen uns alle bereichert – ein Portrait über Kaan Giasar Oglou.

„Für dich Opa“, sagt Kaan leicht zitternd in seinem Gewinnervideo, ausgespielt auf einer großen Leinwand. Er steht am Abend des 10. Oktobers auf einer Bühne und empfängt den Jugendkunstpreis Baden-Württembergs 2025. Seine Familie ist auch im Saal, jubelt und hat Tränen in den Augen. Schließlich ist Kunst für Kaan mehr als ein Zeitvertreib. Sie ist sein Ventil. Insgesamt 16 Jugendliche wurden dafür ausgezeichnet, dass sie sich der Kunst widmen. Kunst, die einen Appell an die Gesellschaft hat: Schau hin, fühl und denk mit. 

Links ist ein Acrylgemälde zu sehen, auf diesem ist ein Kaans Opa abgebildet. Rechts e
Mit seinem Opa (links auf seinem Gewinnerwerk) verbindet Kaan Ermutigung und Rückhalt, an seinen Träumen festzuhalten.
Quelle: Kaan Giasar Oglou (links), Laura Ott

Die Gewinnerkunstwerke wurden über einen Monat in der Karlskaserne Ludwigsburg ausgestellt. Angehörige und lokale Akteure aus Politik und Wirtschaft füllten die Ausstellungshalle. Sie wurden alle eingeladen, um zu zeigen, dass junge Menschen nie damit aufhören sollen, Kunst zu machen. Das sagte die Landtagspräsidentin Muhterem Aras bei der Verleihung selbst. 

Freude an der Kunst trifft Förderung

Kaan erfährt schon 2024 vom Jugendkunstpreis. Seine Lehrerin erzählte ihm davon, doch die Deadline war zu knapp. Eine Lehrerin war es auch, die in der Grundschule Kaans Talent förderte. Mit Kritzeleien im Unterricht holte sich Kaan bei ihr keine Rügen ein, sondern Ermutigung. In der nächsten Stunde brachte er ihr stolz einen ganzen Stapel an Zeichnungen mit. Fortan skizzierte er seine Ideen im Klassenzimmer. Seit ein paar Jahren besucht er regelmäßig eine Kunstwerkstatt in Schorndorf. Dort wird er durch Gleichgesinnte inspiriert. Seit diesem Oktober entwickelt er sein Talent an der Akademie der Bildenden Künste (ABK) weiter. „Es war mir wichtig, dass ich etwas studiere, womit ich Kunst auch direkt verknüpfen kann“, betont Kaan. Deshalb wechselte er vom Fashion-Management zur Architektur an die ABK. Hier kann er seiner Kreativität schon in der Grundausbildung freien Lauf lassen.

„Es war mir wichtig, dass ich etwas studiere, womit ich Kunst auch direkt verknüpfen kann.“

Kaan Giasar Oglou

Zur Kunst fand Kaan früh, sie war eigentlich schon immer da. Das Zeichnen einer kleinen Figur mit fetzigen Cowboystiefeln. Das sind die Erinnerungen an sein erstes Kunstwerk. Seitdem er denken kann,  unterstützt seine Familie ihn in seiner Kunst. Ob es Zeichnungen mit seiner Mama im Wohnzimmer waren, oder die Buntstifte, die sein Opa Mesut ihm beim jährlichen Besuch nach Griechenland schenkte: Seine Familie hat ihn zu dem Künstler gemacht, der er heute ist. Als sich Kaan mit seinem Studium an der ABK für die künstlerische Seite der Architektur entschied, gab es aus der Familie Zuspruch statt Stereotype.

Screenshot von Kaan's Kunstwerk gepostet auf seinem Instagram-Kanal, @keinekunstvonkaan. Szene eines chaotischen Tisch's in roten Farben ist abgebildet.
Kaan's Coverart für den Song ROSAROT von @unterschockwirsind. Auf Instagram postet er regelmäßig Ausschnitte seiner Arbeit.
Quelle: Instagram via @keinekunstvonkaan und @unterschockwirsind
| Quelle: Laura Ott

„Der Einstieg in die Kunst ist immer noch stark von Privilegien geprägt. Ich hatte Glück“. Dabei spiele nicht nur der Geldbeutel eine Rolle, sondern auch die Wertschätzung für Kunst innerhalb des eigenen Umfelds. Sein Opa ist zwar 2019 verstorben, doch seine Ermutigung lebt heute in Kaans Kunst weiter.

