Hyrox 6 Minuten

Hype auf die harte Tour

Cordula läuft beim Hyrox in Stuttgart durchs Ziel.
Cordula läuft mit ausgestreckten Armen ins Ziel – der Moment, in dem sich die harte Arbeit auszahlt. | Quelle: Cordula Marleen Friz
21. Mai 2025

Schweiß, Schmerz, Sieg. Der Fitnesstrend Hyrox zieht immer mehr Menschen in seinen Bann. Egal ob jung oder alt, Profi oder Amateur. Aber was macht den Wettkampf so unwiderstehlich und zum weltweiten Trend?

Eine riesige Messehalle. Die Luft riecht nach Schweiß, die Stimmung ist angespannt. An der Startlinie drängt sich eine Masse an Menschen, dicht an dicht. Ein letzter Blick auf die Uhr – noch zehn Sekunden. Cordula weiß noch genau, wie aufgeregt sie vor ihrem ersten Wettkampf war. Das Herz schlägt schnell, Adrenalin rauscht durch den Körper. Sie steht mittendrin, rechts und links von ihr die anderen Teilnehmenden. Alle warten auf den Startschuss. 

Seit Jahren treibt Cordula M. Friz Kraftsport in ihrer Freizeit, doch irgendwann wird der Sport zur Gewohnheit. Ihr fehlt der Reiz. Über Freund*innen und ihren Partner stößt sie auf das Fitnessrennen Hyrox. Während sie im Februar 2023 nur Zuschauerin ist, steht sie wenige Monate später in Dublin selbst an der Startlinie. Nicht allein, sondern im „Double“ mit einer Freundin. Ihr Ziel: herauszufinden, wie weit der eigene Körper gehen kann.

„Ich saß auf dem Boden und dachte, jetzt breche ich ab"

Cordula M. Friz

Fast ein Jahr später, in Stuttgart, steht Cordula wieder am Start. Diesmal allein. Der Wettkampf fordert sie auf eine Weise heraus, die sie nicht erwartet hat. Besonders die Burpees, eine der anstrengendsten Stationen, bringen sie dabei fast aus der Bahn. „Ich saß auf dem Boden und dachte, jetzt breche ich ab“, erinnert sie sich. Doch sie kämpft sich zurück, überwindet diese Hürde und erkennt, wozu ihr Körper fähig ist.

Was ist HYROX?

Der Hyrox ist ein Fitness-Wettkampf, der Ausdauer und funktionelles Krafttraining kombiniert. Alle Teilnehmenden absolvieren acht Ein-Kilometer-Läufe unterbrochen von acht funktionellen Übungen: 

  • 1000 Meter Ski-Ergometer
  • 50 Meter Sled Push 
  • 50 Meter Sled Pull 
  • 80 Meter Burpee Broad Jumps
  • 1000 Meter Rudern
  • 200 Meter Farmers Carry
  • 100 Meter Sandbag Lunges
  • 100 Wall Balls

Das Mindestalter für die Teilnahme liegt bei 16 Jahren. Teilnehmen ist einzeln, im Doppel oder im Viererteam möglich. Jüngere Teilnehmende können über das Youngstars-Programm starten.

Quelle: hyrox.com

Hyrox wurde 2017 von dem Event-Veranstalter Christian Toetzke und dem Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste ins Leben gerufen. Das Ziel dahinter ist ein messbares und vergleichbares Fitness-Format, das für alle Fitnesslevel zugänglich ist. Seit dem ersten Event in Hamburg hat sich der Wettkampf global verbreitet. Der Ablauf ist immer gleich – egal ob in Berlin, Paris oder New York.

