Der Aufstieg der VfB Frauen

Justine Keller

Der Aufstieg der VfB Frauen

Justine Keller

Nach dem Aufstieg 2025 mischen die VfB Frauen die 2. Bundesliga auf. Doch die starken Leistungen auf dem Platz kommen nicht von irgendwoher. Sie sind das Ergebnis monatelanger Vorbereitung – körperlich, taktisch und mental.

Justine Keller

Nach dem Aufstieg 2025 mischen die VfB Frauen die 2. Bundesliga auf. Doch die starken Leistungen auf dem Platz kommen nicht von irgendwoher. Sie sind das Ergebnis monatelanger Vorbereitung – körperlich, taktisch und mental.

Justine Keller

Im ersten Moment klingt es wie hundert Paar Absatzschuhe, die auf dem Asphalt klackern. Doch in der Realität sind es keine High Heels, sondern die Fußballschuhe von einundzwanzig Spielerinnen des VfB Stuttgarts. Kein Laufsteg, sondern pure Vorfreude auf das bevorstehende Spiel auf dem Sportgelände des PSV Stuttgarts. Es ist ein Test, der zeigen soll, was die letzten Wochen Training erzielt haben. Was die Mannschaft jedoch nicht weiß: das Spiel wird auch zeigen, welche Rückschläge sie einstecken müssen. Es ist Mitte Juli und erst zwei Monate zuvor gab es auf dem gleichen Rasen eine Sache ordentlich zu feiern: Aufstieg. Von der Regionalliga ging es nach der letzten Saison mit einem Direktticket in die 2. Bundesliga. Für die VfB Frauen eine Premiere, denn noch nie zuvor stand die Mannschaft auf diesem Level. Mit der 2. Bundesliga wartet nun auch ein größeres mediales Interesse und eine finanzielle Basis, die professionellere Strukturen ermöglicht. Gleichzeitig wächst für den Verein und die Mannschaft die Verantwortung. Denn mit dem Aufstieg begann auch ein Weg voller harter Arbeit und Herausforderungen.

Leise tuschelnd und lachend bewegen sich die Frauen im weißen Trikot mit dem traditionellen roten Brustring auf dem Rasen. Die Stimmung der Stuttgarterinnen ist gut, wird aber noch getoppt von der Stimmung der Fans am Spielfeldrand.

Ausgestattet mit Plakaten supporten Hunderte die Frauen aus dem Kessel. Der Fanclub ist bei jedem Spiel dabei und es werden immer mehr Fans auf den Sitzrängen.

Justine Keller

Ausgestattet mit Plakaten supporten Hunderte die Frauen aus dem Kessel. Der Fanclub ist bei jedem Spiel dabei und es werden immer mehr Fans auf den Sitzrängen.

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Im Hintergrund läuft Musik aus den Lautsprechern, als sich die Spielerinnen warmlaufen und auch die Gegnerinnen vom 1. FC Heidenheim 1846 erscheinen auf dem Platz. Im Verlauf des Aufwärmens wird die Musik schnell abgelöst vom Stadionsprecher, der die Zuschauer herzlich begrüßt und die Aufstellungen der Teams verkündet. Aus dem Geräusch von leisem Tuscheln wird der dynamische Klang von Pässen auf dem Platz. Auch wenn der Anpfiff noch dauern wird, ist die Konzentration schon jetzt spürbar. Die ersten Kommandos hallen über den Platz, kurze Zurufe und motivierende Klatscher. Ein normaler Fußballalltag und doch liegt Spannung in der Luft. Obwohl es nur ein Testspiel ist, liegt der Fokus stark auf einem Sieg. Denn jeder Erfolgsmoment in der Vorbereitung bringt die Mannschaft ihrem Ziel, gut in die 2. Bundesliga zu starten, näher. 

Ein letztes Mal werden die Trikots zurecht gezupft und die Schuhe gebunden. Was dabei auffällt: Einige Spielerinnen begrüßen sich vor dem Einlaufen, als würden sie alte Bekannte treffen und nicht etwa Gegnerinnen. Und das sind sie oft auch. Mehrere Fußballerinnen haben in der Vergangenheit gemeinsam in Vereinen gespielt, standen früher vielleicht sogar Seite an Seite auf dem Platz. Man kennt sich und trotzdem zählt ab jetzt nur noch das Spiel. 

Und dann geht es los: von der Tribünenseite aus laufen beide Teams zusammen mit dem Schiedsrichtertrio auf den Sportplatz. Hochmotiviert und siegeswillig. 