An den Rand gedrängt – zur Leinwand gebracht

Für 2025 hatte sich Kaan vorgenommen, am Jugendkunstpreis teilzunehmen. Das diesjährige Leitmotiv: „Am Rand“. Ideen schießen durch Kaans Kopf: Ein Portrait seines Opas, das wollte Kaan schon längst malen. „Das war ich ihm schuldig“, sagt Kaan mit ernster Stimme. Thematisch trifft das Portrait seines Opas ins Schwarze. Mesut kam aus Griechenland nach Deutschland. Er bot seine Arbeitskraft als Gastarbeiter an, er wurde angenommen. Ein Hintergedanke blieb allerdings beim Arbeitgeber: Irgendwann reist Mesut zurück in sein „Heimatland“. Das spürte auch Mesut.

Schon in Griechenland erfuhr die Familie Diskriminierung, denn sie ist kulturell türkisch verwurzelt. Als Kaans Oma Fatme ihr Haus in Griechenland baute, gab es Schwierigkeiten mit der Polizei. Ihre griechische Staatsbürgerschaft gab ihr das Recht zu bauen. Das hinderte die Polizei aber nicht daran, sie regelmäßig einzuschüchtern. Seine Mutter erinnert sich daran, wie Fatme immer wieder von der Polizei mitgenommen wurde. Ihr wurde als kulturelle Türkin damit klargemacht, dass sie unter besonderer Beobachtung steht.

Beton-Treppenhaus ist zu sehen. An der rechten Ecke des Treppenhauses geht Kaan mit dem Rücken zur Kamera gewendet den gang entlang.
Eigentlich gut angekommen, aber nicht bedingungslos angenommen. Ein Motiv, das sich durch die Familiengeschichte zieht.
Quelle: Laura Ott

Kaan erfährt davon hauptsächlich durch seine Mutter und Oma. Sein Opa ist, als Kaan sehr jung war, an Demenz erkrankt. Diskriminierung in diesem Ausmaß erlebt Kaan heute nicht. Er ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Umso unangenehmer ist es, wenn Fremde nach seiner „Herkunft” fragen, als stünde ihnen diese Information zu. Das passiere ihm in letzter Zeit häufiger. Zuletzt erst bei seinem Nebenjob als Aufsicht in einer Galerie. Eine Besucherin bestand darauf herauszufinden, woher Kaan kommt. Höflich blieb sie dabei nicht. Nachdem Kaan antwortete, dass er aus Deutschland komme, kam das „Aber woher kommen deine Eltern?“. Er sei doch etwas dunkel. „Ich denke auch nicht den ganzen Tag darüber nach: Meine Familie ist nicht so lange in Deutschland wie die von allen anderen.“ Ihre aufdringlichen Kommentare frustrierten ihn trotzdem für den Rest des Tages. 

Hoch lebe die Kunst und Jugend!

Kaan zeigt mit seinem Werk mehr als das Passbild seines Opas: Dem darauf gestempelten Siegel der Bundesrepublik fehlt ein Teil. Vielleicht der Teil, der den Menschen über seine Arbeitskraft hinaus sieht? Die Antwort steht frei zur Interpretation. „Ich mag das nicht, wenn meine Kunst einfach so im Raum steht. Meine Kunst muss was auslösen und zum Nachdenken anregen.“ Er fühlt sich in der Kunstwelt in guter Gesellschaft, das zeigt sich auch an der Verleihung. Im Getümmel des Abends unterhält er sich mit Leon und Kristina, zwei weiteren Hauptgewinnenden. Sympathien bilden sich von der ersten Sekunde an. Voller Vorfreude stellen sie fest, dass sie gemeinsam nach Wien reisen werden. Die Reise ist ihr Hauptpreis.

Organisiert wird der Jugendkunstpreis Baden-Württemberg jährlich von den Jugendkunstschulen und dem Kultusministerium Baden-Württemberg. Hier können Jugendliche zwischen 15 und 21 Jahren ihre Kreativität unter anderem in Form von Malerei, Skulptur und Film unter Beweis stellen. 

Im Oktober sichteten sie zusammen zahlreiche Wiener Kulturstätten und knüpften dort fleißig Verbindungen. Mit Gefährten auf der selben Frequenz konnte Kaan Kunst ordentlich genießen und feiern. Das Einzige, was er bemängelt: Die Reise hatte nach einer Woche ein Ende. Aus den Mitreisenden wurden Freunde. Kaan gewinnt durch sie Motivation, die bleibt. Wo sich Kaan in zehn Jahren sieht? „Auf jeden Fall am Kunst machen!“

 

Kaan steht vor einem wolkigen, blauen Himmel und streckt mit einem Lächeln sein Hand in die Kamera.
Thema der Ausschreibung für das Jahr 2026 ist „Zusammen“. Kaan empfiehlt, sich an die Teilnahme zu trauen.
Quelle: Laura Ott