Nicht nur für Profis

Je nach Erfahrung oder Ambition wählen Teilnehmende zwischen verschiedenen Kategorien, auch „Divisionen“ genannt. In der „offenen Division“ treten Männer und Frauen einzeln in ihrer Altersgruppe an. Fortgeschrittene wählen die „Pro Division“ mit mehr Gewicht und anspruchsvolleren Vorgaben. Wer sich die Strecke teilen will, tritt zu zweit im „Double“ oder zu viert im „Relay“ an. Hier können die Stationen nach individuellen Stärken aufgeteilt werden. Die Gruppenformate eignen sich aufgrund der Pausen besonders für Einsteiger*innen. Auch im Alter von über 70 Jahren oder mit einer Behinderung ist der Wettkampf zugänglich. Während sehr schnelle Athlet*innen in unter einer Stunde ins Ziel kommen, benötigen andere mehrere Stunden. Wichtig ist, dass niemand Angst haben muss, als Letzte*r ins Ziel zu laufen. Aufgrund mehrerer Startwellen liegt der Fokus weniger auf dem direkten Vergleich mit anderen, sondern mehr auf der eigenen Leistung. 

„Viele denken, sie können es nicht. Aber letztendlich kann jeder Hyrox machen“

Thomas Iwesitsch - Hyrox-Trainer

Thomas Iwesitsch ist selbst seit 2021 Hyrox-Teilnehmer und gibt inzwischen vorbereitende Kurse. Er weiß, dass viele Anfänger*innen zu Beginn eine Hemmschwelle haben: „Viele denken, sie können es nicht. Aber letztendlich kann jeder Hyrox machen“, erklärt er. Entscheidend sei es, den Gedanken loszulassen, dass alle dieselbe Leistung erbringen müssen.

Silke Iwesitsch, Thomas Ehefrau, stieß zufällig durch einen Zeitungsartikel auf den Sporttrend. Zusammen absolvierten sie einen Instruktoren-Kurs und geben seit 2023 eigene Kurse im Fitnessstudio. Die regelmäßigen Workouts sind mittlerweile fester Bestandteil im Studioalltag. Beschwerden hört Silke dabei selten, viel häufiger die Frage: „Wann geht’s endlich los?“

Trainingsplan für die Hyrox Vorbereitung.
Jede Woche überlegt sich Silke für ihre Kursteilnehmer*innen aufs Neue: „Was kann ich noch rausholen?" | Quelle: Sarah Siegmund
Trainer Thomas unterstützt bei der Station Sled Push.
Thomas (rechts) erklärt unserer Autorin Sarah (links), worauf es bei der Station Sled Push ankommt. | Quelle: Sarah Siegmund
Gewichte für die Station Farmers Carry
Für jede*n das passende Gewicht: Für die Disziplin Farmers Carry bestimmt jede*r für sich die Belastung, die für die eigene Vorbereitung passt. | Quelle: Sarah Siegmund
Die fünfte Station beim Hyrox ist Rudern.
Mitten im Training: Thomas (rechts) unterstützt unsere Autorin Sarah (links) an der Ruderstation. | Quelle: Sarah Siegmund
Finisher-Patch
Wer die Ziellinie im Hyroxrennen überquert, erhält das Finisher-Patch als Belohnung. | Quelle: Cordula Marleen Friz

Mittlerweile starten bei den Events Tausende Teilnehmende. Der DJ sorgt für die richtige Stimmung, und die Zuschauer feuern lautstark an. „Da gibst du automatisch zehn Prozent mehr, ob du willst oder nicht“, beschreibt Thomas die Atmosphäre. Wer das Rennen beendet, erhält ein Finisher-Patch. Für viele ist dieser ein handfester Beweis der eigenen Leistung und, wie Silke bemerkt, nicht selten auch ein Anreiz für die Teilnahme am Wettkampf.

Teamgeist statt Konkurrenz

Faszinierend ist dabei nicht nur die sportliche Herausforderung, sondern auch das starke Gemeinschaftsgefühl. Die Community spielt eine entscheidende Rolle: „Es wird nicht auf den gezeigt, der schwach ist. Den unterstützt man“, betont Thomas. Diese Unterstützung sei genauso in den Wettkampfhallen spürbar.

