Feuerwehr

Den Helfern im Weg

Das Feuer ist schon lange nicht mehr die einzige Herausforderung.
24. Jan. 2020

Feuerwehrmann – Traumberuf der Kindheit und Retter in der Not. In ihrem Arbeitsalltag kommt es für die Helfer darauf an, schnell Hilfe zu leisten. Doch immer häufiger werden sie dabei behindert. Neben altbekannten Problemen nun auch von Gaffern, die nur schnell ein gutes Foto aufnehmen wollen.

Es ist 1 Uhr nachts. Ein eingehender Notruf bei der Feuerwehr. Ein Suizidant befindet sich auf einem 80 Meter hohen Industriekamin. Das war damals Alex' erster Höhenrettungseinsatz. Innerhalb weniger Minuten befinden er und sein Team sich am Einsatzort. In neun Minuten klettert Alex senkrecht nach oben. Was, wenn derjenige springt und auf Alex fällt? Was, wenn Alex neben ihm sitzt und er trotzdem springt? Trotz dieser Gedanken gelang es Alex einen klaren Kopf zu bewahren. Nach einem längeren Gespräch schaffte er es, dass der Suizidant mit ihm mitgeht.

Alex arbeitet bereits seit über 23 Jahren als Berufsfeuerwehrmann. Schwere Verkehrsunfälle, Reanimationen, Schussverletzungen oder Geburten - es gibt nichts, was er noch nicht erlebt hat. Doch die Herausforderungen, mit denen sich die Rettungskräfte heutzutage konfrontiert sehen, haben sich etwas gewandelt. Elektrofahrzeuge brennen zum Beispiel ganz anders als normale Kraftfahrzeuge. Besonders aber die Zahl an medizinischen Notfällen ist deutlich angestiegen, sodass die Kapazität an Rettungswägen nicht mehr ausreicht und diese Einsätze auch mit Löschfahrzeugen bestritten werden müssen.

In 24 Stunden, einem Arbeitstag der Stuttgarter Berufsfeuerwehrmänner, kommen sie insgesamt im Schnitt auf zwei reine Feuerwehreinsätze und zwischen 30 und 40 Rettungsdiensteinsätzen. Die immer gleiche Tagesstruktur nach einem bestimmten Motto sorgt dafür, dass die Retter ihr Handwerk jeden Tag aufs Neue üben und vertiefen.

Da die Feuerwehr rund um die Uhr arbeitet, muss sie jederzeit einsatzbereit sein und hat vor allem abends Bereitschaft. Kein einfacher Job, insbesondere wenn man bedenkt, dass sie noch mit zusätzlichen Hürden zu kämpfen hat, die eigentlich vermieden werden könnten.

Kein Durchkommen

Der Parkplatzmangel in der Stadt ist für die Rettungskräfte teilweise ein sehr großes Problem. Besonders im Einsatz mit dem Rettungswagen bleibt ihnen oft nichts anderes übrig, als in zweiter Reihe zu parken, um so nicht zu viel Zeit zu verlieren. Mit den genervten, unbeteiligten Bürgern, die manchmal sogar so weit gehen und die Polizei verständigen, müsse man einfach gelassen umgehen und sie am besten erst einmal ignorieren, denn der Patient habe Priorität, erzählt uns Alex.

Auf der Autobahn, dem früheren Sorgenkind der Einsatzkräfte, auf der die Autos teilweise kreuz und quer standen, hat die mediale Aufmerksamkeit Früchte getragen. Eine Rettungsgasse zu bilden, stelle keine unlösbare Herausforderung mehr dar. Schließlich möchte auch niemand derjenige sein, der den Weg für die einfahrenden Rettungskräfte blockiere. Die Stadt räumt in der Innenstadt mit regelmäßigen Abschleppaktionen auf, was die Arbeit für die Retter vereinfacht. Ein anderes Bild zeichnet sich jedoch in der Innenstadt, insbesondere aber den kleineren Vororten von Stuttgart, ab.

In den schmalen Straßen der Vororte, in denen nach Feierabend fast kein Parkplatz frei bleibt, kann es durchaus zu Engpässen für die Feuerwehrkräfte kommen und sie gelangen nicht reibungslos und vor allem schnell zu ihrem Einsatzort.