Justine Keller

Und dann geht es los: von der Tribünenseite aus laufen beide Teams zusammen mit dem Schiedsrichtertrio auf den Sportplatz. Hochmotiviert und siegeswillig. 

Justine Keller

Ab der ersten Spielminute steht der VfB selbstbewusst auf dem Platz. Der Druck auf die Gegnerinnen ist hoch, doch die Stuttgarterinnen zeigen ihr Können. Vor allem über die Außenbahnen rollt der Ball blitzschnell über den Rasen und die Spielerinnen sprinten direkt hinterher. Wer sich mit Fußball auskennt, erkennt sofort die Qualität, die hier auf dem Platz steht. Nach sechzehn Minuten ist es ein Eckball, der im hohen Bogen in Richtung Heidenheimer Tor segelt und dann braucht es nur noch Emma Babic, die ihn ins Tor köpft. 1:0 Stuttgart, das erste deutliche Anzeichen für ein erfolgreiches Spiel. Im späteren Spielverlauf wird der VfB noch auf 2:0 erhöhen. 

Doch der Jubel für die Führung vergeht, als das Spiel plötzlich unterbrochen wird: Gillian Castor liegt nach einem Zweikampf am Boden, neben ihr kniet ihre Zwillingsschwester Joy. Während Gillian mit körperlichen Schmerzen vom Ärzteteam versorgt wird, leidet Joy still mit und bekommt Trost von ihren erschütterten Mitspielerinnen. Der ganze Sportplatz bangt um die 24-jährige Flügelspielerin. Was zu diesem Zeitpunkt nur eine dunkle Vorahnung ist, wird wenige Tage später zur bitteren Gewissheit: Kreuzbandriss im linken Knie. 

Eine Horror-Diagnose für jede Spielerin

Doch es ist bei weitem keine Seltenheit bei den Frauen. Ein Großteil der Spielerinnen des VfB Stuttgarts kämpfte in den letzten Jahren mit teils schweren Verletzungen. Eine davon ist Dafina Redzepi. Die 20-Jährige erlitt im April einen Meniskusriss und fiel danach lange Zeit aus.

Reha und Aufbauarbeit standen seither auf dem täglichen Programm. Nach vier Monaten Pause steht Dafina nun wieder auf dem Platz.

Justine Keller

Reha und Aufbauarbeit standen seither auf dem täglichen Programm. Nach vier Monaten Pause steht Dafina nun wieder auf dem Platz.

Justine Keller

Ihr Lächeln erzählt von Disziplin und unerschütterlicher Zuversicht. Zwei Kreuzbandrisse und zuletzt der Meniskusschaden im linken Knie ergeben drei lange Reha-Phasen, die sie körperlich und mental herausgefordert haben. Heute lacht sie viel und wirkt frei. Damit verkörpert sie die Willenskraft vieler Spielerinnen im Kader, die nach Verletzungen mit Entschlossenheit zurückgekehrt sind. Ruhig spricht die junge Spielerin über das Team, das ihr in der Reha Halt gegeben hat. Gerade dieser Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft ist ein weiterer Grund für die bisherigen Erfolge der Stuttgarterinnen. Er hat das Team durch die letzte Saison getragen und schlussendlich zum Aufstieg in die 2. Bundesliga geführt. „Plan B? Gibt’s nicht“, sagt Dafina mit einem entschlossenen Grinsen. Denn sie möchte von genau dem leben, was sie liebt: Fußball. 

Noch ist das für viele im Frauenfußball nicht selbstverständlich. Die Frauen des VfB Stuttgarts können von ihrem Gehalt durch den Fußball ihren Lebensunterhalt zwar decken, doch im Vergleich zu den Summen im Männerfußball sind diese Zahlen kaum vorstellbar gering. Einige Spielerinnen arbeiten neben dem Training daher zusätzlich, andere gehen noch zur Schule oder studieren, während wiederum manche sich komplett auf den Sport konzentrieren.

Dafina hat klare Pläne für die Zukunft: "Meine persönlichen Ziele sind erstmal fit werden und dann fit bleiben." Damit das für sie und ihre Mitspielerinnen möglich ist, rückt der VfB Stuttgart gezielt ein Thema in den Fokus: Verletzungsprävention. Bereits in den ersten Tagen nach der Sommerpause steht für jede Spielerin ein umfangreicher Leistungstest an. Dafür werden Sprungkraft, Ausdauer und Beweglichkeit gemessen. Hinzu kommen ärztliche Untersuchungen und Bewegungsanalysen, die dem Trainerteam zeigen, woran individuell gearbeitet werden muss. Zusammen mit Experten analysieren die Spielerinnen auch ihre individuelle Belastung. 