Auch Cordula schätzt den Zusammenhalt. Besonders bei ihrer Teilnahme im Doppel mit einer Freundin, spielt die gegenseitige Unterstützung eine große Rolle. Gemeinsam machen sie Fortschritte und freuen sich jedes Mal aufs Neue auf das nächste Event. Da die Zeiten digital erfasst werden, würden viele Teilnehmende immer wieder zurückkommen, um ihre Leistung weiter zu verbessern.

Doch was macht den Wettkampf so beliebt? Für viele geht es um mehr als den Sieg. Sie suchen die persönliche Herausforderung, ein klares Ziel. Trotz der Wettkampfsituation soll der Spaß nicht ausbleiben. Auch für Thomas geht es darum, nicht zu verbissen zu sein, sondern Spaß an der Sache zu haben.   

Von der Nische zum weltweiten Hype

Was vor einigen Jahren als Nischensport begann, hat sich inzwischen zum weltweiten Trendsport entwickelt. Mittlerweile finden die Wettkämpfe in mehr als 20 Ländern statt, darunter Metropolen wie Paris, Barcelona oder Chicago. Bereits im Jahr 2025 werden weltweit über 80 Events mit über 550.000 Teilnehmenden und 350.000 Zuschauenden erwartet. Austragungsorte wie der Flughafen Tempelhof in Berlin oder der Navy Pier in Chicago verleihen dem Ganzen einen einzigartigen Charakter. Der Höhepunkt des Jahres ist die Weltmeisterschaft: Die besten 15 männlichen und 15 weiblichen Athlet*innen müssen sich dafür in einem Vorentscheid qualifizieren.

Auch online wächst der Hype. Auf Instagram, TikTok und YouTube teilen immer mehr Teilnehmende ihre Trainingsfortschritte oder Wettkampferfahrungen. Cordula fällt auf, dass, prominente Teilnehmende wie die Kandidat*innen der TV-Show „‚Der Bachelor“‘ eine neue Zielgruppe ansprechen. Der Sport gewinne dadurch nicht nur an Popularität, sondern erreiche auch eine breitere Zielgruppe, die vor allem über die sozialen Medien angesprochen werde.

Dabei hat der Trend seinen Preis. Während die Startgebühren vor einigen Jahren noch niedriger waren, liegen sie heute meist im Bereich von etwa 70 bis über 100 Euro. Die genaue Höhe hängt vom Austragungsort, der Division und dem Zeitpunkt der Anmeldung ab. Hinzu kommen Kosten für Anreise und Unterkunft. Ihren ersten „Double“-Wettkampf verbindet auch Cordula mit einem City-Trip nach Dublin. Trotz der Ausgaben sei der Andrang groß, und die Hallen meist gut gefüllt.

Cordula bei der letzten Station den Wall Balls.
Kurz vor dem Ziel: Cordula bei ihren letzten Wall Balls – unter den wachsamen Augen der Kampfrichter*innen in den blauen T-Shirts.
Quelle: Cordula Marleen Friz

Inzwischen kämpft sich Cordula auf den letzten Metern durch die Masse der Menschen. Es ist nicht immer einfach, von A nach B zu kommen. Doch sie geht weiter, Schritt für Schritt. Die letzte Station: Wall Balls. Die Beine brennen, der Atem wird schwerer, und sie fragt sich: „Warum tue ich mir das eigentlich an?“. Ihre Freund*innen feuern sie ein letztes Mal an. Die letzten Meter. Die Kräfte neigen sich dem Ende. Und dann endlich erreicht sie das Ziel. Das Gefühl, beim Überqueren der Ziellinie, ist die Antwort auf ihre Frage. Der Schweiß, der Schmerz – alles ist für den Moment vergessen. Die gemessene Zeit? Erstmal Nebensache. Es zählt nur eins: das Gefühl, es geschafft zu haben.