Ein Auto zur Seite wippen, eine andere Durchfahrtsmöglichkeit zu finden, um zur Notlage zu gelangen oder zu laufen und die komplette Ausrüstung und das nötige Equipment aus dem Fahrzeug mit sich zu tragen, seien alternative Lösungen, erklärt uns Alex. Das sind alles jedoch Notlösungen, die auch in Kauf genommen werden müssen, um an den Unfallort zu gelangen. Dies bedeutet aber auch einen Verlust von kostbarer Zeit, die zum Retten fehlt und im Extremfall sogar zwischen Leben und Tod entscheiden kann.

Alternative Parkmöglichkeiten müssen her.
Rettung ist überall möglich.
Jede Sekunde zählt.
Lebensgrundlage in Flammen.

Dem Gaffer ausgeliefert

Die Digitalisierung stellt die Retter vor ein riesiges Problem. Egal an welchem Einsatzort sich Alex und seine Kollegen befinden, die Handys sogenannter Gaffer seien allgegenwärtig. Besonders auf der Autobahn filmen sie, machen Fotos und behindern die Rettungskräfte oftmals in ihrer Arbeit. Was für einen Schaden sie damit vor allem dem Opfer zufügen, ist ihnen wahrscheinlich oftmals gar nicht bewusst.

„Wer hat heute kein Handy dabei?! Vor 20 Jahren ist keiner mit der Polaroid dagestanden und hat ein Foto gemacht.“

Alex

Die Sensationsgier oder auch Profilierungssucht vieler stecke hinter solch einem Verhalten, vermutet Alex. Anstatt sich also vollkommen auf die Rettung des Patienten konzentrieren zu können, muss die Feuerwehr sich heutzutage auch darum kümmern, dass die Persönlichkeitsrechte des Patienten geschützt werden. Viele Feuerwehren arbeiten mittlerweile mit mobilen Sichtschutzwänden, um den Unfallort abzuschirmen. Alternativ wird versucht, durch geparkte Einsatzfahrzeuge oder Decken, die bereits Geschädigten zu schützen.

Viele Gaffer stellen das Foto und Video ins Netz, um sich selbst durch Likes zu profilieren. Fraglich ist jedoch, ob diese Likes wirklich so erstrebenswert sind, dass man die Arbeit der Feuerwehrleute behindert und das Opfer, auf ewig, online bloßstellt. Mittlerweile wird Gaffen auch mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet. Wie schnell der Gaffer selbst zum Opfer wird, hat Alex schon selbst erlebt:

Aber auch der Feuerwehrmann an sich ist den Gaffern ausgeliefert. Mit seiner Arbeit nimmt er gleichzeitig in Kauf, womöglich im Internet zu landen. Als Personen, die sich im öffentlichen Leben bewegen und arbeiten, dürfen sie folgenlos gefilmt werden. Deswegen brauche es vor allem auch eine psychische Stärke als Retter. Die volle Aufmerksamkeit auf den Einsatz zu richten und unnötige Ablenkungen wie Gaffer auszublenden, muss gelernt sein.

Kopfsache

Die psychische Stärke spielt, neben der körperlichen Belastbarkeit, generell eine zentrale Rolle für die Einsatzkräfte. Für Alex sind besonders Kindernotfälle dramatisch. Doch wie geht man mit diesem Druck um und was kann Abhilfe schaffen? Jeder Einsatz wird auf der Wache nachbesprochen und bei besonders schweren Fällen auch von einem speziell ausgebildeten Einsatz-Nachsorge-Team unterstützt. Solche Bilder vergisst man nicht so schnell, sie brennen sich in das Gedächtnis ein. Auch, wenn der Unfall schon 20 Jahre her ist, ist er im Kopf noch da, als wäre es gestern gewesen, so Alex. 

Daher ist es umso wichtiger, dass man den Rettern nicht zusätzlich noch Steine in den Weg legt und die Arbeit zum Beispiel durch Gaffen erschwert.

„Letztendlich will ja jeder, dass schnellstmöglich Hilfe da ist.“

Alex