Fasching

Die Umzugshelfer*innen

Die Helfer*innen vom DRK haben an mehreren Punkten auf dem Stuttgarter Faschingsumzug Stellung bezogen.
14. Apr. 2023
Nach langer Coronapause ist es endlich wieder soweit für die Närr*innen und Jeck*innen: Es darf ohne Einschränkungen Fasching gefeiert werden, so auch beim Umzug in Stuttgart. Doch wie wird dafür gesorgt, dass dabei alle in Sicherheit sind? Ein Tag mit den Helfer*innen vom DRK.

Wo alle verkleidet und bunt geschminkt sind, fallen die Helfer*innen in ihren orangen Westen kaum auf. Doch die ehrenamtlichen Sanitäter*innen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) sind nicht zum Spaß auf dem Faschingsumzug in Stuttgart. Sie werden dafür sorgen, dass alle Fasnetsbegeisterten sicher feiern können.

Doch das Wichtigste zuerst. Für die Belegschaft gibt es vor Dienstbeginn Berliner. „In einen wollte ich eigentlich Senf spritzen, das wurde mir aber verboten“, scherzt Einsatzleiter Tobias Bosch. Die ehrenamtlichen Helfer*innen decken sich noch schnell mit Süßgebäck ein. In der Besprechung stellt Bosch alle auf ihre Aufgaben ein. Bis jeder weiß, an welchem Platz er steht, welches Funkgerät er nehmen soll und wann er sich bei der Zentrale melden soll, vergeht Zeit. Die müssen sich die Helfer*innen vom DRK auch nehmen, schließlich wird die enge Stuttgarter Innenstadt später voll mit Menschen sein. Zwischen 90.000 und 100.000 Besucher*innen hat der Veranstalter im Vorfeld angemeldet. Da müssen alle Handgriffe sitzen.

Großer Bahnhof an der Einsatzzentrale: Vor Veranstaltungsbeginn hat sich die gesamte Besatzung versammelt.

Für den Februar unüblich hohe Temperaturen bei dauerhaftem Sonnenschein. Ein besseres Wetter hätten sich die Narren und Närrinnen kaum wünschen können, es werden wohl viele Menschen den Weg in die Innenstadt finden. Was genau seine Einsatzkräfte erwartet, kann Bosch daher noch nicht abschätzen. „In Stuttgart ist es eigentlich immer eher ruhig“, sagt er. Das liege vor allem daran, dass es im Vergleich zu den Karnevalshochburgen im Rheinland nicht so viele Feiergelegenheiten außerhalb des Umzuges gibt. Ob es auch dieses Mal ruhig bleibt? Für Bosch eine Wundertüte. „Heute ist es unsicher, wir haben ein Bombenwetter und es ist wieder das erste Mal ohne Coronabeschränkungen.“

Feiern ohne Einschränkungen

Für die Männer und Frauen vom DRK ist es genau wie für die Faschingsbegeisterten eine Rückkehr zum altbekannten Brauch. Zwei Jahre lang musste der Umzug den Coronaregeln weichen, die Umzugswägen blieben in den Garagen. Da besteht schon die Gefahr, dass es heute so manch einer übertreibt. Zu erwarten sind die üblichen Verletzungen. Mal hier ein Pflaster, mal da eine kollabierte Person versorgen. Nichts, was die Retter*innen aus dem Konzept bringen würde. Dennoch birgt ein Einsatz beim Faschingsumzug Raum für Überraschungen. „Da wir hier mitten in der Stadt sind, haben wir auch alle möglichen Einsätze dabei“, erklärt Bosch. Auch Vorfälle, die nicht unbedingt mit dem Umzug zu tun haben, fallen dann für seine Besatzung ab, weil sie eben vor Ort sind.

Das DRK wurde vom Veranstalter des Umzuges als Sanitätsdienst angefordert. 22 Sanitäter*innen, darunter Besatzungen von drei Rettungswägen sind gekommen. Sie sollen den regulären Rettungsdienst entlasten, damit dieser bei all den anderen Einsätzen nicht überläuft. Nach der Einsatzbesprechung ist jedem klar, wo er hinmuss. Die ehrenamtlichen Helfer*innen verteilen sich entlang der Umzugsstrecke auf insgesamt sechs Posten, von denen sie das Gebiet gut abdecken können.

Am Einkaufszentrum an der Eberhardstraße hat sich inzwischen das Team um Nina Bosch positioniert. Die Frau vom Einsatzleiter gibt sich ebenso entspannt wie ihr Mann, witzelt mit den Polizist*innen und bestaunt die Umzugsteilnehmer*innen. „Hier ist alles entspannt, alle sind fröhlich und wollen nur feiern“, meint sie. Kein Vergleich zu Fußballspielen, bei denen auch negative Emotionen gerne an der Tagesordnung sind.

Hilfskräfte sind gut vernetzt

Das Rettungsteam steht auf einem abgesperrten Straßenstück, auf dem der Umzug nicht läuft. Hier hat man einen weiten Blick auf das Geschehen, das wegen der großen Menschenmenge aber dennoch etwas unübersichtlich ist. „Wenn dort etwas passiert, dann kriegen wir das irgendwie mit“, meint Nina entspannt. Entweder melden sich Feiernde direkt oder informieren näherstehende Polizeibeamt*innen. Die sind direkt mit Tobias Bosch in der Einsatzzentrale verbunden. Spätestens nach dem Kommando von dort rückt die Mannschaft mit dem Kreuz aus – zu Fuß, versteht sich. Denn für einen Rettungswagen ist in den ohnehin schon engen Straßen kein Platz mehr. Wägen, Hexen und Feiernde versperren den Weg.