Es geht um Bewegungsabläufe, Haltung, Muskelverhältnisse. Immer mit dem Ziel, Schwachstellen frühzeitig zu erkennen, bevor sie zum Problem werden. 

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Es geht um Bewegungsabläufe, Haltung, Muskelverhältnisse. Immer mit dem Ziel, Schwachstellen frühzeitig zu erkennen, bevor sie zum Problem werden. 

Justine Keller

Die umfangreichen Tests sind ein fester Bestandteil der Vorbereitung und deutlich konsequenter als noch vor einigen Jahren. Alles wird gemessen, ausgewertet und dokumentiert. Ein Schritt in Richtung Professionalität, der den VfB Stuttgart weiter entfernt von Amateurvereinen in unteren Ligen.

Trainingsalltag in der Vorbereitung

Für das Trainerteam bedeutet die Vorbereitung vor allem eines: Organisation bis ins Detail. Jede Einheit ist durchgeplant, Belastungen werden individuell gesteuert, Rollen im Team flexibel verteilt. Sechs Einheiten pro Woche – jeweils ungefähr eineinhalb Stunden – sorgen für die nötige Grundstruktur. Häufig sind es auch zwei Einheiten am Tag. Morgens steht oft Athletik auf dem Programm: Krafttraining, Mobilisation, Rumpfstabilität. Beweglichkeit spielt eine ebenso große Rolle wie Schnellkraft und Spritzigkeit. Dabei geht es nicht nur darum, Leistung zu steigern, sondern Verletzungen vorzubeugen. 

Besonders durch die Unterstützung eines festen Athletiktrainers sind die Inhalte nun gezielter auf die Spielerinnen abgestimmt: spezifisch für den weiblichen Körper.

Justine Keller

Besonders durch die Unterstützung eines festen Athletiktrainers sind die Inhalte nun gezielter auf die Spielerinnen abgestimmt: spezifisch für den weiblichen Körper.

Justine Keller

Ein weiterer Fixpunkt in der Vorbereitung ist das 7-tägige Trainingslager. Abseits des gewohnten Platzes wird im oberbayrischen Bad Kohlgrub nicht nur intensiv an Taktik und Spielformen gefeilt, sondern auch weitere Grundlagen für die Saisonfitness gelegt. Lange Trainingstage, kurze Regenerationsphasen und viel Zeit miteinander. Hier wächst nicht nur die Kondition, sondern auch das Miteinander.

Die Belastung ist hoch, aber notwendig. Denn wenn im September der erste Anpfiff in der 2. Bundesliga ertönt, braucht es nicht nur ein funktionierendes System oder taktisches Feingefühl. Dann braucht es vor allem eines: Spielerinnen, deren Körper bereit sind, Woche für Woche auf diesem Niveau zu bestehen. Trotz aller Intensität fällt eine Sache sofort auf: Die Stimmung im Team. Zwischen anstrengenden Sprints und taktischen Übungen wird gelacht, gealbert und sich gegenseitig aufgemuntert. In den Trinkpausen stehen die Spielerinnen in kleinen Gruppen beisammen und reden über alles Mögliche. Es wirkt mehr wie eine große Freundesgruppe als ein reines Leistungsteam. Auch die Neuzugänge, erst vor wenigen Wochen dazugestoßen, sind längst angekommen. Sie stehen nicht abseits, sie gehören dazu, auf dem Platz genauso wie daneben. Gleichzeitig wächst mit dem sportlichen Erfolg auch die Aufmerksamkeit. Immer mehr Fans kommen zu den Spielen, der Frauenfußball in Stuttgart wird medial sichtbarer. Für viele junge Spielerinnen in der Region sind die Stuttgarterinnen ein greifbares Vorbild geworden. 

Was in der kommenden Saison auf sie wartet, ist noch offen. Die zweite Liga bringt Tempo, Druck und Gegnerinnen, die jede Schwäche bestrafen. Doch der VfB zeigt bisher starke Leistungen und steht aktuell auf einem vielversprechenden Platz. Entscheidend für einen Erfolg bleibt der Zusammenhalt – sportlich und menschlich.  

Die Frauen des VfB Stuttgarts träumen nun vom Aufstieg in die erste Bundesliga. Ob das gelingen wird, zeigt sich in den kommenden Monaten.

Justine Keller

Die Frauen des VfB Stuttgarts träumen nun vom Aufstieg in die erste Bundesliga. Ob das gelingen wird, zeigt sich in den kommenden Monaten.

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