So langsam setzt sich der Zug in Bewegung. 58 Gruppen, darunter zehn Wägen, bilden die bunte Feierkolonne. Auf traditionelle Uniformträger folgen die Narren mit ihren bizarren Häsmasken. Wenn die weitergezogen sind und weinende Kinder zurückgelassen haben, lockern Spielmannszüge und Gardetänzerinnen die Stimmung wieder auf. Trommelmärsche, Blasmusik, eine Musikgruppe folgt auf die Nächste. Als Nina aber die großen Umzugswägen sieht, wird sie doch kurz ernst. Sie erzählt, dass mit diesen Wägen die größten Unfälle passieren können. Wenn jemand dort herunterfällt, drohen schwere Verletzungen. „Das ist von jedem der Alptraum“, sagt Nina. In Stuttgart sei das aber lange nicht mehr passiert, beschwichtigt Einsatzleiter Bosch.

Umzugswagen wie dieser bergen Gefahren.

Doch der Respekt vor den großen, bunt geschmückten und voll besetzten Umzugswägen, die meist von Traktoren gezogen werden, ist durchaus berechtigt. Allein in diesem Jahr gab es in Deutschland wieder mehrere schwere Unglücke. Wie die Frankfurter Rundschau berichtete, verletzte sich ein Mann in Enkirch (Rheinland-Pfalz) schwer, als er vom Zugtraktor fiel und ihn der Anhänger überrollte. Selbiges passierte laut dem Westfälischen Anzeiger auch einer Frau in Kalletal (NRW), sie verstarb noch an der Unfallstelle. Ein Umzug in Halle wurde laut der Berliner Morgenpost sogar abgebrochen, nachdem eine Frau von einem Show-LKW überrollt wurde. Dieser kleine Auszug zeigt: Die Retter*innen müssen ständig auf der Hut bleiben. „Wir sind ja dafür da, um etwas zu machen“, meint Bosch. „Etwas derartig Schweres will man da aber natürlich nicht.“

Inzwischen hat sich die Kolonne weiter in Richtung Ziel bewegt, auf dem Schlossplatz dreht sie eine Schleife. Chiara und Matthias stehen unter den Zuschauer*innen und sehen dort nach dem Rechten. Anders als ihre Kolleg*innen tragen sie Helme – sie gehören zur Fahrradstaffel des DRK. „Gerade für weitläufige Events ist das klasse“, erklärt Matthias. Mit den E-Bikes können sie ein größeres Gebiet abdecken und kommen schneller voran als die Kolleg*innen zu Fuß oder mit dem Auto. Im vergangenen Jahr unterstützten sie beispielsweise den Stadtlauf. Auf den Gepäckträgern ist alles dabei, was eine „normale“ Besatzung auch hat. Die Idee, mit dem Fahrrad auf Rettungseinsätze zu gehen, ist noch nicht weit verbreitet – es spricht sich aber herum. „Wir kriegen immer wieder Anfragen, ob wir mit unseren Fahrrädern unterstützen können. Einmal sogar aus Leipzig“, erzählt Chiara. Einige DRK-Verbände seien nun schon nachgezogen.

Die Fahrradsanitäter*innen kommen mit ihren Zweirädern auch in Menschenmassen gut voran.

Während die beiden auf zwei Rädern weiter die Stellung halten, ist bei Bosch im Fahrzeug der Einsatzleitung wenig los. Entgegen der Erwartungen feiern die Leute nämlich fast komplett unfallfrei. „So ruhig wie bis jetzt war es selten“, meint Bosch. Er hat auf dem Karlsplatz, dem Endpunkt des Umzuges, Stellung bezogen und hält Funkkontakt zu allen Sanitäter*innen. Sollte etwas passieren – Bosch erfährt zuerst davon. Seit 30 Jahren ist er mit dem DRK auf dem Faschingsumzug und hat dabei alles erlebt. „Es kann sein, dass ich keinen einzigen Rettungswagen brauche, es kann aber auch sein, dass ich ihn achtmal brauche. Das weiß man nie“, sagt er.

Die bunte Mischung aus Hexen, Jecken und Spielmannszügen bewegt sich langsam auf den Endpunkt zu. Sie werfen traditionell mit Bonbons und anderen Süßigkeiten. Eine Gruppe hat sogar ganze Packungen voller Spätzle dabei – ein Feature, von dem der Kölner Karneval wohl nur träumen kann. Dann muss Sanitäter Daniel doch eingreifen. Eine Person hat eine Panikattacke in der Menge bekommen. „Etwas Besonderes haben wir nicht gemacht“, erzählt Daniel danach. „Wir haben sie beruhigt und hingesetzt.“ Ansonsten ist es eher ruhig geblieben, vor den großen Einsätzen ist das Team von Tobias Bosch verschont geblieben. „Hier mal ein Pflästerchen, hier mal den Weg gezeigt, nichts Wildes“, resümiert der Einsatzleiter.

Wenn der Umzug einen Sanitätsposten passiert hat, löst sich dieser auf und fährt wieder an den Karlsplatz zur Einsatzleitung. Dort steigt direkt im Anschluss eine Party bis in die Nacht. Da hier kein Sanitätsdienst angefordert wurde, ist der Arbeitstag für die Sanitäter*innen des DRK hier vorbei. „Der Ausgang ist natürlich positiv“, so Bosch. Bei einem lockeren Gespräch unter Kolleg*innen und Umzugsteilnehmer*innen lassen die Helfer*innen den Nachmittag noch ausklingen und warten, bis die meisten den Weg nach Hause angetreten haben. Dann ist die Faschingszeit für sie endgültig vorbei.